Arzneimittel und Therapie

„Ohne Bedarfsmedikamente geht es nicht!“

Leitlinienautorin Prof. Dr. med. Bettina Wedi im Gespräch mit Rika Rausch

Attacken des hereditären Ödems (HAE) vorbeugen statt nur reagieren – es klingt, als ob eine Prophylaxe mit Lanadelumab alle anderen Behandlungsoptionen überflüssig macht. Prof. Dr. med. Bettina Wedi vom Behandlungszentrum für HAE im Zentrum für Seltene Erkran­kungen, Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie an der Medi­zinischen Hochschule Hannover, warnt jedoch vor Leichtsinn.

Prof. Dr. med. Bettina Wedi, Medizinische Hochschule Hannover

DAZ: Professor Wedi, ist die Angst der Patienten vor HAE-Attacken durch die Verfügbarkeit von Lanadelumab nun vorbei?

Wedi: Die Prophylaxe mit Lanadelumab hat bisher gezeigt, dass die Häufigkeit von HAE-Attacken stark und oft sogar bis auf null reduziert werden kann. Patienten, die zuvor nicht nur durch häufige Attacken, sondern auch durch die Angst vor Attacken, in ihrer Lebensqualität massiv eingeschränkt und psychosozial belastet waren, profitieren erheb­lich.

DAZ: Eine Langzeitprophylaxe mit den bisher verfügbaren Optionen (C1-INH-Konzentrat, Androgen-Deri­vate, Tranexamsäure) soll laut Leitlinie jedoch nur in Erwägung gezogen werden, wenn sich trotz angemessener Bedarfstherapie keine hinreichende Symptomkontrolle erreichen lässt. Gilt dies auch für die Prophylaxe mit Lanadelumab?

Wedi: Lanadelumab stellt einen vollkommen neuen Therapieansatz dar. Auch wenn das bisher aus Studien und der kurzen Dauer der Zulassung bekannte Sicherheitsprofil gut aussieht, haben wir bisher keine Langzeiterfahrungen. Darüber hinaus wird die Langzeitanwendung auch noch zeigen müssen, dass es keinen Wirkverlust über die Zeit gibt. Die Häufigkeit und Schwere der Attacken variieren stark von Patient zu Patient und können sich auch im Laufe des Lebens verändern. Ob daher eine (lebenslange) Prophylaxe mit einem äußerst hochpreisigen Antikörper indiziert ist, ist sorgfältig zusammen mit den Betrof­fenen und idealerweise einem HAE-erfahrenen Arzt/Zentrum abzuwägen.

DAZ: Könnte mit Lanadelumab ein neuer Standard etabliert werden, der andere Therapieoptionen zurückstellt?

Wedi: Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass Lanadelumab das Management von HAE revolutioniert. Für HAE-Patienten erhöhen sich Lebensqualität sowie Arbeits-/Schulfähigkeit signifikant, wenn keine Attacken mehr auftreten und auch die Angst vor Attacken verschwindet. Dies birgt aber auch Gefahren. So sollte jeder Patient auch unter Prophylaxe jederzeit Bedarfsmedikamente für eine Durchbruchsattacke bereit haben, und diese müssen auch bei geplanten operativen oder zahnärztlichen Eingriffen weiterhin parat stehen. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass Patienten, die unter Prophylaxe lange attackenfrei sind, ihre Prophylaxe vergessen könnten.

DAZ: Frau Professor Wedi, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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