Arzneimittel und Therapie

Gichtmittel als Herzschutz

Colchicin schneidet in der Sekundärprävention nach Myokardinfarkt gut ab

In der Pathogenese der Athero­sklerose sowie bei akuten Koronar­ereignissen scheinen Entzündungen eine entscheidende Rolle zu spielen. Ergebnissen einer randomisierten Doppelblindstudie zufolge reduziert niedrig dosiertes Colchicin das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse nach einem Herzinfarkt. Wird das Gichtmittel in der Sekundärprävention bald zum neuen Standard?

Oral verabreichtes Colchicin ist ein hochwirksamer antientzündlicher Arzneistoff, der bei Gicht und Perikarditis indiziert ist. Das Alkaloid, das ursprünglich aus der Herbstzeitlose isoliert wurde und bereits seit Jahrhunderten therapeutisch verwendet wird, inhibiert die Tubulin-Polymerisation und damit die Ausbildung des Spindelapparates während der Mitose. Darüber hinaus hemmt es wahrscheinlich auch zelluläre Adhäsionsmoleküle, entzündliche Chemokine und zytosolische Multiproteinkomplexe des angeborenen Immunsystems (Inflammasome).

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Das ursprünglich aus der Herbstzeitlose isolierte Colchicin besitzt antiinflammatorische Eigenschaften.

Geringeres Risiko für ischämische kardiovaskuläre Ereignisse

In die randomisierte Doppelblindstudie COLCOT (Colchicin Cardiovascular Outcomes Trial) wurden in zwölf Ländern insgesamt 4745 Patienten aufgenommen. Die Teilnehmer waren im Schnitt 61 Jahre alt und hatten maximal 30 Tage vor Studieneinschluss einen Herzinfarkt erlitten. Die meisten von ihnen wurden nach dem Myokardinfarkt leitliniengerecht behandelt: 93% hatten sich einer perkutanen Koro­narintervention (PCI) unterzogen, 98,8% erhielten Acetylsalicylsäure (ASS) und 97,9% einen anderen Thrombozytenaggregationshemmer. 99% wurden mit Statinen behandelt. Für COLCOT wurden 2366 Studien­teilnehmer in eine Colchicin-Gruppe (Dosierung 0,5 mg einmal täglich) und 2379 in eine Placebo-Gruppe randomisiert. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 22,6 Monate. Primärer Studienendpunkt war eine Kombination aus Tod durch kardiovaskuläre Ereignisse, Wiederbelebung nach Herzstillstand, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Einweisung in die Notaufnahme aufgrund einer Angina pectoris mit koronarer Revaskularisierung. Dieser trat in der Colchicin-Gruppe bei 5,5% der Patienten ein und in der Placebo-Gruppe bei 7,1%. Damit war das Risiko, eines der genannten Ereignisse zu erleiden, unter Colchicin signifikant niedriger als unter Placebo (Hazard Ratio 0,77; 95%-Konfidenzintervall 0,61 bis 0,96). Dieses Ergebnis war hauptsächlich durch ein niedrigeres Risiko für Angina pectoris und Schlaganfall bedingt. Ein sig­nifikanter Effekt auf tödliche kardiovaskuläre Ereignisse oder das Auf­treten eines Herzinfarkts wurde nicht beobachtet.

Die am häufigsten berichteten unerwünschten Ereignisse waren gastrointestinaler Natur. Die für das Gichtmittel bekannte Nebenwirkung „Übelkeit“ trat unter Colchicin häufiger auf als unter Placebo (1,8% vs. 1,0%). Auch bei den schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen zeigten sich teils deutliche Unterschiede: Infektionen traten in der Colchicin-Gruppe bei 2,2% der Patienten gegenüber 1,6% in der Placebo-Gruppe auf, Pneumonien bei 0,9% vs. 0,4%.

... aber noch keine Empfehlung für routinemäßigen Einsatz

In einem begleitenden Editorial vermutet L. Kristen Newby vom Duke University Medical Center, USA, dass der relativ hohe Prozentsatz an Therapie­abbrechern (19% in beiden Gruppen) zusammen mit den 2,5% Patienten mit unbekanntem Endpunktstatus möglicherweise den tatsächlichen kardiovaskulären Behandlungseffekt wie auch das wahre Nebenwirkungsprofil verschleiern könnte. Aufgrund der vorliegenden Daten kann derzeit eine routinemäßige Verwen­dung von Colchicin in der Sekun­därprävention nach einem Herzinfarkt daher nicht empfohlen werden, so Newby. |

Literatur

Tardif JC et al. Efficacy and safety of low-dose colchicine after myocardial infarction. N Engl J Med 2019; doi:10.1056/NEJMoa1912388

Newby LK. Inflammation as a target after acute myocardial infarction. N Engl J Med 2019; doi:10.1056/NEJMoe1914378

Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

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