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Tarifbindung stärkt beide Seiten!

Warum Tarifabschlüsse nicht nur für Mitarbeiter wichtig sind

Seit 1996 ist die Zahl der Beschäftigten, für die Flächentarifverträge gelten, von 70% auf 49% im Westen und von 56% auf 39% in Ostdeutschland gesunken. Dies wird auch durch Haustarifverträge nicht kompensiert. Hier liegt der Anteil bei 8% (West) bzw. 10% (Ost). Dem sozialen Frieden und der Suche nach Fachkräften tut dies nicht gut.
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Wenn sich die Tarifbindung – deutschlandweit – in einem jahrzehntelangen Sinkflug befindet, ist das keine erfreuliche Nachricht. Vor allem natürlich nicht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Aber auch nicht für die Gesellschaft im Ganzen und konkret nicht einmal für die Betriebe. Denn Tarifverträge sind wichtig, um Branchen vor Lohndumping zu schützen und vor einem zunehmenden Fachkräftemangel. Sie sorgen für die Einführung innovativer Arbeitszeitmodelle, die es Frauen und Männern erleichtern, familiäre Aufgaben besser mit dem Beruf zu verbinden, und die die Attraktivität für den Berufsnachwuchs erhöhen.

Dass immer weniger Beschäftigte von Tarifbindung profitieren, liegt auch an einer Ausweitung des Dienstleistungssektors. Während die männerdominierten Industriebranchen traditionell einen hohen Organisationsgrad bei Arbeitgebern wie Arbeitnehmern aufweisen, sind für die sogenannten Frauenberufe im Gesundheits- und Sozialbereich sowie im Einzelhandel eher niedrige Werte für die Tarifbindung charakteristisch.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat aktuell die Bundesregierung aufgefordert, das „öffentliche Gut Tarifvertrag“ wieder zu stärken. Er fordert unter anderem verbindliche Tariftreueregeln bei staatlichen Aufträgen. Außerdem soll die bisherige Vetoregel aufgehoben werden, durch die die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) verhindern kann, dass Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden – und das, obwohl sich zuvor branchenintern Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter darauf geeinigt haben.

Ein dritter Punkt auf der DGB-Agenda ist, die Nachwirkung von gekündigten oder ablaufenden Tarifverträgen zu verlängern. Damit würden die tarif­lichen Ansprüche erhalten bleiben – wie das auch im Fall des gekündigten Bundesrahmentarifvertrags für Apothekenmitarbeiter der Fall ist.

Und nicht zuletzt könnten steuerliche Vergünstigungen für Gewerkschaftsmitglieder bzw. Anreize für Unter­nehmen dazu führen, dass die Sozialpartnerschaft und damit auch der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft gestärkt werden.

Foto: Adexa
Uwe May und Tanja Kratt

Wie läuft es in den Apotheken?

„Erfreulicherweise müssen wir uns nicht über einen Rückgang bei der Zahl der Gewerkschaftsmitglieder beklagen“, kommentiert ADEXA-Vorstand Andreas May. „Nach oben ist zwar noch Luft. Die letzten Tarifauseinandersetzungen von Verdi im Luftverkehr und im Pflegebereich sollten allen Arbeitnehmern gezeigt haben: Es zahlt sich aus, wenn man sich organisiert.“

Tanja Kratt, Leiterin der ADEXA-Tarifkommission, sieht mit Sorge, dass der Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) seiner Aufgabe als Tarifpartner nicht nachkommt: „Wir haben einen ganz konkreten Fachkräftemangel im Apothekenbereich. Soweit sind sich noch alle einig. Doch der ADA setzt derzeit die Karten auf individuelle Einzellösungen wie eine übertarif­liche Bezahlung, statt die öffentlichen Apotheken insgesamt durch attraktive und moderne Tarifverträge zu stärken. Das ist kurzsichtig, um nicht zu sagen völlig planlos. Die Vorschläge von ADEXA zur Kürzung der Wochen­arbeitszeit, Erhöhung von Urlaubszeiten und besseren Regelungen zur Notdienstvergütung u. a. wären in jedem Fall geeignet, attraktivere und angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen – und damit aktuelle Arbeitsverhältnisse zu stärken und zu sichern sowie den Nachwuchs zu fördern.“

Andreas May ergänzt: „Mit den Arbeitgebern in Nordrhein werden wir in diesem Jahr aber einen wichtigen Schritt gehen: die tarifliche Einstufung für Filialleiter. Manchmal sind solche Pilotprojekte nötig, um zu zeigen: Es funktioniert und es ist gut für beide Seiten.“

Auch in Sachsen soll es demnächst wieder Gespräche geben. Tanja Kratt: „Ein Tarifvertrag für die Apotheken im Freistaat ist in Sichtweite gerückt und wird mit Sicherheit eine sehr gute Nachricht für die über lange Zeit tariflosen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ |

Quelle

Mehr Tarifverträge braucht das Land. einblick Februar 2019, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), www.dgb.de/++co++410bf758-23b4-11e9-a88d-52540088cada

Sigrid Joachimsthaler

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