Arzneimittel und Therapie

Bluthochdrucktherapie überdenken

Diuretika scheinen ACE-Hemmern in der initialen Monotherapie überlegen

Zur Behandlung des Bluthochdrucks stehen gleich mehrere Wirkstoffklassen zur Verfügung, bei einer Neueinstellung erfolgt die Auswahl in Abhängigkeit von den vorliegenden Grunderkrankungen. Eine aktuelle Untersuchung deutet jedoch darauf hin, dass Diuretika den ACE-Hemmern grundsätzlich überlegen sein könnten.

Entsprechend der Leitlinie der American Heart Association wird die antihypertensive Behandlung bei Patienten mit Blutdruckwerten von 130 bis 139 mmHg systolisch oder 80 bis 89 mmHg diastolisch mit einer Monotherapie eingeleitet. Zum Einsatz kommen Diuretika (Thiazide und thiazid-ähnliche Diuretika), Inhibitoren des Angiotensin-konvertierenden Enzyms (ACE-Hemmer), AT1-Blocker und Cal­cium-Kanalblocker vom Dihydropyridin- oder Nichtdihydropyridin-Typ. Die European Society of Hyper­tension empfiehlt bei älteren, gebrechlichen Patienten und jenen mit geringem kardio­vaskulärem Risiko oder einer Hypertonie von Grad 1 (d. h. 140 bis 159 mmHg systolisch und/oder 90 bis 99 mmHg diastolisch) initial ebenfalls eine Monotherapie. Zudem kommt hier in Abhängigkeit der Grunderkrankung neben den genannten Wirkstoffklassen die Anwendung eines Betablockers in Betracht.

Foto: Tanya Rozhnovskaya – stock.adobe.com

Klare Empfehlungen hinsichtlich der Überlegenheit einzelner Therapien fehlen jedoch, auch weil es an umfangreichen vergleichenden Daten gerade aus der jüngeren Vergangenheit mangelt. Diese Lücke sollte nun im Rahmen einer groß angelegten Untersuchung anhand von Daten aus dem Behandlungsalltag (Real-World-Evidence, s. Kasten) geschlossen werden.

Real-World-Evidence

„Klassische“ klinische Prüfungen werden mit vergleichsweise geringen Fallzahlen und oftmals unter Einbeziehung spezieller Patientenpopulationen sowie unter standardisierten Bedingungen durchgeführt. Die Untersuchungsbedingungen unterscheiden sich somit von den „realen“ Therapiebedingungen nach Markteinführung. Daten aus dem klinischen Alltag – sogenannte Real-World-Evidence (RWE) – sollen diese Erkenntnis­lücken schließen. Dazu werden beispielsweise Registerdaten ausgewertet. Ergebnisse aus klinischen Prüfungen und Real-World-Evidence sollten zur kontinuierlichen Therapieverbesserung daher Hand in Hand gehen.

Hierzu wurde in neun internationalen Gesundheitsdatenbanken recherchiert. Insgesamt wurden 4,9 Millionen Patientendaten ausgewertet und 22.000 kalibrierte, Propensity-Score-adjustierte Risikoquotienten (HR) hinsichtlich Wirkstoffklassen und Wirksamkeitsendpunkten generiert. Als primäre Zielparameter wurden akuter Herzinfarkt, Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz und Schlaganfall definiert. In den meisten Analysen wurden keine Unterschiede zwischen den Wirkstoffklassen fest­gestellt. Diuretika erwiesen sich jedoch den ACE-Hemmern, die bei nahezu 50% der Patienten eingesetzt wurden, in ihrer Effektivität und auch hinsichtlich des Sicherheitsprofils als überlegen. Diuretika schnitten in allen primären Wirksamkeitsparametern besser ab:

  • akuter Herzinfarkt: HR 0,84; 95%-Konfidenzintervall (KI) 0,75 bis 0,95
  • Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz: HR 0,83; 95%-KI 0,74 bis 0,95
  • Schlaganfall: HR 0,83; 95%-KI 0,74 bis 0,95

Dagegen erwiesen sich Calcium-Kanal­blocker vom Nichtdihydropyridin-Typ insgesamt gegenüber allen anderen Wirkstoffklassen als unterlegen. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass ein bevorzugter Therapiestart mit einem Diuretikum anstelle der am häufigsten eingesetzten ACE-Hemmer zur Vermeidung zahlreicher kardiovaskulärer Ereignisse beitragen könnte. Kontrollierte Studien sollten dieser wichtigen Fragestellung nachgehen. |

Literatur

Suchard MA et al. Comprehensive comparative effectiveness and safety of first-line antihypertensive drug classes: a systematic, multinational, large-scale analysis. Lancet 2019; doi:10.1016/S0140-6736(19)32317-7

Whelton PK et al. 2017 ACC/AHA/AAPA/ABC/ACPM/AGS/APhA/ASH/ASPC/NMA/PCNA Guideline for the Prevention, Detection, Evaluation, and Management of High Blood Pressure in Adults. Circulation 2018;138(17):e426-e483

Williams B et al. 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. Eur Heart J 2018;39(33):3021–3104

Apotheker Dr. Peter Meiser

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