Arzneimittel und Therapie

Neue Option bei Reisediarrhö

Multi-Matrix-Galenik bringt Rifamycin gezielt an den Wirkort

cst | Fast jeder hat es schon einmal erlebt: Der Darm spielt im Urlaub verrückt. Statt am Strand sitzt man auf dem Klo. Wer für den Notfall ein Antibiotikum in die Reiseapotheke packen möchte, kann sich zur Behand­lung von mittelschweren oder schweren Symptomen eine neue Rifamycin-Formulierung verordnen lassen: Relafalk® steht seit Kurzem zur Verfügung.

Bei einer leichten Reisediarrhö stoppt Loperamid zuverlässig den Durchfall. Doch bei stärkeren Beschwerden ist unter Umständen der Einsatz eines Antibiotikums angebracht. Seit dem 1. Dezember 2019 gibt es mit Relafalk® eine neue Therapieoption für Erwach­sene ab 18 Jahren. Das Inte­ressante daran: Das enthaltene Rifa­mycin SV wirkt gezielt am Ort der Erkran­kung im Dickdarm. Der ver­zögerte Freisetzungsmechanismus beruht auf einer Multi-Matrix(MMX)-Galenik. Die Technologie wird auch bei Arzneimitteln zur Behandlung der Colitis ulcerosa eingesetzt (z. B. Cortiment®MMX® Retardtabletten, Wirkstoff: Budesonid; Mezavant®, Wirkstoff: Mesalazin).

Freisetzung im Dickdarm

Dabei ist der Wirkstoff in eine lipophile Matrix eingebettet, die von einer hydrophilen Struktur umgeben ist. Die Tablet­ten sind magensaftresistent überzogen. Der Überzug löst sich auf, wenn ein pH-Wert von 7 überschritten wird – also im terminalen Ileum und Kolon. Dort quillt die hydrophile ­Polymer-Matrix nach Kontakt mit der Intes­tinalflüssigkeit, der Wirkstoff ­diffundiert langsam aus seiner lipophilen Umgebung durch das viskose, hydro­phile Gel. Die Wirkung des Antibiotikums ist auf den Dickdarm beschränkt: Aufgrund der geringen Bioverfügbarkeit von Rifa­mycin SV (< 1%) sind keine systemischen Wirkungen zu erwarten. Dennoch kann es zu einer Rotfärbung des Urins kommen, worüber die Patienten informiert ­werden sollten.

Foto: Dr. Falk Pharma

Die magensaftresistenten Matrixtabletten müssen un­zerkaut eingenommen werden. Die empfohlene Dosierung beträgt zwei Tabletten morgens und abends über drei Tage.

Wirksamkeit und Verträglichkeit wurden in zwei klinischen Studien untersucht. Bei 264 Erwachsenen mit Reisediarrhö in Mexiko und Guatemala konnte die Dauer des Durchfalls durch die zweimal tägliche Einnahme von zweimal 200 mg Rifamycin-MMX über drei Tage um rund einen Tag verkürzt werden. Während 65 Probanden nach Beginn einer Placebo-Behandlung im Median noch 68 Stunden an ungeformten Stuhlgängen litten, betrug die Dauer bei 199 Teilnehmern unter der Rifamycin-Therapie im Schnitt 46 Stunden. Zudem war die Heilungsrate bei Behandlung mit dem Antibiotikum höher als unter Placebo (81,4% vs. 56,9%). In einer weiteren Studie erwies sich die Rifamycin-MMX-Formulierung im Vergleich zu dem Fluorchinolon Ciprofloxacin bei 835 Reisenden in Indien, Guatemala und Ecuador als nicht unterlegen.

Zu beachten ist, dass Relafalk® bei Patien­ten mit klinischen Zeichen einer invasiven Enteritis wie Fieber oder Blut im Stuhl nicht eingesetzt werden darf. In diesem Fall sollte ein Arzt aufgesucht werden. Kommt es unter der Therapie zu einer Verschlechterung der Symptome, sollte die Behandlung abgebrochen werden. Dies gilt auch für den Fall, dass sich die Beschwerden nach drei Tagen nicht deutlich gebessert haben.

Aufklärung vor Selbsttherapie

Selbstverständlich sollte ein Antibiotikum nie leichtfertig eingenommen werden. So wird in der Fachinformation auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die offiziellen Richtlinien zur sachgemäßen Anwendung antibakterieller Wirkstoffe zu beachten sind. In der aktuell gültigen S2k-Leitlinie zu gastrointestinalen Infektionen – die sich derzeit in Überarbeitung befindet – wird betont, dass vor der Reise eine ausführliche Aufklärung zur Selbsttherapie erfolgen sollte. So ist eine Reisediarrhö meist leicht und selbstlimitierend, ein Antibiotikum dann nicht erforderlich. Den Patienten sollte in erster Linie eine orale Rehydratation empfohlen werden. |

Literatur

Presseinformation von Dr. Falk Pharma. Relafalk®: Target-to-Organ-Therapie – Rifamycin SV-MMX® wirkt gezielt im Dickdarm bei Reisediarrhoe

Fachinformation Cortiment®MMX® Retard­tabletten. Stand Februar 2018

Nardelli S et al. MMX® Technology and Its ­Applications in Gastrointestinal Diseases. Therap Adv Gastroenterol 2017;10(7):545-552

DuPont HL et al. Targeting of Rifamycin SV to the Colon for Treatment of Travelers‘ ­Diarrhea: A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Phase 3 Study. J Travel Med 2014;21(6):369-76

Steffen R et al. Rifamycin SV-MMX® for treatment of travellers’ diarrhea: equally effective as ciprofloxacin and not associated with the acquisition of multi-drug resistant bacteria. J Travel Med 2018;25(1)

Fachinformation Relafalk®. Stand Mai 2019

S2k-Leitlinie Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple. AWMF-Registernr. 021 - 024. Stand: 31. Januar 2015 (in Über­arbeitung), gültig bis 30. Januar 2020. www.awmf.org

Das könnte Sie auch interessieren

Empfehlungen und Grenzen der Selbstmedikation bei Antibiotika-assoziierter Diarrhö

Aufruhr im Darm

Unverändert ausgeschiedene Arzneiformen können Patienten irritieren

Ein Geist in der Toilette

Richtig beraten bei Arzneimittel-induzierter Diarrhö

Nebenwirkung Durchfall

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.