Gesundheitspolitik

Kommentar: Über den eigenen Schatten springen

Christine Ahlheim

Zwar nicht mit einem Rx-Versandverbot, aber mit einem Rx-Boni-Verbot die öffentlichen Apo­theken vor der unfairen Konkur­renz der EU-Versender schützen – mit diesem Versprechen präsentierte Gesundheitsminister Jens Spahn vor über einem Jahr sein „Gesetz zum Schutz der Vor-Ort-Apotheken“ (VOASG). Damit konnte er die ABDA-Spitze, aber auch etliche Gesundheitsexperten der Union erst einmal besänftigen. Sicherheitshalber sollte das Vorhaben noch mit der EU-Kommission abgestimmt und dann im Bundestag eingebracht werden. Passiert ist bislang allerdings nichts.

Doch nun schwindet langsam die Geduld der Union. Die Vor-Ort-Apotheken haben sich in der Corona-Pandemie glänzend bewährt. Nicht zuletzt deshalb wol­len die CSU-Abgeordneten Emmi Zeulner und Wolfgang Stefinger der Hängepartie nicht länger zuschauen und fordern die Einführung des Rx-Versandverbots. Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion Karin Maag sieht dieses durchaus als Alternative, falls die Zustimmung aus Brüssel weiter auf sich warten lässt. Zusätzlich erhöht wird der Druck auf Spahn durch das ungebremste Apothekensterben: Im ersten Quartal 2020 sank die Zahl der Apo­theken unter 19.000.

Eines ist klar: Aussitzen kann Spahn das Problem nicht – das wird die Union verhindern. Zudem würde es zu sehr am Image des „Machers“ kratzen, das Spahn den Weg ins Kanzleramt ebnen soll. Klug wäre, sich mit dem Rx-Versandverbot als Retter der Vor-Ort-Apotheken zu profilieren und die Schuld für das Scheitern des VOASG auf Europa zu schieben. Doch ob Spahn es tatsächlich schafft, hier über seinen eigenen Schatten zu springen?

Dr. Christine Ahlheim, Chefredakteurin der AZ

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