Gesundheitspolitik

Spahn darf jetzt selbst beschaffen

Neue Verordnung verleiht BMG temporär weite Befugnisse – auch bei Arzneimitteln

ks | Am 27. Mai ist eine weitere Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) in Kraft getreten, die auf einer erst kürzlich im Infektionsschutz­gesetz geschaffenen Ermächtigungsgrundlage beruht: die „Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung“ (MedBVSV). Sie eröffnet dem BMG in Corona-Zeiten weitgehende Befugnisse im Hinblick auf Arzneimittel, Medizinprodukte, persönliche Schutzausrüstung und andere Produkte des medizinischen Bedarfs.

Bereits Anfang April hatte Minister Jens Spahn (CDU) den Entwurf dieser Verordnung vorgelegt. Während andere Pandemie-Sonderregelungen des BMG sehr schnell in Kraft traten – etwa die für Apotheken relevante SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung –, hat es hier länger gedauert. Nach Informationen der AZ lag dies daran, dass der Entwurf zunächst länger im Bundesjustizministerium lag und dann noch das EU-Notifizierungsverfahren durchlaufen musste. Doch nun ist die Verordnung wirksam. Damit ist es dem BMG befristet möglich, Produkte des medizinischen Bedarfs zentral zu beschaffen, zu lagern, herzustellen und in den Verkehr zu bringen. Das Ministerium muss dies nicht zwingend selbst tun, sondern kann auch andere Stellen damit beauftragen. Was mit Produkten des medizinischen Bedarfs gemeint ist, verrät die Verordnung in § 1 Absatz 2: Arzneimittel, deren Wirk-, Ausgangs- und Hilfsstoffe, Medizinprodukte, Betäubungsmittel der Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes (verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige bzw. verkehrsfähige und verschreibungsfähige BtM), Labordiagnostika, Hilfsmittel, Gegenstände der persönlichen Schutzausrüstung und Produkte zur Desinfektion. Zweck der Verordnung ist, die Versorgung der Bevölkerung mit diesen Produkten während der am 28. März 2020 vom Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite sicherzustellen.

Damit das möglich ist, finden für das BMG bzw. die von ihm beauftragten Stellen sowie die Personen, von denen die Produkte beschafft werden, zahlreiche einschränkende Vorschriften keine Anwendung – etwa die arznei­mittelrechtlichen Regelungen zu Kennzeichnung, Herstellung, Zulassung, der Apothekenpflicht, Vertriebswegen, Ein- und Ausfuhr sowie der Gefährdungshaftung. So können etwa im Ausland beschaffte Arzneimittel auch ohne deutschsprachige Kennzeichnung und Packungsbeilage in die Versorgung gebracht werden oder Arzneimittel mit abgelaufenem Verfalldatum noch zum Einsatz kommen.

ABDA: Angemessene Regelungen

Was die Abgabe an den Endverbraucher betrifft – die für diese beschafften Produkte ja nicht über die Apotheken läuft –, stellt die Verordnung klar, dass diese unter der Verantwortung eines Arztes oder Apothekers erfolgen muss.

Die ABDA hatte zu dem Verordnungsentwurf keine Stellungnahme abgegeben. Dafür sah sie keinen Bedarf, erklärte ein Sprecher auf Nachfrage. Die befristete Regelung ist ihrer Auffassung nach „angemessen“. Sie erlaube dem BMG nicht, eine generelle Ausnahme von der Apothekenpflicht festzu­legen, sondern lediglich in einem vorgegebenen Rahmen. Demnach könnte das BMG auch Apotheken mit diesen Tätigkeiten beauftragen.

Ob und wann das BMG von der Ermächtigung im Hinblick auf apothekenpflichtige Produkte Gebrauch machen wird, lässt sich aktuell nicht absehen. Nachteilige Auswirkungen für Apotheken sind laut ABDA aber nicht zu erwarten. |

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