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Hintergrund

Stolz auf das Erreichte und mutig in die Zukunft

Das BfArM feiert 25-jähriges Bestehen

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Im letzten Vierteljahrhundert hat die Behörde zahlreiche Herausforderungen gemeistert und wird sich wohl auch in Zukunft immer wieder „neu erfinden müssen“. Im Zentrum steht in nächster Zeit die Nutzung der Chancen, die sich aus der Digitalisierung ergeben. | Von Helga Blasius

Mit rund 1100 Mitarbeitern, darunter Ärzte, Apotheker, Chemiker, Biologen, Juristen, Ingenieure, technische Assistenten und Verwaltungsmitarbeiter ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Europas größte Arzneimittel-Zulassungsbehörde. Neben der Erteilung von Verkehrsgenehmigungen, der Verbesserung der Sicherheit von Arzneimitteln, der Risikoerfassung und -bewertung von Medizinprodukten und der Überwachung des Betäubungsmittel- und Grundstoffverkehrs betreibt das BfArM auch unabhängige wissenschaftliche Forschung.

Zu den Anfängen

1976 wurde infolge der Contergan-Katastrophe das euro­päische und damit auch das deutsche Arzneimittelrecht grundlegend reformiert. Kern des 1978 in Kraft getretenen neuen Arzneimittelgesetzes war die Einführung der Zulassungspflicht und des Zulassungsverfahrens für Arzneimittel. Im Zuge dessen entstand 1975 das Institut für Arzneimittel als Teil des damaligen Bundesgesundheitsamtes (BGA). Nach der Auflösung des BGA im Jahr 1994 gingen daraus drei eigenständige Einrichtungen hervor, darunter das BfArM.

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Der aktuelle und der erste Präsident des BfArMs: Prof. Dr. Karl Broich (seit 2014) und Prof. Dr. Alfred G. Hildebrandt (1994 bis 2001).

Nur ein Apotheker als Präsident

Zu dessen erstem Direktor wurde der Leiter des vorherigen Arzneimittelinstituts Prof. Dr. Alfred G. Hildebrandt ernannt. Im Jahr 2001 wurde der Arzt und Pharmakologe von Prof. Dr. Harald Schweim abgelöst, der das Institut schon seit 2000 kommissarisch geleitet hatte. Der Apotheker gehörte im BfArM zu den „Männern der ersten Stunde“, denn er stand bereits 1994 dem Fachbereich „Arzneimittelzulassungen“ vor, bevor ihm 1996 die Leitung des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) übertragen wurde. Von 2004 bis 2009 wurde die Behörde kommissarisch zunächst von dem Leiter des Robert Koch-Instituts Prof. Dr. Reinhard Kurth und ab 2007 vom damaligen Präsidenten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) Prof. Dr. Johannes Löwer geleitet. 2009 wurde Löwer dann zum BfArM-Präsidenten ernannt. 2010 gab er den „Staffelstab“ an den Biologen und Neuroanatomen Prof. Dr. Walter Schwerdt­feger weiter. Seit August 2014 leitet der Humanmediziner und Facharzt für Nervenheilkunde und Psychotherapie Prof. Dr. Karl Broich die Geschicke des Bundesinstituts.

Schwere Zeiten

Mit dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin wurde der Dienstsitz der Behörde als Ausgleichsmaßnahme zu Anfang des Jahrtausends in die Bundesstadt Bonn verlegt, was zu einem Aderlass an erfahrenem Personal führte. Befürchtungen kamen auf, dass sich die Zulassungszeiten und die Dauer der Nachzulassung noch mehr hinauszögern und die Zulassungszahlen weiter zurückgehen könnten. Dies hätte negative Folgen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Arzneimittelhersteller haben können. Aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der Zulassungsbehörde selbst im Umfeld der europäischen „Konkurrenz“-Behörden hätte auf dem Spiel stehen können.

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2001 bis 2004 – Prof. Dr. Harald Schweim leitet das BfArM.

Weitere Profilierung und „Öffnung“

Solchen Unkenrufen zum Trotz hat das BfArM während der letzten 25 Jahre sämtliche Stürme und Stolpersteine der Nachzulassung und der Implementierung des europäischen Zulassungsverfahrens erfolgreich durchgestanden. Außerdem hat die Behörde die Fortentwicklung des Systems durch seine vielfältigen aktiven Vertretungen in den zuständigen Gremien der Europä­ischen Arzneimittelagentur (EMA) maßgeblich mitgestaltet. Darüber hinaus hat sich das Bundesinstitut über die Jahre weiter „geöffnet“. 2000 wurde die Veranstaltungsreihe „BfArM im Dialog“ ins Leben gerufen, um die Kommunikation mit der Industrie und den Fachkreisen zu verbessern. Das Format wurde zu einem Erfolgsmodell und erfreut sich bei den Antragstellern aus der Industrie, aber auch bei den Vertretern anderer Behörden, von politischer Seite und Patientenorganisationen großen Zuspruchs. 2010 kam die erste Ausgabe des „Bulletins zur Arzneimittelsicherheit“ von BfArM und Paul-Ehrlich-Institut heraus. Es erscheint seither vierteljährlich und informiert zu aktuellen Aspekten der Risikobewertung von Arzneimitteln.

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2004 bis 2007 – Prof. Dr. Reinhard Kurth trifft in seiner Amtszeit als BfArM-Präsident auf die damalige Bundes­gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD).

Wichtige Meilensteine

Zu weiteren Meilensteinen gehören die/der:

  • Einrichtung der Expertengruppe „Off-Label“ (2002),
  • erste Registrierung eines traditionellen pflanzlichen Arzneimittels in der EU (2005),
  • Abschluss der Nachzulassung (2005),
  • Aufbau einer eigenen Forschungsabteilung (ab 2012) und Etablierung von drei Forschungsschwerpunkten „Pharmakogenomik und individualisierte Therapie“; Pharmako­epidemiologie“ und „Medizinproduktesicherheit“,
  • Errichtung der „Gemeinsamen Expertenkommission zur Einstufung von Stoffen, die sich mit Wirkstoffen im Grenzgebiet Arzneimittel/Lebensmittel befasst (2013),
  • Etablierung des Dialogs mit Patientenverbänden (2015),
  • Schaffung des „Jour fixe“ zu Liefer-und Versorgungsengpässen unter Beteiligung des BfArM und der Fachkreise (2016),
  • Einrichtung der Cannabisagentur (2017),
  • Gründung des BfArM-Innovationsbüros, das Start-ups gezielt bei der Entwicklung neuer Arzneimittel und Medizinprodukte unterstützen soll (2017).

Bekanntmachung des Arzneibuchs

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2010 bis 2014 – Prof. Dr. Walter Schwerdtfeger ist Präsident.

Ein besonderer gesetzlicher Auftrag an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben: Im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut und dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit macht das BfArM das Arzneibuch als „Sammlung anerkannter pharmazeutischer Regeln“ bekannt. Die Monographien und anderen Texte der Europäischen Pharmakopöe bilden eine wichtige Grundlage für die Sicherung der Qualität von Arzneimitteln und teilweise auch von Medizinprodukten. Bei der Erarbeitung der Monographien wird darauf geachtet, dass sie den Bedürfnissen der Zulassungsbehörden, der mit der Qualitätskontrolle von Arzneimitteln und ihrer Bestandteile Beauftragten sowie der Hersteller von Arzneimitteln und ihrer Bestandteile entsprechen. Das Arzneibuch besteht aus dem Europäischen, Deutschen und Homöopathischen Arzneibuch. Diese werden von der Europäischen Arzneibuch-Kommission, der Deutschen Arzneibuch-Kommission und der Deutschen Homöopathischen Arzneibuchkommission beschlossen. Das BfArM betont auf seiner Webseite, dass die Kommissionen gleichberechtigt sind und dass sie in ihrem jeweiligen Geschäftsbereich autonom entscheiden. Das Sekretariat der Europäischen Arzneibuch-Kommission ist ein Teil des European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare (EDQM) beim Europarat in Straßburg. Die beim BfArM angesiedelte Geschäftsstelle der Arzneibuch-Kommissionen ist für Deutschland auch Ansprechpartner für Stellungnahmen zum EuAB. Die Arzneibuch-Kommissionen werden bei ihrer Arbeit von speziellen Fachausschüssen und Arbeitsgruppen unterstützt.

Attraktiver Arbeitgeber

Seit dem Jahr 2001 „residiert“ das BfArM in einem modernen Gebäudekomplex in der Kurt-Georg-Kiesinger-Allee in unmittelbarer Nähe zur Bonner Rheinaue. Im Juni 2011 kamen durch die Aufstockung von zwei Gebäudeteilen 80 Büroräume hinzu. Das BfArM bemüht sich darum, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Im Juni dieses Jahres erhielt die Behörde für ihre familien- und lebensphasen­bewusste Personalpolitik sowie die Verbesserung familiengerechter Arbeitsbedingungen schon zum dritten Mal das Zertifikat zum „audit berufund­familie“.

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2007 bis 2010 – Prof. Dr. Johannes Löwer (li.) ist BfArM-Präsident und feiert mit Minister Philipp Rösler (FDP) 15-jähriges Jubiläum der Behörde.

Digitalisierung als Herausforderung und Chance

Anlässlich des Jubiläums blickt das Bundesinstitut zwar auch zurück – unter anderem mit einem in­teressanten Schaubild zu der Historie auf seiner Webseite –, vor allem aber in die Zukunft. Das Umfeld, in dem es heute tätig sei, werde von hochdynamischen Prozessen geprägt, schreibt BfArM-Präsident Broich in einem Statement auf der BfArM-Webseite. Wissenschaftliche und technologische Innovationen, exponentiell zunehmende Daten­mengen („Big Data“, „Real World Data“), Künstliche Intelligenz, neuartige Designs klinischer Studien prägten die Landschaft. Wohl kaum ein Thema beherrsche das Gesundheitswesen aktuell so sehr wie die Digitalisierung. Das BfArM verbinde damit ganz konkrete Vorstellungen und Visionen, die sich durch nahezu alle Arbeitsbereiche des Bundesinstituts zögen. Bei einer Festveranstaltung zum 25-jährigen Bestehen am 31. Oktober 2019 in Bonn hob Broich die gute Vernetzung seiner Behörde auf diesem Gebiet mit anderen Institutionen hervor. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen Karl-Josef Laumann wünschte dem BfArM für seinen Beitrag zur Digitalisierung viel Erfolg und fügte an: „Und auf Ihren westfälischen Minister in Düsseldorf und Ihren westfälischen Minister in Berlin können Sie sich in dieser Sache verlassen.“ |

Autorin

Dr. Helga Blasius ist Fachapothekerin für Arzneimittelinformation, Dipl.-Übersetzerin (Japanisch, Koreanisch) und regelmäßige Autorin der DAZ.

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