Gesundheitspolitik

Taskforce soll Wirkstoffliste erstellen

BfArM-Schätzung: Intensivstationen werden 2,5-mal mehr Arzneimittel benötigen

cel | Anlässe, um über Lieferengpässe bei Arzneimitteln, Schutzausrüstung oder Desinfektionsmittel zu diskutieren, gibt es während der Corona-Pandemie ausreichend. Es muss auch weiterhin die Versorgung mit Arzneimitteln im ambulanten und klinischen Sektor gesichert werden, darin sind sich die Teilnehmer des am 9. April 2020 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stattgefundenen Jour fixe zu Lieferengpässen einig. Eine Taskforce wurde berufen, die sich um besonders dringliche Arzneimittel auf Intensivstationen kümmern soll.

In den bundesweiten Krankenhäusern ist aktuell nach Einschätzung der Jour-fixe-Teilnehmer – unter denen auch Vertreter aus dem Klinikbereich (ADKA, DKG) sind –, die größte Herausforderung, den zusätzlichen Bedarf aufgrund der Aufstockung von intensivmedizinischen Kapazitäten realistisch ab­zuschätzen. Eine höhere Nachfrage als der tatsächliche Bedarf spanne die Situation zusätzlich an. Das BfArM geht in einer ersten vorläufigen Schätzung davon aus, dass sich der Bedarf an Arzneimitteln in der Intensivmedizin bei Vollauslastung aller Intensivbetten um den Faktor 2,5 erhöhen wird. Um die hierfür zusätzlich benötigten Arzneimittel zur Verfügung stellen zu können, seien verschiedene, parallele Maßnahmen erforderlich: So sollten Arzneimittel dadurch eingespart werden, dass nicht dringend erforderliche Operationen weiterhin konsequent verlegt werden. Auch Umverteilungen von Übervorräten aus nicht oder nur wenig betroffenen Regionen in die Hotspots sollen helfen, die Versorgung der COVID-19-Patienten zu sichern, das könne auch als „milderes Mittel“ zur Verlegung von Erkrankten greifen. Zusätzlich müssen mehr Arzneimittel her: Die Produktionskapazität von Arzneimitteln soll erhöht werden und „Arzneimittel, die im Ausland nicht benötigt werden, zum Beispiel auf Antrag nach § 10 Abs. 1a AMG und § 11 Abs. 1c AMG“, sollen umgelenkt werden.Diese beiden Gesetzesabschnitte re­geln bei drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpässen bei Arzneimitteln, dass ausländische Arzneimittel befristet auch ohne deutsche Kennzeichnung und Packungsbeilage hierzulande in Verkehr gebracht werden dürfen. Jüngst wurde davon schon bei dem aus Japan importierten Pneumokokken-Impfstoffen Pneumovax® 23 Gebrauch gemacht. Bei Duldung von Importen nach § 10 Abs. 1b und § 11 Abs. 1c AMG sollen, gemäß dem Vorbild des PEI, auch auf der Homepage des BfArM alle relevanten Informationen und Abbildungen des Arzneimittels veröffentlicht werden, die das Präparat als geprüfte Original­ware erkennbar machen.

Eine Taskforce, bestehend aus Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker e. V. (ADKA), Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK), BfArM, Deutscher Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG), Progenerika, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF), soll Maßnahmen erarbeiten, um intensivmedizinische Versorgungsprobleme zu vermeiden. Konkret will sie sich kurzfristig zu etwa 20 für die intensivmedizinische Versorgung relevanten Wirkstoffen abstimmen und eine belastbare Wirkstoffliste erstellen. Hierbei soll die Taskforce jedoch auch die Auswirkungen auf den ambulanten Bereich betrachten. Zudem sollen Bedarfs- und Produktionskapazitäten ermittelt und ein Mustervorgehen etabliert werden, wie die Versorgung in COVID-19-Hotspots zu bewerkstelligen ist.

Situation in Apotheken entspannt sich

Die Jour-fixe-Teilnehmer warfen auch einen Blick in die ambulante Versorgung. Dort habe sich die Situation in Apotheken leicht entspannt. Gründe könnten die Kontaktbeschränkung, aber auch der Quartalswechsel sein. Dennoch sollten Apotheker weiterhin wachsam sein, wenn Arzneimittel aus der klassischen Versorgung für die Behandlung von COVID-19-Patienten verschrieben und angewendet würden.

Corona fordert auch die pharmazeutischen Hersteller und Zulassungsinhaber: Die Nachfrage steigt global, die Transportwege klappen nicht reibungslos, was die Markt­situation ziemlich strapaziert. Allerdings hat Indien jüngst verkündet, dass Ausgangsstoffe zur Arzneimittelherstellung grundsätzlich wieder exportiert werden können und auch die Produktion in China wieder angelaufen ist.

Jour fixe fortan alle 14 Tage

Treffen sich die Teilnehmer des Jour fixe für gewöhnlich nur drei- bis viermal pro Jahr, ist dieses „Soll“ nun bereits erfüllt. Der April-Jour-fixe war seit dem 27. Februar 2020 nun schon der dritte in diesem Jahr, am 25. März fand ebenfalls eine außerplanmäßige Runde beim BfArM statt. Laut dem Kurzprotokoll der letzten Sitzung war der jüngste Jour fixe auch längst nicht der letzte, man will sich fortan zweiwöchentlich treffen. Nach Auffassung der Teilnehmenden haben die im letzten Jour fixe getroffenen Festlegungen und Einschätzungen grundsätzlich weiterhin Bestand. Unter anderem war im März empfohlen worden, Fertigarzneimittel, die zwar qualitativ einwandfrei sind, aber wegen einer fehlenden oder nicht ausreichenden Umsetzung regulatorischer Anforderungen nicht freigegeben werden, vorerst nicht zu vernichten, damit diese im Fall eines Versorgungsmangels verfügbar bleiben. |

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