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Nicht rauchen, Bewegung und Sonnencreme?

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

„Wir freuen uns, dass mit Jens Spahn ein sehr fachkundiger, durchsetzungsstarker und zukunftsorientierter Minister das Gesundheitsministerium führen wird“, gab der Verband der ­Ersatzkassen im März 2018 bekannt. Genau ein Jahr und fünfzehn Referentenentwürfe später sind wir schon mittendrin in der Diskussion um die fachliche Kompetenz des Ministers bei gesundheitsrelevanten Themen. Nun hatte sich Jens Spahn für seine Statements über Krebs und HIV auch zwei wirklich schwere Brocken herausgesucht, an ­denen nicht nur die medizinische Spitzenforschung der letzten Jahrzehnte hängt, sondern auch die Schicksale und Ängste der Betroffenen und ihrer Angehörigen.

Zugegeben, für viele Wissenschaftler ist die Aussicht, in zehn bis 20 Jahren den Krebs besiegen zu können oder wenigstens – wie bei HIV – in den Griff zu bekommen, die treibende Kraft für ihr Lebenswerk. Doch solche Ankündigungen als hochrangiges Regierungsmitglied auszusprechen, kann mitunter etwas grotesk wirken. Nun weiß man von Jens Spahn, dass er politisch auch mal gerne flexibel und fernab von Mainstream bzw. Koalitionsvertrag agiert, seine Gesetzesvorhaben nach dem Motto „Nicht kleckern, sondern klotzen“ auswählt und mit Schuhgröße 49 ohnehin seine Schwierigkeiten hat, in jemandes Fußstapfen zu treten.

Als Vorbild beim Sprüche Klopfen hätte ihm John F. Kennedy dienen können, der in seiner historischen Rede am 25. Mai 1961 den ersten bemannten Flug zum Mond avisierte und gleichzeitig der Raumfahrtindustrie ein Ultimatum stellte. Die Rechnung ging bekanntlich auf, Kennedy selbst erlebte den Triumph jedoch nicht mehr mit.

Ein halbes Jahrhundert später im deutschen Politik-Alltag erntete Jens Spahn für seinen Plan „Andere fliegen zum Mond, wir wollen den Krebs besiegen“ dagegen viel akademischen Gegenwind. So lautete die Diagnose von Prof. Dr. med. Ulrich Keilholz, Leiter des Comprehensive Cancer Center der Berliner Charité, die Ministeraussage sei „eher politisch motiviert als wissenschaftlich fundiert“. Viel schmerzlicher war für Jens Spahn aber sicher der Shitstorm auf seinen Tweet, in dem er jeden aufrief, durch nicht rauchen, Bewegung und Sonnencreme sein persönliches Krebsrisiko zu senken. Mehr als 1000 Kommentare kamen innerhalb weniger Stunden zusammen. Vor allem junge Betroffene warfen ihm Pauschalisierung vor und rieten ihm, zu Gesundheitsthemen lieber zu schweigen.

Böse gemeint hat Jens Spahn das alles sicher nicht. Glaubt man Bild-Kolumnist Peter Hahne, dann sollten uns christliche Politiker sowieso viel häufiger Hoffnung machen: „Hätte die Politik vor 20 Jahren wirklich moderne Autos gewollt […], wir hätten Elektroautos statt Feinstaub und viele heutige Probleme nicht.“ Nun sei die Medizin gefragt. So einfach soll das also gehen?

Erreicht hat der Minister, dass zu einem wichtigen Thema wieder kommentiert und getwittert wird. In der aktuellen DAZ finden Sie drei Beiträge, die Ihnen hierzu einige Impulse geben können. Dr. Ilse Zündorf und Prof. Dr. Theo Dingermann von der Uni Frankfurt haben den neuen Bluttest auf Brustkrebs kritisch analysiert (S. 28). Prof. Dr. Ralf Stahlmann von der Charité Berlin ordnet die Studien zum teratogenen Risiko von Sexualhormonen ein (S. 30). Dr. Dorothee Dartsch und Priv.-Doz. Dr. Dr. med. Friedemann Honecker aus Hamburg beleuchten die Langzeitfolgen von Chemotherapien (S. 46).

Armin Edalat

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