Therapien im Gespräch

Gefährlicher Trend

„Vitalpilze“ halten nicht, was sie versprechen

msw | Glaubt man den Werbeaussagen zu „Vitalpilzen“, scheint es, als sei gegen fast jede Krankheit ein Pilz gewachsen (s. Tab. 1). Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma, Allergien, Asthma, Diabetes mellitus – kein Problem für Shiitake, Maitake, Reishi, Hericium, Fu Ling & Co. Sogar in der Krebstherapie sollen Vitalpilze eine heilende Wirkung haben. Prof. Dr. Martin Smollich, Lübeck, hat für die DAZ eine Einordnung vorgenommen.

Tab. 1: Überblick über häufig verwendete „Vitalpilze“.
botanischer Name
deutsche Bezeichnung
postulierte und im Marketing verwendete Wirkungen (typische Beispiele)
Agaricus blazei murill (Agaricus brasiliensis)
ABM-Pilz, Brasil-Egerling, Mandelpilz
antiallergen, tumorhemmend, antibakteriell, antiviral
Auricularia auricula-judae, Auricularia polytricha
Judasohr
cholesterolsenkend, antioxidativ, durchblutungsfördernd
Coriolus versicolor
Yun Zhi, Schmetterlingstramete
tumorhemmend
Coprinus comatus
Schopftintling
blutdrucksenkend, blutzuckersenkend
Ophiocordyceps sinensis
Chinesischer Raupenpilz
immunmodulierend, aphrodisierend, antibakteriell
Ganoderma lucidum
Reishi, Ling Zhi, Glänzender Lackporling
blutdrucksenkend, antibakteriell, antiviral
Grifola frondosa
Maitake, Klapperschwamm
immunmodulierend, blutdrucksenkend, antibakteriell, antiviral
Hericium erinaceus
Igelstachelbart
antibakteriell
Lentinula edodes
Shiitake
cholesterolsenkend, antiphlogistisch
Pleurotus ostreatus
Austernseitling, Austernpilz
cholesterolsenkend, antioxidativ
Polyporus umbellatus
Eichhase
blutdrucksenkend, antioxidativ

Das steckt drin

„Vitalpilze“ stammen ursprünglich aus Wildsammlungen in China, Korea oder Japan. Heute werden sie jedoch meist nicht mehr gesammelt, sondern in Pilzfarmen kultiviert. Wie alle anderen Pilze auch, sind sie reich an unverdaulichen Polysacchariden, z. B. Beta-, Xylo- und Heteroglykanen, Chitin-haltigen Verbindungen und Polysaccharid-Protein-Komplexen. Daneben sind Terpenoide und kurzkettige Peptide häufig vertreten. Einzelne Pilzarten enthalten zudem spezifische Inhaltsstoffe, beispielsweise das sogenannte Cordycepin in Ophiocordyceps sinensis oder das Enzym Laccase in Coriolus versicolor. Viele „Vitalpilze“ sind bereits aufgrund des Geschmacks oder der Konsistenz nicht zum üblichen Verzehr geeignet (z. B. Raupenpilz, Schmetterlingstramete oder Lackporling).

Die Wahrnehmung der Bevölkerung

Im Internet und in Broschüren werden „Vitalpilze“ mit unterschiedlichen Heil- und Wirkversprechen beworben. Zumeist geht diese Bewerbung einher mit Hinweisen auf eine langiährige Verwendung von „Vitalpilzen“ in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Da sie überwiegend als Nahrungsergänzungsmittel angeboten werden und rechtlich als Lebensmittel gelten, ist eine krankheitsbezogene Werbung für Vitalpilze in Deutschland nicht erlaubt. Deshalb ist auf der Verpackung häufig nicht ersichtlich, zu welcher Verwendung die „Vitalpilz“-Produkte bestimmt sind. Dennoch halten viele Verbraucher Heilpilze schon aufgrund des Namens, aber auch aufgrund der arzneiähnlichen Aufmachung und der entsprechenden Berichterstattung für seriöse Arzneimittel.

Die Gefahr

Von wenig aussagekräftigen Einzelstudien abgesehen ist die Datenlage sowohl zu präventiven und therapeutischen Wirkungen von „Vitalpilzen“ als auch zu deren Risikopotenzial äußerst lückenhaft und in keinem Fall aus­sagekräftig. Zudem zeigen Auswertungen der Verbraucherzentralen, dass gerade Produkte aus Asien oft nicht die angegebenen Substanzen oder Dosierungen enthalten und häufig mit gesundheitsschädlichen Stoffen wie Aflatoxinen und anderen giftigen Pilzsubstanzen verunreinigt sind. Weder Nebenwirkungen, Sicherheit oder tatsächliche Wirkungen wurden geprüft. Für Shiitake-haltige Zubereitungen gibt es zahlreiche Berichte über allergische Reaktionen. (DAZ 41, S. 36) |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.