Arzneimittel und Therapie

Einer für alle!

Larotrectinib wirkt unabhängig von der Tumorentität bei allen TRK-Fusionstumoren

cst | „One fits all“ gilt in der personalisierten Tumortherapie immer seltener. Mit Larotrectinib (Vitrakvi®) gewinnt diese Aussage nun allerdings eine ganz neue Bedeutung: Der Wirkstoff ist unabhängig von der Lokalisation bei allen TRK­Fusionstumoren einsetzbar.

Ziel der personalisierten Onkologie („Präzisionsonkologie“) ist es, für jeden Tumorpatienten eine maßgeschneiderte Behandlung zu finden. Dazu sind umfassende molekulare, zelluläre und funktionelle Analysen erforderlich. Denn viele zielgerichtete Therapien sind nur dann indiziert, wenn bestimmte Mutationen vor­liegen. Die Zulassung dieser onko­logischen Wirkstoffe ist in der Regel jedoch auf eine oder wenige Tumorentitäten beschränkt. Die Art und Loka­lisation des Tumors sind entscheidend. Anders sieht es bei dem kürzlich in der europäischen Union zugelassenen Wirkstoff Larotrectinib (Vitrakvi®) aus. Der hochselektive Inhibitor der drei Tropomyosin-Rezeptor-Kinase (TRK)-Proteine TRKA, TRKB und TRKC darf prinzipiell bei allen soli­den Tumoren eingesetzt werden. Voraus­gesetzt, es liegt eine Fusion eines neuro­trophen Tyrosin-Rezeptor-Kinase (NTRK)-Gens mit einem anderen Gen vor. Diese NTRK-Genfusion führt zur Expression von TRK-Fusionsproteinen, die als onkogene Treiber wirken. Entsprechende genomische Veränderungen wurden bislang bei rund 30 Tumorarten nachgewiesen. Man schätzt, dass bei 1% aller soliden Tumore eine NTRK-Genfusion besteht. Besonders häufig sind NTRK-Gen­fusionen beim sekretorischen Mammakarzinom, beim sekretorischen Speicheldrüsenkarzinom sowie beim infantilen Fibrosarkom und dem kongenitalen Nephrom.

Foto: Bayer AG

Vitrakvi® ist im Kühlschrank zu lagern. Die vorgesehene Dosis wird mit einer Applikationsspritze für Zube­reitungen zum Einnehmen entnommen.

Spezielle Diagnostik erforderlich

Zum Nachweis werden spezielle Analyseverfahren eingesetzt. So empfiehlt die European Society for Medical Oncology (ESMO), bei Tumorarten, bei denen NTRK-Genfusionen häufig auftreten, eine Untersuchung des Tumorgewebes mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH), Reverse-Transkriptase-Polymerasekettenreaktion (RT-PCR) oder RNA-basierter Next-Generation-Sequencing(NGS)-Assays.

Patienten, bei denen eine NTRK-Genfusion nachgewiesen wurde, können mit einer Larorectinib-Monotherapie behandelt werden, wenn es keine anderen zufriedenstellenden Therapieoptionen gibt. Zugelassen ist der TRK-Inhibitor sowohl bei erwachsenen als auch bei pädiatrischen Patienten, bei denen eine lokal fortgeschrittene oder metastasierte Erkrankung vorliegt oder eine Erkrankung, bei der eine chirurgische Resektion wahrscheinlich zu schwerer Morbidität führt.

Wirksamkeit und Sicherheit wurden in drei Studien untersucht: einer Phase-I-Studie mit Erwachsenen, der Phase-II-Studie NAVIGATE mit Erwachsenen und Jugendlichen und der Phase-I/II-Studie SCOUT mit Kindern und Jugendlichen. Die Zulassung basiert auf den gepoolten Daten von 102 Patienten mit TRK-Fusionstumoren. Die Auswertung der primären Analysepopulation ergab eine tumorunabhängige Ansprechrate von 72%. Eine Teilremission wurde bei 55% erreicht, eine komplette Remission bei 16%. Bei 34 untersuchten pädiatrischen Patienten, deren Daten ausgewertet werden konnten, war die Effektivität besonders hoch: Die Ansprechrate betrug 94%. Zu einer kompletten Remission kam es in 35% der Fälle.

Das Verträglichkeitsprofil scheint gut. Unerwünschte Ereignisse von Grad 3 und 4 wurden unter der Therapie selten beobachtet. Allerdings trat bei zehn Patienten eine therapiebedingte Anämie von Grad 3 auf. Die meisten unerwünschten Ereignisse waren jedoch von Grad 1 und 2. Am häufigsten wurde über Fatigue, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen und Obstipation berichtet. Zudem wurde bei einigen Patien­ten eine Erhöhung der Leber­enzyme Alanin-Transaminase (ALT) und Aspartat-Transaminase (AST) fest­gestellt.

Als orale Lösung (20 mg/ml) ist Vitrak­vi® in Deutschland bereits im Handel. Die Einführung der Hart­kapseln (25 und 100 mg) erwartet Hersteller Bayer in der EU in der zweiten Jahres­hälfte 2020. Aufgrund geänderter Produktspezifikationen der Gesundheitsbehörde in Europa muss der Herstellungsprozess für Kapseln für die EU zuerst noch an­gepasst werden. |

Literatur

Präzisionsonkologie. Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg. www.nct-heidelberg.de; Abruf am 1. Oktober 2019

CHMP summary of positive opinion for Vitrakvi. EMA/CHMP/413258/2019. European Medicines Agency. www.ema.europa.eu; Abruf am 1. Oktober 2019

Vitrakvi® (Larotrectinib) erhält erste tumor-unabhängige Zulassung in der EU. Pressemitteilung der Bayer AG vom 23. September 2019

Pressekonferenz der Bayer AG für Larotrectinib „Präzisionsonkologie – neue Wege in der Krebstherapie“ am 23. September 2019

Fachinformation Vitrakvi® (Larotrectinib). Stand September 2019

Weitere Informationen der Bayer AG

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