Gesundheitspolitik

Nächste Runde im BMG-„Datenklau“

BGH: Landgericht muss Causa Bellartz erneut entscheiden

BERLIN (ks) | Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das im vergangenen Jahr ergangene Strafurteil gegen Thomas Bellartz wegen des Ausspähens von Daten aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) aufgehoben. Das bedeutet jedoch keinen Freispruch für den Apotheke-Adhoc-Herausgeber. Die Karlsruher Richter haben den Fall zur erneuten Verhandlung nach Berlin verwiesen. (BGH, Beschluss vom 13. Mai 2020, Az.: 5 StR 614/19)

Im Januar 2018 hatte nach langjährigen Ermittlungen der Strafprozess gegen Thomas Bellartz und den Mitangeklagten Christoph H. begonnen. Ihnen wurde vorgeworfen, gemeinschaftlich Daten aus dem BMG ausgespäht zu haben (§ 202a StGB). Dahinter steckte ­folgender Sachverhalt: 2006 hatten sich die beiden kennengelernt, kurz darauf wurde Bellartz Leiter der Stabsstelle Kommunikation bei der ABDA. Daneben betrieb er schon damals den Branchendienst Apotheke Adhoc. Christoph H. war als externer Systemadministrator im BMG beschäftigt. Die beiden kamen spätestens 2009 überein, dass H. für Bellartz interne Informationen aus dem Ministerium beschaffen sollte, die Bellartz beruflich verwenden wollte. Und so griff H. auf die E-Mail-Konten von hochrangigen, von Bellartz benannten Ministeriumsbeamten und Staatssekretären zu, zog die Daten auf Datenträger und übergab sie Bellartz für Geldsummen zwischen etwa 400 und 600 Euro. Bekommen hat Bellartz dafür zum Beispiel einen frühen Arbeitsentwurf der Apothekenbetriebsordnungs-Novelle.

Das Landgericht Berlin verurteilte Bellartz und H. im April 2019 wegen des gemeinschaftlichen Ausspähens von Daten. Bellartz‘ Strafe: 300 Tagessätze zu je 220 Euro.

Die Verteidiger von Bellartz und H. hatten in dem zähen Verfahren mit zahlreichen Zeugen stets darauf gepocht, dass der Straftatbestand des § 202a StGB nicht erfüllt sei. Danach macht sich strafbar, wer sich oder einem anderen Zugang zu Daten verschafft, die für ihn nicht bestimmt sind und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind – und zwar unter Überwindung der Zugangssicherung. Die Anwälte argumentierten, dass H. als Systemadministrator gar ­keine Zugangssicherungen hätte überwinden müssen. In seiner Funktion habe er ganz erlaubt Zugriff auf alle Laufwerke und Postfächer gehabt. Überdies bezweifelten die Angeklagten, dass die IT des BMG überhaupt gesichert war. Und so gingen beide Männer in Revision.

Nun hat der BGH einen Beschluss in der Sache gefasst. Darin verwirft er H.s Revision gänzlich – nur weniger Geld aus seinen Taterträgen muss er zurückzahlen. Was Bellartz betrifft, hebt er das Urteil hingegen auf. Doch Schluss ist damit nicht: Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen. Das heißt: Der Fall wird nochmals aufgerollt.

Kein Zweifel am „Datenklau“

Doch warum wurde das Urteil gegen Bellartz aufgehoben, wenn der BGH § 202a StGB durch H. doch erfüllt sah? Der BGH-Strafsenat führt in seinem Beschluss aus, dass „die auf rechtsfehlerfreier Beweisführung beruhenden Feststellungen“ des Landgerichts die Verurteilung H.s wegen Ausspähens von Daten tragen. Die Daten seien nicht für ihn bestimmt gewesen, denn sein Zugriffsrecht habe sich auf rein technische Aufgaben beschränkt. Sie seien auch besonders gegen einen unberechtigten Zugriff gesichert gewesen – die Passworte der Behördenmitarbeiter für ihre E-Mails reichten dafür. Es komme für das Vorliegen einer Zugangssicherung nicht darauf an, ob Experten leicht auf die dahinter stehenden Daten zugreifen könnten. „Überwunden“ habe H. diese Sicherung ebenfalls. Darunter sei jede Handlung zu verstehen, die geeignet ist, die jeweilige Sicherung auszuschalten oder zu um­gehen. Auch wenn der Täter dies ohne besonderen Aufwand schaffe, sei der Tatbestand erfüllt.

Was Bellartz betrifft, so hatte das Landgericht ihn als Mittäter von H. qualifiziert: Sie sollen also aufgrund eines gemeinsamen Tatplans die Tatausführung gemeinsam verwirklicht haben. Diese Auffassung teilt der BGH jedoch nicht. Im Beschluss heißt es: „Auf die konkrete Tatbegehung, das Ausspähen von Daten, hatte der Angeklagte B. keinen Einfluss und konnte auch keinen nehmen. Ihm war auch nicht bekannt, wie H. eine mögliche Zugangssicherung überwinden würde; er nahm allein an, dass dieser dabei möglicherweise würde ‚tricksen‘ müssen.“ Zwar habe er ein erhebliches Interesse am Taterfolg gehabt und durch die Bezahlung sowie die konkrete Nennung der ­auszuspähenden Postfächer auch Einfluss auf H.s Tat gehabt. Damit ist er für den BGH aber Anstifter – und nicht Mittäter. Der BGH hat erwogen, ob er selbst den Schuldspruch von Mittäterschaft auf Anstiftung ändert. Doch letztlich sieht er sich daran gehindert – und zwar, weil es nicht gänzlich ausgeschlossen sei, dass sich Bellartz gegen diesen Vorwurf „anders – und zwar erfolgreicher – als bislang geschehen verteidigt hätte“. Und so muss nun wieder in Berlin verhandelt werden. Diesmal könnte es aber schneller gehen, die nötigen tatsächlichen Feststellungen sind aus BGH-Sicht bereits getroffen. |

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