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„Selbstmord durch Pille ...

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

... das ist falsch!“ Das behaupten zumindest drei gynäkologische Fachgesellschaften. Doch um was geht es?

In der vergangenen Woche, am 21. Januar, haben die Zulassungsinhaber hormoneller Kontrazeptiva zusammen mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte einen Rote-Hand-Brief mit folgendem Inhalt veröffentlicht: „Depressive Verstimmung und Depression stellen bei der Anwendung hormoneller Kontrazep­tiva allgemein bekannte Nebenwirkungen dar. Depressionen können schwerwiegend sein und sind ein allgemein bekannter Risikofaktor für suizidales Verhalten und Suizid. Auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) wird ein neuer Warnhinweis hierzu in die Fach- und Gebrauchsinformation hormoneller Kontrazeptiva aufgenommen. Frauen sollte ge­raten werden, sich im Falle von Stimmungsschwankungen und depressiven Symptomen – auch wenn diese kurz nach Einleitung der Behandlung auftreten – mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin in Verbindung zu setzen.“

Wenige Tage später erreichte uns als Reaktion eine gemeinsame Pressemitteilung des Berufsverbandes der Frauenärzte, der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie des German Board and College of Obstetrics and Gynecology mit dem Titel: „Selbstmord durch Pille – das ist falsch!“ Die Präsidenten der drei Berufsverbände sind sich einig: die dänischen Kohortenstudien aus den Jahren 2016 und 2017, auf deren Basis die EMA ihre Empfehlungen ausgesprochen hat, seien wegen erheblicher methodischer Fehler einfach wertlos.

Zwar bestreiten auch die drei Berufs­verbände nicht, dass unter hormonellen Kontrazeptiva depressive Verstimmungen auftreten können, doch sie sehen in den Ergebnissen der Kohortenstudien nur eine zeitliche Koinzidenz von häufiger auftretenden Selbstmordversuchen und Suiziden und keinen ursächlichen Zusammenhang.

Nun ist auch den EMA-Experten bekannt, dass mit Kohortenstudien keine Kausalitäten nachgewiesen werden können. Doch sie haben ein Signal gesehen, das sie auf seine Plausibilität hin überprüfen mussten. Dazu dienten neben der Sichtung der Literatur das bekannte Nebenwirkungsspektrum der eingesetzten Hormone und das Wissen um den Einfluss von Östrogenen und Gestagenen auf die Psyche. Ein ursächlicher Zusammenhang erschien nach dieser Prüfung zumindest möglich. Folgerichtig wurde ein Warnhinweis ausgesprochen, der sich nun in den Beipackzetteln und Fachinformationen, klug formuliert, wiederfindet. Die Anwenderinnen hormoneller Kontrazeptiva werden dazu aufgefordert, bei Auftreten von Stimmungsschwankungen und depressiven Verstimmungen ärztlichen Rat einzuholen.

Das empfehlen auch die Vertreter der drei Berufsverbände. Sie raten dazu, mit dem Frauenarzt oder der Frauenärztin nach einer anderen sicheren Verhütung zu suchen. Was an dieser Stelle fehlt, ist der wichtige Hinweis, die depressiven Verstimmungen unbedingt bei den darauf spezialisierten Kollegen abklären zu lassen.

Denn egal, ob nun „die Pille“ ursächlich verantwortlich ist, eine bestehende Symptomatik verstärkt hat oder einfach nur ein zeitlicher Zusammenhang besteht: die betroffenen Frauen benötigen unter Umständen dringend professionelle Hilfe. Für uns in den Apotheken bedeutet das, dass wir sehr genau nachfragen müssen, wenn Frauen wegen depressiver Verstimmungen bei uns Rat suchen (s. S. 32). Wenden sie hormonelle Kontrazeptiva an, müssen sie darüber aufgeklärt werden, dass hier ein Zusammenhang bestehen könnte und die Symptomatik ärztlich abgeklärt werden muss. Ein schlichter Auslassversuch wird dann im Einzelfall ganz schnell die Frage beantworten, ob nun das Kontrazeptivum verantwortlich war oder nicht und hoffentlich verhindern, dass die Frage nach dem „Selbstmord durch die Pille“ überhaupt gestellt werden muss.

Doris Uhl

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