Gesundheitspolitik

Ist kein Apothekertag besser als ein digitaler?

Komplette Absage stößt nicht überall auf Zustimmung

cha | Ende Mai wurde der Deutsche Apothekertag (DAT), der eigentlich vom 7. bis 9. Oktober 2020 in München hätte stattfinden sollen, wegen der Corona-Krise abgesagt. In einer knappen Pressemeldung wurde mitgeteilt, dass der Gesamtvorstand der ABDA dies in einer Videokonferenz eingehend diskutiert und dann ohne Gegenstimmen beschlossen habe. Zugleich wurde auch ein virtueller Apothekertag verworfen. Doch offenbar bestand die in der Pressemeldung betonte Einmütigkeit nur bezüglich der Absage des realen Apothekertags. Eine virtuelle Veranstaltung könnten sich einige Standespolitiker durchaus vorstellen. So äußert der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein Thomas Preis, dass der Verzicht auf den DAT gerade im Krisenjahr die Apotheker in der aktiven Gestaltung des Berufsstandes weit zurückwerfen werde. Und der Vorsitzende des Landesapothekerverbands Hessen Holger Seyfarth stellt die Frage: „Ist kein Apothekertag besser als ein digitaler Apothekertag?“

Die Entscheidung der ABDA-Spitze, den Deutschen Apothekertag (DAT) komplett abzusagen, findet durchaus Unterstützung. So äußerte die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe Gabriele Regina Overwiening gegenüber der AZ, dass man den Apothekertag als digitale Variante nur schwer nachbilden könne, dafür lebe er „zu sehr von der persönlichen Begegnung und der intensiven Debatte“. Sie setzt auf Dialogformate jenseits eines DAT, um den internen berufs­politischen Dialog nicht abreißen zu lassen.

Auch die Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen Ursula Funke trägt die Entscheidung zur Absage komplett mit. Die Hauptversammlung lebe vom Austausch und der Kommuni­kation, das könne virtuell nicht abgebildet werden.

© Kai Felmy

Ähnlich äußert sich der Präsident der Apothekerkammer Nordrhein Dr. Armin Hoffmann im Corona-Tagebuch-Podcast von Peter Ditzel auf DAZ.online.

Völlig anderer Meinung ist dagegen der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein Thomas Preis. Er plädiert ganz klar dafür, dass der DAT 2020 virtuell als Web-Konferenz stattfindet. Als wichtigsten Grund nennt Preis, dass der DAT „das höchste Gremium der Apothekerschaft in Bezug auf die Artikulation von Forderungen des Berufsstandes gegenüber Politik, Gesetzgeber und Gesellschaft“ sei. Gerade in diesem außergewöhnlichen Pandemie-Jahr 2020 gebe es eine große Zahl von Forderungen, die jetzt ganz klar formuliert werden sollten.

Preis sieht sogar Vorteile in einer virtuellen Veranstaltung: Bei einem digitalen Apothekertag müsse kein Politiker aufwendig und zeitraubend nach München reisen. Vorstellbar seien beispielsweise ein moderiertes Gespräch mit Gesundheitsminister Spahn oder auch eine Podiumsdiskussion mit allen gesundheitspolitischen Sprechern der Fraktionen. Die Anträge würden, so Preis weiter, ohnehin vorab eingereicht. Eine Diskussion und Beschlussfassung sei auch möglich, wenn man sich pro Mitgliedsorganisation auf fünf Delegierte beschränke.

„Virtuelle Sitzungen sind zur Routine geworden“

tmb | Während die ABDA-Spitze sich einen virtuellen Apothekertag nicht vorstellen kann, sind digitale Großveranstaltungen andernorts mittlerweile durchaus üblich. So berichtete die Industrieapothekerin Dr. Eva-Maria Schöning, Mitglied des Vorstandes der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, der AZ, wie sehr sich ihr Arbeitsalltag geändert hat. Virtuelle Sitzungen mit über 100 Teilnehmern seien zur Routine geworden. Sogar der große internationale Krebskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) mit Tausenden Teilnehmern und über 400 Ausstellern habe erfolgreich virtuell stattgefunden. Das virtuelle Post-ASCO-Treffen der Nord-Ostdeutschen Gesellschaft für Gynäkologische Onkologie habe mit über 800 Teilnehmern mehr Menschen erreicht als die realen Veranstaltungen in früheren Jahren. Es werden auch Messen durchgeführt. Die Aussteller sind dann über eine Chatfunktion erreichbar. Schöning erklärte, sie habe gute Erfahrungen mit solchen digitalen Formaten auch für viele Menschen gemacht. Digitale Konzepte sollten keine „neue Normalität“ werden, weil wir von menschlichen Kontakten leben, aber sie könnten gute zusätzliche Angebote sein, folgerte Schöning.

Der hessische Verbandsvorsitzende Holger Seyfarth kritisiert, wie die Entscheidung im ABDA-Gesamtvorstand zustande kam. Dort habe man nur über den DAT an sich abgestimmt. Über eine virtuelle Alternative sei zwar viel gesprochen, aber nicht abgestimmt worden. Eigentlich hätte man folgende Frage klären müssen: „Ist kein Apothekertag besser als ein digitaler Apothekertag?“ Und wenn der Pharmacon in Meran digital stattfinden könne, dann sollte dies auch für den DAT gelten.

Der baden-württembergische Kammerpräsident Dr. Günther Hanke äußert sich im Corona-Tagebuch-Podcast ebenfalls durchaus positiv zu den digitalen Möglichkeiten beim DAT. Er würde sich wünschen, dass die ABDA sich in diese Richtung ernsthafte Gedanken macht. Das Ganze müsse sich nicht über Tage hinziehen, sondern könne „kurz und knackig“ an einem Tag abgehandelt werden. In Baden-Württemberg habe man gute Erfahrungen mit digitalen Vorstandssitzungen. |

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