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Krankenkassen verunsichern Apotheker

Unklarheiten bei der Umsatzsteuer auf den Herstellerabschlag

tmb | In der vorigen Woche standen viele Apothekeninhaber vor der Frage, wie sie auf die Forderung einzelner Krankenkassen reagieren sollten, auf die Einrede der Verjährung zur Umsatzsteuer zu verzichten. Einige Krankenkassen erhoffen sich offenbar, auf dem Klageweg Erstattungen zur Umsatzsteuer auf den Herstellerabschlag erstreiten zu können. Doch die Treuhand Hannover geht davon aus, dass die Umsatzsteuer bei der vereinbarten Verbuchung bereits berücksichtigt wird.
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In den letzten Wochen gingen in zahlreichen Apotheken Schreiben von Krankenkassen ein – um freundliche Weihnachtspost handelte es sich dabei jedoch nicht (siehe S. 76).

Die ersten Schreiben hatten die IKK gesund plus und die AOK Sachsen-Anhalt offenbar schon im November verschickt. Später kamen weitere Schreiben von der AOK Niedersachsen, der AOK Rheinland/Hamburg, der AOK Hessen und der IKK Südwest. Dabei geht es meist um die Umsatzsteuer für 2015, teilweise auch um 2014. Da Verjährung droht, setzten die Krankenkassen sehr knappe Fristen, die überwiegend in der vorigen Woche endeten.

Krankenkassen stützen sich auf Urteile

Dabei geht es um mögliche Umsatzsteuererstattungsansprüche der Krankenkassen wegen der Herstellerabschläge. Die Krankenkassen argumentieren, bei der Erstattung des Herstellerabschlags werde die Umsatzsteuer nicht berücksichtigt, weil der Herstellerabschlag steuerlich als Entgelt eines Dritten betrachtet werde, das die Umsatzsteuer nicht mindert. Einzelne Urteile haben die Hoffnung der Krankenkassen genährt, dass sich diese Sicht ändern könnte. So entschied der Europäische Gerichtshof im Dezember 2017, dass ein Pharmahersteller die steuerliche Bemessungsgrundlage seiner Lieferung an den Großhandel um den Herstellerrabatt mindern durfte, den der Hersteller einer privaten Krankenversicherung gewährt hatte. Außerdem entschied das Finanzgericht Münster im März 2018 zugunsten einer Krankenkasse, dass beim innergemeinschaftlichen Erwerb von einer ausländischen Versandapotheke der Herstellerabschlag nicht in die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage eingehen müsse. Allerdings ist dieses Urteil nicht rechtskräftig und es betrifft einen grenzübergreifenden Vorgang.

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Die Krankenkassen machen Umsatzsteuererstattungsansprüche bei den Apothekern geltend, weil sie argumentieren, dass der Herstellerabschlag steuerlich als Entgelt eines Dritten betrachtet werde, das die Umsatzsteuer nicht mindert.

Treuhand Hannover sieht keine Belastung der Krankenkassen

Die Steuerberatung Treuhand Hannover weist darauf hin, dass das Abrechnungsprozedere im Inland in der Technischen Anlage 3 zu § 300 SGB V geregelt und mit den Krankenkassen abgestimmt sei. Außerdem gehe die Forderung der Krankenkassen fehl, weil die Krankenkassen die Umsatzsteuer auf den Herstellerabschlag schon jetzt nicht tragen und damit nicht belastet würden. Dazu verweist die Treuhand Hannover auf Ausarbeitungen der Finanzverwaltung, insbesondere ein Schreiben der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom 13. August 2019. Demnach finde die Entlastung bereits auf der Herstellerebene statt. Eine weitere Minderung an anderer Stelle sei daher nicht systemkonform. Dies unterscheide sich von der Vorgehensweise bei Auslandsbeteiligung im Fall vor dem Finanzgericht Münster.

Forderungen an Apotheken

Dennoch bereiten sich einige Krankenkassen auf für sie erfolgreiche Klagen vor und wollen offenbar verhindern, dass ihre Ansprüche verjähren. Letztlich möchten die Krankenkassen Umsatzsteuerrückzahlungen von den Apotheken erhalten, die diese wiederum von den Finanzämtern erstattet bekommen sollen. Die Schreiben der Krankenkassen weisen einige Unterschiede auf und beziehen sich teilweise auf unterschiedliche Zeiträume. Die Apotheken sollen auf die Einrede der Verjährung für die Umsatzsteuer verzichten und sie sollen sich meist verpflichten, dafür zu sorgen, dass die fraglichen Umsatzsteuerbescheide änderbar bleiben. Für den Fall, dass keine Erklärung abgegeben wird, drohen einzelne Krankenkassen mit unterschiedlichem Nachdruck, die Apotheke zu verklagen, um die Verjährung zu unterbrechen.

Differenzierte Reaktionen

Die Reaktionen von Steuerberatern und Apothekerverbänden sind unterschiedlich. Es besteht Konsens, die Situation unbedingt mit dem eigenen Steuerberater individuell zu klären. Dabei sollte auf jeden Fall geprüft werden, welche Steuerbescheide noch änderbar sind. Dies kann unabhängig von der Verjährungsfrist beispiels­weise nach abgeschlossenen Steuerprüfungen individuell verschieden sein. Die Treuhand Hannover erklärte in einem Informationsschreiben vom 10. Dezember, „dass mit der Unterzeichnung der Verzichtserklärung nicht unmittelbar eine Verpflichtung begründet wird“. Doch eine Verzichtserklärung wende zunächst eine fristwahrende Klage der Kranken­kassen ab. Eine Wirkung entfalte die Erklärung nur, „wenn die Krankenkassen einen Anspruch aus der Änderung der Steuerfestsetzung geltend machen können“.

Die Apothekerverbände betonten in ihren Rundschreiben teilweise unterschiedliche Aspekte. Der Apothekerverband Nordrhein erklärte, die Apotheker könnten eine solche Verzichtserklärung abgeben, soweit der Umsatzsteuer­bescheid für 2015 noch änderbar ist, aber der Verzicht sollte nur soweit gelten, wie der Apotheke die etwaigen Umsatzsteuerüberzahlungen durch das Finanzamt erstattet werden. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe nannte mehrere Einschränkungen, die bei einer Verzichtserklärung beachtet werden sollten. Der Apothekerverband Mecklenburg-Vorpommern betonte dagegen, dass die Bescheide für 2015 „ganz überwiegend bereits bestandskräftig“ sein dürften. Der Hamburger Apothekerverein und der Apothekerverband Schleswig-Holstein erklärten, es gehöre zur Vertragslogik, sich bei gegenteiligen Auffassungen zur Abrechnungsweise an den GKV-Spitzenverband zu wenden und eine Änderung des Rahmenvertrages zu bewirken. Von betroffenen Apothekern wurde insbesondere die Kürze der Fristen kritisiert, zumal das zugrundeliegende Urteil vom März 2018 stammt. |

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