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Gehe und Alliance Healthcare fusionieren – wer profitiert?

Geplanter Zusammenschluss sorgt für Spekulationen

BERLIN (bro) | Zwei der größten pharmazeutischen Großhändler Deutschlands wollen ihr Geschäft zusammenlegen: Gehe und Alliance Healthcare, hinter denen die US-amerikanischen Mutterkonzerne McKesson und Walgreens Boots Alliance (WBA) stehen. Bei dem anstehenden Mega-Deal fällt aber auf: Obwohl die Gehe hierzulande mehr Apotheken beliefert, soll sie eine kleinere Rolle im Joint Venture einnehmen als die Alliance. Was steckt dahinter?

Als Grund für die vergangene Woche bekannt gewordene Fusion in Deutschland haben beide Konzerne in erster Linie den Kostendruck genannt (siehe auch AZ Nr. 51, 2019, S. 4). Die Bereiche in denen eingespart werden könnte, stehen dem Vernehmen nach ebenfalls schon fest: Unter anderem geht es um die Anzahl der Großhandels­zentren und die Anzahl der zu den Apotheken gefahrenen Touren. Der geplante Zusammenschluss dürfte für Umwälzungen in der Branche sorgen.

30 Prozent für Gehe, 70 Prozent für Alliance Healthcare

Wie groß der Marktanteil der beiden künftig verbundenen Anbieter genau ist, ist unklar – darüber wird zumindest in der Öffentlichkeit nicht gesprochen. Hört man sich in der Branche um, wird aber davon ausgegangen, dass die Gehe derzeit etwa 15 Prozent des Marktes kontrolliert und Alliance Healthcare bei etwa 11 bis 12 Prozent liegt. Beide zusammen kämen also auf einen Marktanteil, der in etwa dem des Branchenhäuptlings Phoenix entspricht. Mit Blick auf diese Zahlen fällt bei der Konstruktion des möglichen Joint Ventures, das noch von den Behörden freigegeben werden muss, aber eine Ungereimtheit auf: Die Gehe soll an dem Zusammenschluss einen Anteil von 30 Prozent einnehmen, der Pharmahandelskonzern WBA erhält 70 Prozent. Beide Unternehmen sollen im Aufsichtsrat des Joint Ventures proportional vertreten sein.

Automatisch stellt sich also die Frage: Warum haben sich McKesson und die Gehe auf einen solchen Deal eingelassen? Bei McKesson wollte man sich zu dieser Frage offiziell nicht äußern. Aus Unternehmenskreisen heißt es aber, dass „die Aufteilung das Ergebnis intensiver Verhandlungen zwischen WBA und McKesson“ sei. Auch aus der gemeinsamen Mitteilung wird man nicht schlau – dort hieß es lediglich, dass zu den finanziellen Details Stillschweigen vereinbart worden sei.

Grund für neue Spekulationen gibt nun aber ein Artikel des Nachrichtendienstes „Reuters“. Dort heißt es: „An dem Joint Venture sollen aber Walgreens 70 und McKesson 30 Prozent halten. Wie Reuters aus Verhandlungskreisen erfuhr, erhält McKesson dafür eine ‚angemessene Entschädigung‘.“

Einmalzahlung für die Gehe oder Apotheken-Deal?

Für diese Einmalzahlung von WBA an McKesson würde sprechen, dass die Gehe gegenüber den Apothekern derzeit Investitionen ankündigt. In einem Schreiben an Apotheker erklären die Gehe-Chefs Dr. Peter Schreiner und Andreas Thiede: „Der Zusammenschluss wird uns in die Lage versetzen, verstärkt in innovative Produkte und Dienstleistungen investieren zu können und für Sie unsere Servicequalität zu sichern. Wir werden darauf achten, dass das Beste beider Unternehmen vereint wird und Sie von dem Zusammenschluss bestmöglich profitieren.“

Eine andere Theorie wird derzeit (auch) im Ausland diskutiert. Sowohl WBA als auch McKesson betreiben in mehreren europäischen Ländern Apothekenketten. In einigen EU-Ländern ist derzeit Bewegung im Apothekengeschäft: Italien wurde kürzlich liberalisiert, die ersten Ketten machen sich in den Zentren der Großstädte breit. In Großbritannien leiden die Apotheken unter einer Sparwelle am nationalen Gesundheitsdienst NHS – mehrere Ketten haben Schließungen angekündigt.

Denkbar wäre, dass WBA hierzulande bei dem möglichen Deal bevorzugt wird, McKesson dafür in einem anderen Land möglicherweise einen Teil des Apothekengeschäftes von WBA übernimmt. Konkrete Hinweise dafür gibt es derzeit aber nicht.

Genossenschaften als Gegenpol

Indessen warnen die Großhandels­genossenschaften Noweda und Sanacorp vor einem zu hohen Einfluss kapitalistischer Anteilseigner. Sanacorp betonte in einer Mitteilung, dass das genossenschaftliche Lager hierzu „der wichtige und ausbalancierende Gegenpol“ sei und der Zusammenhalt durch die Ankündigung sicherlich weiter gestärkt werde.

Für die Sanacorp ist die Lage nicht einfach: Denn sie sitzt gemeinsam mit der Gehe im Pro AvO-Bündnis, zu dem auch noch der Wort & Bild-Verlag, Rowa und Noventi gehören. Es ist schwer vorstellbar, dass sich die US-Großkonzerne McKesson und Walgreens Boots Alliance, die in mehreren Ländern Apothekenketten betreiben, gemeinsam an diesem Bündnis zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken beteiligen werden. Insofern wird sich die Frage stellen, wie es mit Pro AvO weitergeht. |

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