Gesundheitspolitik

Kein Anspruch auf Nacharbeit

Wenn der Schichtbetrieb für Minusstunden sorgte ...

dm | Die Corona-Pandemie ist nicht vorbei, doch die Normalität kehrt mehr und mehr zurück. Apotheken, die zeitweise einen Schichtbetrieb eingeführt haben, arbeiten zumeist wieder wie zuvor. Doch gerade bei ihnen taucht jetzt ein arbeitsrechtliches Pro­blem auf: Müssen Minusstunden nachgearbeitet werden?

Bei der Apothekengewerkschaft Adexa sind Minusstunden derzeit ein Top-Thema in der Rechtsberatung. Die Rechtslage ist klar: In der Regel müssen Minusstunden nicht nachgeholt werden. Auch in einer Pandemie gelten die arbeitsvertraglichen Regelungen fort. Das heißt: Wenn jemand eine feste Wochenstundenzahl vereinbart hat, muss der Arbeitgeber diese auch abrufen. Wenn nicht, gerät er in Annahmeverzug. Das bedeutet, dass die Stunden vom Arbeitgeber bezahlt und vom Arbeitnehmer nicht nachgearbeitet werden müssen. Bei einem tariflichen Jahresarbeitszeitkonto gibt es mehr Spielraum, aber auch dort muss zumindest die Untergrenze der Wochenstundenzahl nach Bundesrahmentarifvertrag (BRTV) eingehalten werden (bei Vollzeit: 29 Stunden; bei Teilzeit: 75% der vertraglichen Arbeitszeit). Auch dann ist die Menge der mög­lichen zu sammelnden Minusstunden also begrenzt.

Das Problem auf Arbeitgeberseite hätte man vermeiden können, nämlich mit einer gesonderten Vereinbarung mit den Mitarbeitern, z. B. über eine begrenzt flexible Arbeitszeit. Auch Kurzarbeit wäre eine Möglichkeit gewesen. Im Nachhi­nein nun aber zu verlangen, dass alles (Minusstunden) nachgearbeitet wird, sei unzulässig, so die Adexa.

Auch Theo Hasse, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Deutscher Apotheken (ADA), räumt ein: „Einen Anspruch auf eine Nacharbeit der Minusstunden hat der Arbeitgeber (…) außerhalb eines vereinbarten Jahresarbeitszeitkontos (…) nach der derzeitigen Rechtslage nicht.“ Zu bedenken gibt Hasse aber, dass eine Situation wie die jetzige noch nicht vorgekommen ist: „Die Rechtsprechung hatte noch nicht darüber zu entscheiden, ob sich auch durch eine Pandemie das Betriebsrisiko nach § 615 BGB verwirklicht und der Arbeitgeber damit in Annahme­verzug gerät.“ Entsprechend habe das Bundesarbeitsgericht aber bereits z. B. bei Überschwemmungen entschieden. Unabhängig von der Rechtslage sollte man aus Hasses Sicht auch ans Betriebsklima denken: „Die Arbeit in Schichten kann dazu führen, dass einige Mitarbeiter ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit erbringen und auch nur diese vergütet bekommen, wäh­rend andere Mitarbeiter weniger als ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit erbringen, jedoch eine Ver­gütung der vollen Arbeitszeit erhalten. Dies führt nicht selten zu Unmut unter den Mitarbeitern, die keine Stunden ‚geschenkt’ bekommen.“ Sinnvoll sei, dass sich Arbeitgeber und Mitarbeiter verständigen, ob und in welcher Form Minusstunden nachgearbeitet werden. |

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