Gesundheitspolitik

Zweifelhafter Corona-Schutz

Wettbewerbszentrale ist unlauteren Werbemethoden im Gesundheitsmarkt auf der Spur

ks | Die Corona-Pandemie scheint die Vertreiber mehr oder weniger fragwürdiger Nahrungsergänzungsmittel und Gesundheitsprodukte zu beflügeln. Sie wittern neue Geschäfte – denn wer wünscht sich nicht, sich mit möglichst natürlichen Mitteln vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 schützen zu können? Doch bei der Werbung für die Produkte nehmen die Unternehmen den Mund zuweilen zu voll. Die Wettbewerbszentrale ist bereits mehrfach aktiv geworden.

Seit Mitte Februar 2020 seien insgesamt 159 Anfragen und Beschwerden zu unlauterem Wettbewerb in Zusammenhang mit Corona eingegangen, teilte die Selbst­kontrollinstitution vergangene Woche mit. Es folgten 51 Abmahnungen und 16 formlose Hinweise. Zudem seien vier einstweilige Verfügungen erwirkt und eine Unterlassungsklage bei Gericht eingereicht worden. Christiane Köber, Mitglied der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale, erklärt: „In den uns vorliegenden Beschwerdefällen werden teilweise Aussagen über Produkte getroffen, die den Verbraucher in vermeintlicher Sicherheit wiegen. Das ist nicht nur riskant für Verbraucher, sondern auch eine echte Wettbewerbsverzerrung zulasten derjenigen Unternehmen, die sich an die Spielregeln im Wettbewerb halten.“

Suggerierter Virenschutz

In einem Fall hat das Landgericht Gießen die Werbeaussage „Corona-Infektion: Wie wir uns mit Vitalpilzen schützen können!“ als unzulässig untersagt (Beschluss vom 6. April 2020, Az. 8 O 16/20 – nicht rechtskräftig). In einem anderen hatte ein Unternehmen für seine Nahrungsergänzungsmittel mit der Abbildung eines stilisierten Menschen, der Coronaviren abwehrt, sowie der Aussage „Volle Power für Ihr Immunsystem“ geworben. Das Landgericht Essen befand, dass die Grafik fälschlicherweise einen Schutz vor Viren suggeriere, und untersagte die betreffende Werbung (Beschluss vom 27. April 2020, Az. 43 O 39/20 – nicht rechtskräftig). In einem dritten Fall wurde mit dem Bild eines stilisierten Coronavirus und der Aussage „99,9 Prozent Keimreduktion aller relevanten Keime einschließlich MRSA“ für Produkte wie Mundspüllösungen, Ohrentropfen-Gel und ähnliches geworben. Auch diese Aussage wurde untersagt (Landgericht Düsseldorf, Beschluss vom 22. April 2020, Az. 34 O 26/20 – rechtskräftig).

Klage reichte die Wettbewerbs­zentrale gegen ein Unternehmen ein, das sich zuvor verpflichtet hatte, NICHT in einer ganzseitigen Zeitungsanzeige für ein mit Vitamin C angereichertes Lebensmittel unter Abbildung einer Frau mit Mundschutz und verbunden mit den Aussagen „Schützen Sie Ihren Körper. JETZT!“ sowie „Vor multi-resistenten Bakterien und internationalen Viren schützt Sie ein optimales Immunsystem* – 365 Tage im Jahr.“ zu werben. Durch das plakative Bild der Frau mit Schutzmaske sollte nach Auffassung der Wettbewerbszentrale suggeriert werden, mit der Einnahme des Produkts könne eine Infektion mit „internationalen“ Viren, eben auch dem Coronavirus, verhindert werden. Krankheitsbezogene Aussagen sind in der Werbung für Lebensmittel jedoch verboten. Wegen der Folgeanzeige, die zwar geändert worden war, aber nach Auffassung der Wettbewerbszentrale noch immer einen Schutz vor Coronaviren suggerierte, schritt diese zur Klage.

Vorsicht auch bei gut gemeinten „Umsonst“-Aktionen

Die Wettbewerbszentrale weist zudem auf gewisse Stolperfallen im Heilmittelwerberecht hin, die in der Corona-Krise auch von Unternehmen übersehen werden, die mit Spenden- und Unterstützungsaktionen helfen wollen. Im Gesundheitsbereich können Geschenke und „Umsonst“-Angebote kritisch sein – denn der Gesetzgeber hat zum Schutz vor einer zu starken Kommerzialisierung gesundheit­licher Leistungen Geschenke, Rabatte und sonstige Zuwendungen an Verbraucher verboten (§ 7 Heilmittelwerbegesetz – HWG). Diese strikte Regelung gilt auch in Corona-bedingten Krisenzeiten, erinnert die Wettbewerbszentrale.

Eine einstweilige Verfügung hat sie deshalb gegen einen Optiker beantragt, der unter Hinweis auf den Verzicht vieler Verbraucher in der Corona-Krise unter anderem „Brillengläser geschenkt für alle!“ ankündigte. Das Gericht bestätigte, dass die Werbeaktion gegen das Zuwendungsverbot des § 7 HWG verstößt. Zudem sei es irreführend, dass der Kunde erst telefonisch erfuhr, dass die Abgabe der „kostenlosen Brillengläser“ an den Kauf einer Brillenfassung geknüpft war, beim Mitbringen einer kundeneigenen Fassung eine „Einschleifgebühr“ in Höhe von 25 Euro berechnet wurde oder die Gläser nur gegen eine „Bearbeitungsgebühr“ versandt wurden (LG Flensburg, Beschl. vom 13.05.2020, Az. 6 HK O 20/20 – nicht rechtskräftig).

Das heißt nicht, dass Unterstützungsaktionen stets unzulässig sind. „Jedem Unternehmen ist es erlaubt, wirklich altruistisch Spenden an entsprechende Personengruppen zu leisten“, sagt Köber. „Wird jedoch im Bereich Gesundheit die ‚gute Tat‘ mit dem Absatz der eigenen Produkte gekoppelt, ist in manchen Fällen nicht nur die altruistische Zielrichtung der Maßnahme, sondern auch ihre Zulässigkeit zweifelhaft.“ |

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