Apothekertage

Deutscher Apothekertag

tmb | Das herausragende Thema beim Deutschen Apothekertag vom 25. bis 27. September in Düsseldorf war die Reaktion auf das Gesetzespaket von Bundesgesundheitsminister Spahn, das auf eine sozialrechtlich fundierte Gleichpreisigkeit von Rx-Arzneimitteln nur für GKV-Patienten zielt. Wenige Tage vor dem Apothekertag hatte der Bundesrat jedoch das Rx-Versandverbot empfohlen, sodass viele Delegierte eine neue Chance dafür sahen. Nach dem Lage- und dem Geschäfts­bericht diskutierten die Delegierten kontrovers darüber. Am zweiten Tag wurde nach mehreren Anläufen der Kompromiss gefunden, den zentralen Antrag zur Gleichpreisigkeit so zu ergänzen, dass die Stellungnahme des Bundes­rates „in das laufende Gesetzgebungsverfahren ergänzend einzubringen“ sei. Bei seinem Besuch am dritten Tag machte Spahn erneut deutlich, dass er sich nicht für das Rx-Versandverbot einsetzen werde, weil er seine Pläne für besser durchsetzbar und europarechtlich sicherer halte. Danach dis­kutierten die Delegierten erneut. Es bestand Konsens, dass das geplante Gesetz viele Vorteile böte. Darum wolle man sich nicht in eine Entweder-oder-Situation treiben lassen. Daraufhin beschlossen die Delegierten einen Appell an die Bundesregierung, das Gesetz schnellstmöglich in den Bundestag einzubringen. Die Apotheker würden den parlamentarischen Prozess kritisch-konstruktiv begleiten. Außer Spahn sprachen keine Politiker beim Apothekertag. Die übliche Politikerrunde fiel aus, weil die eingeladenen Politiker in der Sitzungswoche des Bundestages auf Terminprobleme verwiesen hatten.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Lagebericht der ABDA. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt konstatierte, dass kein Politiker mehr die Existenzberechtigung der Apotheker infrage stelle. Doch die Apotheker seien besorgt wegen der Digitalisierung und belastet durch immer mehr Lieferengpässe. Der bürokratische Aufwand nehme den Spaß am Beruf. Schmidt mahnte, auch in schwierigen Situationen Positives zu entdecken und verwies auf die vielen Leistungen der Apotheker im persönlichen Kontakt mit den Patienten. Er bekräftigte, dass das Rx-Versandverbot die beste Reaktion auf das EuGH-Urteil sei, aber es sei in der Politik nicht durchsetzbar. Der interne Streit um den richtigen Weg werde weitergehen, aber Schmidt betonte, dass die ABDA-Mitgliederversammlungen stets zu einstimmigen Ergebnissen gekommen seien. Diese Fähigkeit zur Einigung sei die Voraussetzung dafür, dass die Apotheker politikfähig seien. Schmidt erklärte den bisherigen Leitsatz „Struktur vor Geld“ für falsch. Es seien Wettbewerbsregeln und wirtschaftliche Abgrenzungen zum Versand nötig. Das vorliegende Gesetzespaket sei nicht der große Wurf, aber die Zukunft entstehe in vielen kleinen Schritten.

Geschäftsbericht der ABDA. Die wesentliche Frage im Berichtszeitraum war für ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz, ob die zentralen Steuerungselemente der Arzneimittelversorgung unter den geltenden Rahmenbedingungen zu verteidigen seien. Wegen der Flut von Gesetzesvorhaben sei es für die Apotheker wichtig, eigene Vorschläge zu machen und ihre Kernpositionen zu verdeutlichen. Die höchste Priorität habe die Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit für Rx-Arzneimittel, aber die Gremien und wohl auch jeder Einzelne seien zwischen dem klaren Rx-Versandverbot und einem durchsetzbaren Maßnahmenpaket hin- und hergerissen.

In der anschließenden Aussprache kritisierten einzelne Delegierte die Haltung der ABDA als zu pessimistisch. Die jüngste Bundesratsempfehlung für das Rx-Versandverbot müsse besser genutzt werden, auch um gegenüber Politikern glaubwürdig zu bleiben, die dafür gekämpft hätten. Mit dem aktuellen Gesetzespaket drohe das ganze System zu zerbrechen, weil die Preisbindung nicht für Selbstzahler bei ausländischen Versendern gelte.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Themenforum. Im Themenforum „Zukunftsperspektive pharmazeutische Dienstleistungen“ erklärte ABDA-Vorstandsmitglied Cynthia Milz, die Apotheker hätten in Modellen und Studien gezeigt, dass sie erfolgreiche pharmazeutische Dienstleistungen ­erbringen könnten. Diese sollten sie nun umsetzen. Die ABDA habe über 100 Vorschläge für solche Dienstleistungen ausgewertet, aber Milz verriet nicht, welche den Krankenkassen angeboten werden. Sie müssten über die bestehenden Beratungspflichten hinausgehen. Dazu würden auch die Verbesserung der ländlichen Versorgung, der Wirksamkeit und der Therapie­sicherheit gehören. Andrea Brügger, Abteilungsleiterin beim Schweizerischen Apothekerverband, berichtete über die Erfahrungen mit Dienstleistungen in der Schweiz, insbesondere mit Impfungen in Apotheken.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Ministerbesuch. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bekräftigte, dass ihm die flächendeckende Versorgung durch Apotheken wichtig sei. Doch es könne nicht alles so bleiben, wie es ist, insbesondere wegen der Digitalisierung. Beim E-Rezept sei zwar der Datenschutz zwingend, aber sonst solle man nicht auf die perfekte Lösung warten. Spahn betonte, dass nicht er die Gleichpreisigkeit gekippt habe, sondern der EuGH. Die geplante Streichung von § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG sei auch nur eine Reaktion auf das Urteil, denn faktisch existiere diese Bestimmung seit dem Urteil nicht mehr. Er wolle mit seiner sozialrechtlichen Preisregelung einen möglichst aussichtsreichen Weg gehen, weil ohnehin jede neue Regelung noch mal vor einem europäischen Gericht landen werde. Gegen das Rx-Versandverbot habe das Bundesjustizministerium, das er als Hausanwalt des Bundeskabinetts betrachte, europarechtliche Bedenken signalisiert. Für den Bundesrat sei es dagegen einfach, das Rx-Versandverbot zu fordern. Wenn die Länderkammer dazu eine Gesetzesinitiative starte, werde er die Arbeit an dem Thema einstellen. Spahn stellte sich den vielen Fragen der Delegierten. Auf den Einwand, es könne nicht ein bisschen Gleichpreisigkeit geben, antwortete er, es sei die Frage, ob 100 Prozent oder 10 Prozent des Marktes bonusbehaftet sein könnten. Zur Frage nach der ausstehenden Stellungnahme für das Oberlandesgericht München erklärte Spahn, diese werde zwischen den Ressorts abgestimmt und wegen der laufenden Gesetzgebung verschoben.

Eröffnung der Expopharm. Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes, erklärte, das geplante Gesetz sei „keine Ideallösung“, aber besser als der bestehende Zustand. Er begrüßte die neuen Dienstleistungen, für die aber noch eine Dynami­sierung fehle, und das Bekenntnis zur freien Apothekenwahl beim E-Rezept. Nur die Apotheker würden das E-Rezept eng an den Vorgaben der Telematikinfrastruktur entwickeln. Bei den Grußworten von Herstellern und Großhandel standen die Lieferengpässe im Mittelpunkt. Der Phagro-Vorsitzende Dr. Thomas Trümper sprach vom Eindruck, die Arzneimittelversorgung würde „auf dem Altar der Warenverkehrsfreiheit geopfert“. Wolfgang Späth, Vorsitzender von Pro Generika, bezeichnete die Arbeit der Apotheker mit Lieferengpässen als „pharmazeu­tisches Improvisationstheater“. Als bevorzugter Lösungsansatz zeichnete sich ab, Rabattverträge möglichst an mindestens drei Anbieter mit zwei verschiedenen Wirkstofflieferanten zu vergeben, wobei langfristig ein Hersteller einen Produktionsstandort in der EU haben sollte.

Anträge. Die folgenden (hier stark verkürzt dargestellten) Anträge wurden von der Hauptversammlung an­genommen:

  • Der Gesetzgeber soll verlässliche ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen für die Apotheken gewährleisten, die die flächendeckende Versorgung stärken. Das Vergütungssystem soll den regulatorischen Anforderungen Rechnung tragen. Der einheitliche Abgabepreis soll für alle Rx-Arzneimittel gelten. Der Gesetzgeber soll die Empfehlung des Bundesrates für das Rx-Versandverbot ergänzend in die Gesetzgebung einbringen. Modellvorhaben sollen nur zulässig sein, wenn die Landesapothekerverbände beteiligt sind.
  • Die Bundesregierung soll das VOASG schnellstmöglich in den Bundestag einbringen. Die Apotheker werden dies konstruktiv-kritisch begleiten.
  • Die Bundesregierung soll das Auskunftsersuchen des OLG München umfassend beantworten.
  • Das Zuweisungsverbot gemäß § 11 ApoG soll sich auch auf ausländische Apotheken erstrecken.
  • Der Gesetzgeber soll durch geeignete Maßnahmen Liefer- und Versorgungsengpässe bekämpfen. Dazu soll er gemeinsam mit den Beteiligten eine Strategie entwickeln.
  • Die Bundesregierung soll Ausmaß und Ursachen von Lieferengpässen bei lebensnotwendigen Arzneimitteln systematisch analysieren und daraus Gegenmaßnahmen ableiten.
  • Hersteller sollen wieder Produk­tionsstandorte für Arzneistoffe in Europa errichten.
  • Ein Exportverbot für dringend benötigte Fertigarzneimittel soll geprüft werden.
  • Hersteller und Großhändler sollen ihren Lieferverpflichtungen nachkommen, die Apotheken über Lieferprobleme informieren und die Angaben dazu in einer zentralen Datenbank verbindlich bereitstellen.
  • Der Verstoß gegen die Verpflichtung zur bedarfsgerechten Arzneimittellieferung gemäß § 52b AMG soll als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden.
  • In der Zytostatikaversorgung soll das Regionalprinzip eingeführt werden. Eine Belieferung innerhalb von 90 Minuten nach der Beauftragung soll möglich sein.
  • Parenteraliarezepturen sollen an andere Apotheken weitergegeben werden können, wie dies bei Zytostatikazubereitungen gemäß § 11 Abs. 3 ApoG möglich ist. Um dies (wegen Schmerzpumpen) auch für Rezepturen mit Opioiden zu ermöglichen, soll § 4 BtMG angepasst werden.
  • Die Versorgung mit Grippeimpfstoffen soll in der Saison 2020/21 evaluiert und die Vergütung der Apotheken daraufhin angepasst werden.
  • Apotheken sollen für die Abgabe bestimmter Hilfsmittel automatisch präqualifiziert sein.
  • Die wohnortnahe persönliche Versorgung mit Hilfsmitteln soll durch Entbürokratisierung sichergestellt werden.
  • Der Gesetzgeber soll die Bemühungen der Bundesregierung zur Einführung honorierter pharmazeu­tischer Dienstleistungen in öffent­lichen Apotheken unterstützen. Es sollen die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit sich die Leistungen langfristig durchsetzen. Die Leistungen sollen auf dem Niveau eines akademischen Heilberufs vergütet werden.
  • Bei der Beleihung des Deutschen Apothekerverbandes mit der Durchführung des geplanten Dienstleistungsfonds sollen zusätzliche Mittel für die Abrechnung und die digitale Infrastruktur vorgesehen werden.
  • Der Gesetzgeber soll regeln, welche Daten in der Apotheke für heilberufliche Aufgaben erhoben, gespeichert und verarbeitet werden dürfen.
  • Krankenhäuser sollen bundesweit Apotheker auf Station in ausreichender Zahl einsetzen.
  • Der zweite Abschnitt des pharmazeutischen Staatsexamens soll nicht in eine noch weniger anwendungsorientierte Form umgewandelt werden.
  • Bei der Besetzung der Lehrstühle an pharmazeutischen Hochschulinstituten soll der pharmazeutische Schwerpunkt verstärkt werden.
  • Der Einsatz von Isoglucose in Lebensmitteln soll beschränkt werden. Der Gehalt an Fructose soll dabei deutlich gekennzeichnet werden.
  • Die Digitalisierung in den Apotheken soll in enger Anlehnung an die Gematik weiter vorangetrieben werden. Die ABDA soll dabei eine starke gestaltende Rolle einnehmen. Der Gesetzgeber soll digital unterstützte honorierte pharmazeutische Dienstleistungen ermöglichen.
  • Für das E-Rezept sollen eindeutige und justiziable Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Patientenautonomie und die freie Apothekenwahl garantieren.
  • Das Makelverbot für E-Rezepte soll auf alle Beteiligten erweitert werden.
  • Im HWG soll verboten werden, Zu­gaben für die Übermittlung von E-Rezepten anzubieten, anzukün­digen, zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen.
  • Alle Menschen in Deutschland sollen einen diskriminierungsfreien Zugang zu E-Rezepten erhalten. Es soll möglich sein, E-Rezepte barrierefrei ohne zusätzliche Kosten oder Verpflichtungen zu verwalten und einzulösen.
  • Beim GKV-Spitzenverband soll eine gemeinsame Stelle von Apothekern, Ärzten und Krankenversicherungen eingerichtet werden, die die vertraglichen Bestimmungen synchronisiert, um bei E-Rezepten formale Fehlerfreiheit zu erreichen.
  • Digitale Gesundheitsanwendungen sollen als apothekenübliche Waren in die ApBetrO aufgenommen werden. Die Apothekerverbände sollen gemäß SGB V Verträge zur Kostenerstattung für diese Anwendungen schließen dürfen.
  • Apotheken sollen nicht für den Ausfall der Herstellerrabatte haften müssen.
  • Der zusätzliche Arbeitsaufwand bei Lieferengpässen soll honoriert werden.
  • Die laufenden Kosten für die Um­setzung des Securpharm-Systems sollen den öffentlichen Apotheken und den Krankenhausapotheken ersetzt werden.
  • Die Anforderungen an Notfalldepots gemäß § 15 Abs. 2 ApBetrO sollen überprüft und angepasst werden.
  • Der Einzelimport von zentral zugelassenen Arzneimitteln gemäß § 73 Abs. 3 AMG soll rechtlich geklärt werden, um bei Lieferengpässen schnell durch Importe reagieren zu können.
  • Die Regeln für das Entlassmanagement sollen so angepasst werden, dass Patienten in ausreichender Menge mit Arzneimitteln versorgt werden können.
  • Die MPBetreibV soll nicht für Medizinprodukte mit geringem Risiko­potenzial gelten.
  • Ein Aktionsbündnis „Arzneimittelversorgung sicher, gut und nachhaltig“ soll unter Klimaschutzaspekten problematische Bereiche der Arzneimittelversorgung detektieren und Lösungsvorschläge entwickeln.
  • Die Arzneimittelversorgung soll sich bei der Ausgestaltung der Versorgungswege an nachhaltigem Klima- und Umweltschutz ausrichten.
  • Pharmaunternehmen sollen das Vorliegen einer Apothekenbetriebserlaubnis rechtssicher digital prüfen können.
  • Es sollen Maßnahmen zur dauerhaften Unterstützung des Bundesverbandes der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) entwickelt werden.
Foto: DAZ/Alex Schelbert

Die folgenden Anträge wurden in Ausschüsse verwiesen:

  • Hochspezialisierte pharmazeutische Dienstleistungen für besondere Patientengruppen sollen definiert und adäquat vergütet werden.
  • Apotheken sollen auf Wunsch des Patienten dessen Medikationsdaten aus allen Apotheken in Deutschland zusammenführen dürfen.
  • Das Bundesgesundheitsministerium soll eine Arbeitsgruppe zur Anpassung und Neugestaltung der Approbationsordnung einsetzen.
  • Der Gesetzgeber soll Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Aufklärung der Verbraucher im Umgang mit zucker- und fetthaltigen Lebensmitteln ergreifen.
  • Digitale Anwendungen, die Arzneimittelwirkung haben oder die die Arzneitherapie unterstützen, sollen im AMG als digitale Arzneimittel definiert werden.
  • Eine Arbeitsgruppe soll Maßnahmen zur Nachwuchsförderung und -gewinnung ermitteln.
  • In der ApBetrO sollen Voraussetzungen geregelt werden, unter denen der Bestandsschutz zur Barrierefreiheit auch für den Rechtsnachfolger wirkt.

Weitere Anträge wurden übergangen, zurückgezogen oder abgelehnt (AZ 40 und DAZ 40, S. 54). |

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