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„Echte Deregulierung würde helfen“

Dermapharm-CEO Dr. Hans-Georg Feldmeier zu Lieferengpässen und dem neuen Rahmenvertrag

ks/ral | Kein Tag vergeht, ohne dass in den Medien über Lieferengpässe bei Arzneimitteln berichtet wird, die Rufe werden lauter, die (Wirkstoff-)Produktion wieder nach Europa zu holen. Aber wie sieht die Situation der in Deutschland ansässigen pharmazeutischen Unternehmen tatsächlich aus? Schwierig, meint Dr. Hans-Georg Feldmeier, CEO von Dermapharm. Und es wird seiner Ansicht nach auch nicht besser. Im Gespräch mit DAZ.online erklärte er vor Kurzem, wie die Generikaindustrie nun auch noch durch den neuen Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung unter Druck gesetzt wird.
Foto: Dermapharm

Dermapharm-CEO Dr. Hans-Georg Feldmeier sieht in Überregulierung eine Ursache für Lieferengpässe.

Der Rahmenvertrag zeigt für den Pharmamanager, der selbst Apotheker ist, exemplarisch, dass auch die Vertragspartner die Konsequenzen ihrer Vereinbarungen gar nicht mehr vorausberechnen können. Während der Rabattvertragsmarkt, der etwa 63 Prozent des Gesamtmarktes ausmacht, für die Industrie ohnehin schon lange kein gewinnbringendes Geschäft mehr ist, war der Markt für Generika ohne Rabattvertrag bislang noch relativ auskömmlich. Doch auch dieses Segment wird nun kräftig aufgemischt: Durch die Regelung im neuen Rahmenvertrag, dass im Nicht-Rabattvertragsmarkt eines der vier preisgünstigsten Arzneimittel abgegeben werden muss und dieses nicht teurer sein darf als das verordnete Arzneimittel. Zuvor durfte die Apotheke auch das verord­nete Präparat abgeben – oder eines der drei preisgünstigsten.

Die Auswirkungen dieser Neuregelung erklärte Feldmeier im Gespräch mit einem Beispiel seines eigenen Unternehmens: Die Karison® Crinale 50 ml Lösung von Dermapharm erlebte zum 1. Juli 2019 einen Absatzeinbruch, während Clobetasol acis® einen Sprung nach oben machte. Die schlichte Erklärung: Nur letzteres Produkt gehörte zu diesem Zeitpunkt zu den vier günstigsten Arzneimitteln. Dermapharm senkte zum 1. Oktober den Preis für Karison® Crinale und erfüllte damit wieder die Abgabe-Voraussetzungen nach dem Rahmenvertrag – und prompt stieg die Absatzkurve wieder nach oben, während die des acis-Präparates sank.

Planungssicherheit geht noch weiter verloren

Der Dermapharm-CEO beklagt: Mit Preisen, die sich alle 14 Tage ändern können, geht die Planungssicherheit der Unternehmen noch weiter verloren. Und er ist überzeugt, dass diese kurzfristigen Preisänderungen anhalten werden, schließlich wollen viele Mitbewerber unter den vier Preis­günstigsten sein. „Da kommt es zu Schwankungen, die planungstechnisch nicht mehr auszugleichen sind“, kritisiert Feldmeier. Apotheken bleiben ebenfalls nicht unberührt: Sie müssen ihre Lagerhaltung beständig anpassen. Und die Patienten? Sie werden immer wieder mit verschiedenen Produkten konfrontiert – auch abseits des Rabattmarktes. Bekanntermaßen fördert dies nicht die Compliance. „An diese Konsequenzen hat kein Mensch gedacht“, ist Feldmeier überzeugt.

Unternehmen fehlt die Luft zum Atmen

Angesichts der ohnehin schwierigen Situation im Rabattvertragsmarkt gehe es für viele Unternehmen jetzt „um die Luft zum Atmen“, sagte Feldmeier. Die Zahl der Pharmazentralnummern sinke bereits beständig, immer mehr Unternehmen stellen die Herstellung von Produkten ein, insbesondere im Rabattvertragsmarkt. Die Lieferengpässe häufen sich. Feldmeiers Wunsch: „Wir brauchen wieder einen planbaren Prozess“ – und mehr Produktion in Europa.

Fehlentwicklungen benennen und korrigieren

Für den Dermapharm-CEO ist klar: „Wir dürfen nicht aufhören, über Überregulierung zur reden, wir brauchen den Mut, die Fehlentwicklungen zu benennen und zu korrigieren“ – zum Beispiel bei Rabattverträgen und dem Preismoratorium. Die derzeitigen Vorschläge aus der Politik, Maßnahmen gegen Engpässe zu ergreifen, sollte man aus seiner Sicht mit Vorsicht genießen: „Es kann doch nicht sein, dass wir uns Fehlentwicklungen nicht eingestehen und darauf mit neuen ordnungspolitischen Regulierungen reagieren, ohne an die Ursachen zu gehen“. Feldmeier ist überzeugt: Mit jeder weiteren Regulierung wird sich das Problem der Fehlregulierung und das Ausmaß der Lieferschwierigkeiten vergrößern. „Echte Deregulierung, fairer Wettbewerb und keine Regelungen zulasten Dritter – das wäre es, was jetzt helfen könnte“. |

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