Feuilleton

Happy Birthday, PSE!

Das Periodensystem der Elemente – eine pharmazeutische Würdigung des Jubilars

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Von Gerd Bendas | Viele Pharmazeuten assoziieren das ­Periodensystem der Elemente (PSE) mit dem Beginn ­ihres Studiums und damit dem Start einer, vielleicht nicht immer geliebten, chemischen Ausbildung. Geliebt oder nicht geliebt – mit dem ersten Einblick in die pharmazeutischen Aspekte der anorganischen Chemie sollten sich die vielfältigen systematischen Zusammenhänge der chemischen Elemente und deren Reaktivität im PSE erschließen, und das PSE nicht mehr als eine willkürliche Aneinanderreihung bunter Symbolbausteine erscheinen. Aber insbesondere aus dem pharmazeutischen Blickwinkel eröffnet das PSE einen faszinierenden Überblick über die Elemente des Lebens und die ­Bedeutung von Arzneistoffen, die eben nicht nur aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehen ­müssen. Mit diesem Beitrag soll das PSE in seinem Jubiläumsjahr nun auch aus pharmazeutischer Sicht eine Würdigung erfahren.

Das Jahr 2019 wurde durch die UNESCO und die Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Jahr des Periodensystems der Elemente anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der ‚Erst‘beschreibung dieser Sequenz der chemischen Elemente ausgerufen. Der zeitliche Bezug richtet sich auf eine im Jahr 1869 erfolgte Präsentation des russischen Chemikers Dmitri Iwanowitsch Mendelejew (1834 – 1907), in der er seine Erkenntnisse zur Elementordnung einem wissenschaftlichen Gremium preisgab. Mendelejew stellte ein Ordnungssystem vor, im dem die bis dato bekannten 63 chemischen Elemente nach steigendem Atomgewicht gelistet werden und daraus resultierend Elemente mit analogen Eigenschaften periodisch in Gruppen oder Spalten angeordnet sind.

Dieses Jubiläum heißt aber nicht, dass vor dem Jahr 1869 nicht auch vielfältige Aktivitäten anderer Wissenschaftler zu einer systematischen Ordnung der zunehmenden Anzahl bekannter chemischer Elemente angestellt wurden. Richtigerweise müssten neben Mendelejew auch die Namen Gmelin, Béguyer de Chancourtois, Newlands, Odling, Hinrichs und Meyer aufgelistet werden, die insbesondere in den 1860er-Jahren Beiträge zum Verständnis dieser Zu­sammenhänge oder, wie im Fall des deutschen Chemikers Julius Lothar Meyer (1830 – 1895) sogar völlig parallele Bestrebungen der Systematik der Elemente betrieben. Meyer veröffentlichte beispielsweise bereits 1864 eine, mit 28 Elementen zwar vom Umfang her kleinere, dafür aber sehr exakte Liste von Elementen, die er ebenfalls nach ihrem Atomgewicht anordnete.

Aber wie kam es überhaupt zu dieser gehäuften Aktivität auf chemischem Gebiet in dieser Zeit, und wie lässt sich dies wissenschaftlich einordnen? Mit der Überwindung der Alchimie und der Entstehung einer wissenschaftlichen Chemie im 18. Jahrhundert (z. B. Atomtheorie von Dalton) entstand ein erstes Verständnis für chemische Elemente. Gleichzeitig wuchs das Bestreben, die Elemente in ihren Zusammenhängen zu verstehen und zu klassifizieren. Zu den in Reinform vorkommenden und teilweise schon seit dem Altertum bekannten Elementen (Eisen, Kupfer, Silber, Gold, Blei, Arsen u. a.) kamen dann auch Elemente hinzu, die auch oder nur in Verbindungen existieren (Magnesium, Chlor, Wasserstoff, Sauerstoff, Natrium, Kalium, Barium, Iod u.v.m.). Die in der Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommenden ersten spektroskopischen Techniken forcierten diese Tendenz weiterhin. Ein Meilenstein der Verständigung und eine entscheidende Grundlage für die Elementklassifizierung war der Karlsruher Kongress 1860, auf dem sich die damals prominentesten Chemiker Europas auf eine einheitliche Auflistung der Atomgewichte einigten. Interessanterweise gehörten sowohl Mendelejew als auch Meyer zu dem ausgewählten Kreis der Kongressteilnehmer. Warum nun aber Herr Mendelejew die Lorbeeren des Ruhmes als Erfinder des PSE vordergründig und nicht auf einer Stufe gemeinsam mit Herrn Meyer erhielt, ist eigentlich bis heute nicht so richtig geklärt. Wahrscheinlich hat Herr Mendelejew mit seiner umfangreicheren Liste und seiner in den Folgejahren oftmals praktizierten Voraussage neuer Elemente zum Auffüllen von Lücken in seinem System einfach mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Aus heutiger Sicht der publikationsgetriebenen Wissenschaft mag man das jahrelange parallele und weniger gewürdigte Bestreben von Julius Lothar Meyer mit einem Hauch von Wissenschaftstragik verbinden. Aber zumindest erhielten beide Chemiker 1882 gemeinsam die Davy-Medaille, die höchste Auszeichnung der British Chemical Society für ihre bahnbrechenden Erkenntnisse.

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Ein Hauch Wissenschaftstragik: Bei der Frage, wer die Lorbeeren des Ruhmes für die Erfindung des PSE erhält, hatte der deutsche Chemiker Julius Lothar Meyer (links, 1830 – 1895) im Gegensatz zu seinem russischen Kollegen Dmitri Iwanowitsch Mendelejew (1834 – 1907) das Nachsehen.

Auch mit dem Auffüllen der von Mendelejew vorausgesagten Lücken durch noch aufzufindende Elemente verbindet sich so manche interessante Historie. Als bspw. der Chemiker Clemens Winkler im Jahr 1886 an der Bergakademie in Freiberg ein neues Element der Ordnungszahl 32 identifizierte (und damit eine von Mendelejew postulierte Lücke unter Silicium in der 4. Hauptgruppe schloss), wurde dieses letztlich nicht ohne Nationalstolz dieser Zeit „Germanium“ genannt. Dass sich dieses Element damit direkt neben dem 1875 von dem französischen Chemiker Lecoq de Boisbaudran entdeckten Gallium (Ordnungszahl 31) einreihte, hatte sicher zu dieser Zeit, in der sich beide Länder als Erzfeinde betrachteten, eine besondere Brisanz. Letztlich steht diese Episode aber auch für die Unbestechlichkeit gegenüber menschgemachten Betrachtungen und für die Langfristigkeit der chemischen Elemente im PSE.

Ein weiterer Meilenstein der Elementaufklärung war die Beschreibung des Phänomens der Radioaktivität. Mit ihren Pio­nierarbeiten zur Aufklärung der Radioaktivität trug das Ehepaar Pierre und Marie Curie auch entscheidend zum Auffinden neuer Elemente bei. So widmete Marie Curie das von ihnen entdeckte Element der Ordnungszahl 83 ihrer polnischen Heimat und verlieh ihm den Namen Polonium.

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Pierre Curie und Marie Skłodowska-Curie widmeten das von ihnen entdeckte Element der Ordnungszahl 83 ihrer polnischen Heimat.

Das Periodensystem von Mendelejew und Meyer wurde in seinen Ursprüngen nicht nur in der Form der Gestaltung in den Folgejahren vielfältig verändert und diskutiert. Seine letztliche und noch heute gültige Ausprägung erhielt es im Jahr 1913, indem man die Elemente nicht mehr nach ihren Gewichten, sondern nach der Protonen- bzw. Kernladungszahl anordnete, auch wenn erst in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts die Neutronen als Kernbausteine in ihrer Existenz und damit ihrem entscheidenden Beitrag zur Atommasse bzw. den unterschiedlichen Isotopen der einzelnen chemischen Elemente entdeckt wurden. Mit dem Verständnis dieser Anordnung resultierte dann auch insbesondere durch die vielfältigen quantenphysikalischen Erkenntnisse zum Atomaufbau (Bohr, Schrödinger u. a.) in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das wahre Verständnis zur Periodizität der Elemente und gewährleistete somit den Namen „Periodensystem“ vollumfänglich.

Seit der Beschreibung von Mendelejew sind bis heute 49 Elemente dem PSE zugeordnet worden, das Rennen zur „Entdeckung bzw. Beschreibung“ neuer ultraschwerer und instabiler Elemente (Lebenszeit im Millisekundenbereich) hält ungehindert an. Erst im Jahre 2017 wurden die Elemente der Ordnungszahlen 113, 115, 117 und 118 seitens der IUPAC offiziell anerkannt und in das PSE inseriert. Hierbei hielt man sich an klar vorgegebene Regeln der Namensgebung, beispielsweise wurde das Element 118 (Oganesson) dem lebenden russischen Chemiker und Kernphysiker Juri Oganessian namentlich gewidmet.

Aber halten wir fest, trotz unterschiedlicher Darstellungsweisen des PSE sind seit den Ursprüngen von 1913 einige Fakten unverrückbar, die auch heute noch für die pharmazeutische Ausbildung wie auch für alle chemischen Bezüge gleichbedeutend sind; die periodische Anordnung der Elemente in 8 Hauptgruppen und 8 Nebengruppen in römischer Zahlenmarkierung, die eigentlich nach neuer IUPAC-Nomenklatur in eine fortlaufende arabische Nummerierung von 18 Gruppen münden sollte. Elemente einer gleichen Gruppe weisen durch die zahlenmäßig analoge Besetzung der Atomorbitale mit Valenzelektronen oftmals auch eine vergleichbare Reaktivität auf, während die Elemente einer Periode bei horizontaler Betrachtung durch die zunehmende Elektronenanzahl im Valenzorbital andere ‚periodische‘ Zusammenhänge wie z. B. eine zunehmende Elektronegativität manifestieren.

Ob Hauptgruppen oder Nebengruppen: Die Elemente im PSE lassen sich auch mal ganz unkonventionell gruppieren.

Der pharmazeutische Blick auf das PSE

Betrachtet man das aktuelle Spektrum der Arzneistoffe, so offenbart sich die bekannte Tatsache, dass diese dominant aus organisch chemischen Molekülen bestehen, die in den letzten Jahren verstärkt durch rekombinante Proteinarzneistoffe ergänzt werden. Mit dem Fokus auf chemische Elemente bedeutet dies, dass eigentlich nur Kohlenstoff und Wasserstoff, ergänzt durch Sauerstoff und Stickstoff und einem eingeschränkten Anteil an Schwefel, unseren Arzneischatz ausmachen. Zieht man noch Chlor und Fluor hinzu, die häufiger als Substituenten in organischen Molekülen für eine Polarisierung von Elektronenverteilungen eingesetzt werden, bleiben es trotzdem nur sehr wenige Elemente mit einer offensichtlichen pharmazeutischen Relevanz. Aus einer strengen Sicht für den Arzneistoffsektor mag dies wohl richtig sein, aber nicht aus der Betrachtungsweise der biochemischen Lebensprozesse und der daraus resultierenden pharmazeutischen Überlegungen.

Mit einem Blick in das Periodensystem eröffnen sich vielfältige Elemente, ohne die der menschliche Organismus nicht funktionieren könnte, die daher für eine pharmazeutische Einflussnahme oftmals ebenfalls essenziell sind und trotzdem in unserer Wahrnehmung nicht als richtige ‚Arzneistoffe‘ reflektiert werden. Und gerade der Blick in das PSE verrät viele Hintergründe über die Wirkung dieser Elemente, z. B. ihre Tendenz, als Kationen oder Anionen bestimmter Wertigkeit im Körper vorzuliegen, ihre strukturgebende Wirkung auf Proteine, als Spurenelemente in Enzymen, ihre strukturstörende oder denaturierende Wirkung auf biologische Strukturen und damit Wirkung als Wunddesinfizienz oder eben als toxische Agenzien. Ohne Kenntnisse zum PSE würden diese Elemente in ihren Wirkungen für uns unverständlich und zusammenhanglos bleiben. Dieser spezielle pharmazeutische Blick soll im Folgenden für ausgewählte Elemente auf das PSE gerichtet werden.

Die Elektrolyt-Elemente und die pharmazeutische Beeinflussung

Auf der „Metallseite“ des PSE stehen die „Elektrolyte“ eng beisammen, was auch ihrem engen Zusammenwirken im Körper anschaulich Rechnung trägt. Die Elemente Natrium und Kalium stellen in ihren ionischen Formen als einwer­tige Kationen in ihren unterschiedlichen Verteilungen innerhalb des extra- und intrazellulären Flüssigkeitskompartiments eine entscheidende Grundlage unseres Lebens dar. Während Natrium im Extrazellularraum mit einer Konzentration von 135 – 145 mmol/l den Elektrolythaushalt dominiert (Kalium nur 3,6 – 5,2 mmol/l), wird der osmotische Druck durch hohe Konzentrationen an Kalium im Zellinneren (140 – 160 mmol/l; vs. Natrium 10 – 15 mmol/l) aufrechterhalten. Dieser aktiv durch energieverbrauchende Transporter aufrechterhaltene Gradient von Na und K stellt die Grundlage jeglicher Erregungsleitung und Aktions­potenziale in Nerven- und Muskelzellen dar, jede Abweichung von diesem Gradienten führt zu Einschränkungen, Funktionsverlust oder sogar Tod. Eine Deregulierung des Kalium-Haushaltes äußert sich gravierend in der Herzmuskeltätigkeit, daher kann indirekt (Beeinflussung der Transporter Na/K-ATPase durch bspw. herzwirksame Glykoside) oder direkt durch die Gabe von Kalium Einfluss auf die Herzmuskeltätigkeit genommen werden.

Obwohl Calcium im Körper zu 99% dominierend als Feststoff gemeinsam mit Phosphat in Knochen und Zähnen („Apatit“) vorliegt, bildet ionisches Calcium mit Magnesium eine vergleichbare Funktionseinheit mit Relevanz für zelluläre Aktionspotenziale. Beide ergänzen sich als zweiwertige Kationen durch ihre unterschiedliche Dominanz im Intrazellularraum (Magnesium 15 mmol/l vs. Calcium 0,0001 mmol/l) und Extrazellularbereich (Calcium 2,2 – 2,6 mmol/l vs. Magnesium 0,7 – 1,0 mmol/l) in ihrem Beitrag zur Zellpolarisierung, die auch einen wichtigen Ansatzpunkt für die Pharmakotherapie darstellt (Calciumkanal-Antagonisten). Daher ist auch die kombinierte Gabe von Magnesium und Kalium für eine Stabilisierung der Herzmuskeltätigkeit als Antiarrhythmikum oder zur Behandlung von Extrasystolie zu erklären. Calcium besitzt in seiner kationischen Form aber auch vielfältige andere Funktionen im Körper, u. a. sei an die Klassifizierung als Blutgerinnungsfaktor, an die Wirkung des Calciums zur Aktivierung von bestimmten Enzymen oder Hormonen erinnert.

Die Sonderstellung des Lithiums

Seit mehreren Jahrzehnten wird Lithium in Form seiner Sal ze als Psychopharmakon mit antimanischer Wirkung, insbesondere zur Vorbeugung und Behandlung manischer Episoden des bipolaren Formenkreises, aber auch zur Therapie der Depression oder des Clusterkopfschmerzes eingesetzt. Die Erklärung des molekularen Wirkmechanismus unterlag verschiedenen Modifikationen im Laufe der vergangenen Jahre, die bis dato nur ansatzweise verstandene Wirkung basiert auf einer komplexen Beeinflussung der Neurotransmission im ZNS. Inwieweit sich somit diese Wirkungen mit der ionischen Form, und so auch der Stellung im PSE erklären lassen, bleibt offen, aber Lithiumsalze erfüllen ohne jeden Zweifel die Rolle von in ihrer Funktionalität eigenständigen und einmaligen Arzneistoffen.

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Charakteristisch: Lithium und seine Salze färben die Bunsenbrennerflamme rot (671 nm).

Das Organ-spezifische Iod

In seiner Fähigkeit, spezifisch für die Funktionalität eines (endokrinen) Organs, der Schilddrüse, essenziell verantwortlich beizutragen, nimmt das Iod im Kreis der chemischen Elemente eine Sonderstellung ein. Ohne Iod keine Schilddrüsenhormone Triiodthyronin und Tyroxin, die massiv vielfältige Prozesse des Zell- und Energiestoffwechsels im gesamten Organismus beeinflussen. Dementsprechend ist die Deregulierung des Iod-Haushaltes, insbesondere in Iodmangel-Gebieten, mit schwerwiegenden Problemen assoziiert. Da auch in Deutschland die altersmäßig abhängige empfohlene Iodaufnahme von 40 – 200 µg/Tag nicht erreicht wird, ist die prophylaktische sowie therapeutische Gabe von Iodiden nahezu alltäglich.

Die Spurenelemente für die Enzymfunktionen

Warum können bestimmte Elemente mit Proteinen Bindungen eingehen und damit einen Einfluss auf die Konforma­tion und Funktionalität von beispielsweise Enzymen ausüben? Eine Antwort findet sich in ihrer Funktion als sog. Lewis-Säuren, d. h. ihrer Fähigkeit, Strukturen mit freien Elektronenpaaren, wie man sie in Proteinen und deren funktionellen Gruppen findet, binden zu können. Dazu sind insbesondere die Nebengruppenelemente durch ihre „d-Valenz“ der Elektronenkonfiguration befähigt. Da die absolute Menge solcher Elemente im Körper dafür nicht sehr hoch ist, ihr Einfluss auf die Enzymsysteme hingegen schon, finden wir eine Reihe von essenziellen Spurenelementen, die in­teressanterweise auch in enger räumlicher Nachbarschaft im PSE stehen.

Während Nickel als Bestandteil von Coenzymen wohl nicht essenziell ist und durch andere zweiwertige Kationen ersetzt werden kann, stellen die anderen Elemente Mangan, Molybdän, Eisen, Cobalt, Kupfer und Zink wirkliche essenzielle Bestandteile von Enzymen und damit vielfältiger Stoffwechselprozesse dar. Die prominenteste Rolle kommt hierbei wohl dem Eisen zu, das in vielfältiger Weise, und nicht nur als Bestandteil des Hämoglobins, in den Sauerstoff- und Energiestoffwechsel eingreift. Die funktionelle Bedeutung des Eisens im Enzymkomplex Cytochrom P450 wird bei nahezu jeder Metabolisierungsreaktion von Arzneistoffen eindrucksvoll vor Augen geführt. Aber auch Kupfer, Mangan, Zink und Cobalt („Cobalamine“) sind in verschiedenen Enzymen struktur- und funktionsgebend. Die therapeutische Supplementierung mit Eisen (Eisenmangel-Anämie) ist so alt wie die Erkenntnisse zum Aufbau und zur Funktion des Blutes. Aber auch Zink wird oftmals als Mineralpräparat zur Therapie verwendet, hat man doch neben seiner Wirkung auf Enzyme (RNA-Polymerasen, Carboanhydrase u. a.) auch die Einflüsse von Zink auf Funktionen des Immun­systems erkannt.

Die toxischen Elemente

Einige Metalle des PSE ziehen insbesondere durch ihre toxikologische Relevanz große Aufmerksamkeit auf sich. Dies beschränkt sich aber nicht nur auf die explizit in der Abbildung gekennzeichneten prominenten toxischen Elemente, sondern könnte auch weiter auf viele Nebengruppenelemente, hier aber ohne praktische Relevanz, erweitert werden. Aber wie erklärt man, dass bestimmte Metalle als Spurenelemente für den Körper in ihrer Interaktion mit Proteinen essenziell sind und andere mit einer solchen Wechselwirkung als toxisch klassifiziert werden?

Eine sowieso uneinheitlich gehandhabte Definition des Begriffes Schwermetall („Schwermetalltoxizität“) ist an dieser Stelle nicht zielführend, denn im Grunde gehören sowohl die ­Spurenelemente als auch die eher toxischen Metalle zumeist gleichermaßen zur Gruppe der Schwermetalle. Toxische Wirkungen von Metallen resultieren ebenfalls aus einer strukturellen Beeinflussung von Funktionsmolekülen im Körper, also Enzymen, Proteinen sowie der DNA. Das heißt, grundsätzlich unterscheiden sich die Spurenelemente und die toxischen Elemente nicht gravierend in ihrer Art der Wechselwirkung, die Konzentration ist natürlich von entscheidender Bedeutung. Ein pharmaziehistorisch eindrucksvolles Beispiel des Überganges der toxischen Wirkung eines solchen Metalls zu seiner therapeutischen Nutzung wurde vor über 100 Jahren durch Paul Ehrlich belegt, der mit der Entwicklung Arsen-organischer Verbindungen (Arsphenamin-Salvarsan®) die ersten synthetischen antibakteriellen Wirkstoffe erzeugte und damit eine neue Ära eröffnete. Der Wirkmechanismus, bakterielle Erreger strukturell zu zerstören, war dementsprechend unselektiv und so resultierten starke Nebenwirkungen.

Zu berücksichtigen ist, dass die Toxizität von Elementen einerseits stark von der Art ihrer Verbindungen geprägt ist, die andererseits wiederum einen Einfluss auf die Prozessierung und Anreicherung im Körper hat. Eine Akkumulation von bestimmten Metallen im Körper führt zu einer chronischen Toxizität, dies ist hinreichend von Blei, Arsen, Cadmium oder Quecksilber bekannt. Das Spektrum der funktionellen Störungen reicht von mutagenen, kanzerogenen Wirkungen (z. B. Quecksilber), zu neurotoxischen Effekten (Blei, Quecksilber) über Wirkungen auf das Skelettsystem (Cadmium) bis hin zu Enzymhemmungen (alle, z. B. Blei; Beeinträchtigung der Hämoglobinsyn­these). Funktionell kann dies vielfältig sein, eine direkte Bindung der Elemente an die Funktionsstrukturen kann erfolgen, die toxischen Metalle können aber auch die essenziellen Spurenelemente kompetitiv verdrängen. Von einigen der toxischen Metalle weiß man auch, dass sie das Immunsystem durch Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB in einen pathologisch chronischen Entzündungszustand versetzen (Hg, Pb, Cd und As). Es wird deutlich, dass die Übergänge von Spurenelement zu toxischer Wirkung oftmals fließend sind. Chrom(III)-Verbindungen sind essenziell, Chrom(VI) ist toxikologisch hochgradig relevant. Oftmals resultiert eine toxische Wirkung auch durch funktionelle Defizite des Körpers. Während Aluminium bei normaler Nierenfunktion gut ausgeschieden wird, kann bei ungenügender Eliminierung und Aluminiumakkumulation eine Schädigung im ZNS erfolgen (Dialyse-Enzephalopathie).

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Übergänge oftmals fließend - Ob es sich um ein Spurenelement oder Gift handelt, hängt z. B. von der Oxidationszahl ab: Chrom(III)-Verbindungen gelten als essenziell, Chrom(VI) ist dagegen toxikologisch hochgradig relevant.

Resümee

Auch wenn man ohne tiefgreifende Einblicke in die systematischen Zusammenhänge der chemischen Elemente des PSE den Herausforderungen des Apothekerberufes in der täglichen Praxis gegenüber gewappnet ist, bietet der Einblick in das PSE doch interessante Zusammenhänge, er­öffnet Erklärungen zu Wirkungen und Nebenwirkungen von Stoffen und Verbindungen, die sich vielleicht auch durch ihre einfache salzartige Zusammensetzung nicht auf den ersten Blick als hocheffektive Arzneistoffe offen­baren. Dieser Blick sollte erhalten bleiben, um damit dem PSE in der pharmazeutisch wissenschaftlichen Ausbildung nicht nur aus traditionellen Gründen seinen Stellenwert zu wahren. |

Autor

Prof. Dr. Gerd Bendas ist Apotheker und Professor für Pharmazeutische Chemie an der Universität Bonn.

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