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Recht

Kein Hexenwerk

Arzneimittel importieren – Zulässigkeit, Erstattungsfähigkeit und Genehmigungspflicht

Verordnungen über Importarzneimittel bringen regelmäßig alle Beteiligten im Gesundheitssystem an ihre Grenzen. „Muss der Import genehmigt werden?“, „Kann das retaxiert werden?“, „Darf ich das überhaupt legal importieren?“, sind Fragen, die meist nur im Einzelfall beantwortet werden können. Hierfür sind ein Systemverständnis und eine rechtliche Trennschärfe unabdingbar. In der Praxis werden die unterschiedlichen Importbestimmungen jedoch zumeist vermischt und verschlimmern unnötig die Problematik der in anderen Fällen oftmals zu Recht kritisierten Bürokratie in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). | Von Dennis A. Effertz

Ein Importarzneimittel ist zunächst erst einmal jedes nach Deutschland importierte Arzneimittel. Es geht im Folgenden allerdings nicht um Arzneimittel, die als Re-Importe oder Parallel-Importe in Deutschland in Verkehr sind, da diesen leistungsrechtlich keine und verwaltungsrechtlich eine geringe Bedeutung beikommt. Sie sind zum Zeitpunkt der Abgabe durch die Apotheke bereits durch den pharmazeutischen Unternehmer (Re-Importeur) eingeführt und werden nicht durch die Apotheke selbst importiert. Diese Importe sind vielmehr Gegenstand der teilweise heiß geführten Diskussionen um die Abschaffung der Importquote nach § 5 des Rahmenvertrages. Wenngleich man dieses Konzept aus Gründen der Arzneimitteltherapiesicherheit, der Bürokratie sowie nicht zuletzt aus ökologischen Überlegungen heraus kritisieren kann, muss dieser Bereich ­gedanklich strikt von Arzneimittelimporten im apothekenüblichen Betrieb nach § 73 des Arzneimittelgesetzes (AMG) getrennt werden.

Arzneimittelrechtlicher Rahmen

Im Arzneimittelgesetz (AMG) ist über § 21 Abs. 1 festgelegt, dass Fertigarzneimittel in Deutschland grundsätzlich nur nach Zulassung/Genehmigung durch eine deutsche oder EU-Zulassungsbehörde in den Verkehr gebracht werden dürfen. Über § 73 AMG (sogenanntes Verbringungsverbot) wird konkretisiert, unter welchen Bedingungen Fertigarzneimittel ausnahmsweise nach Deutschland importiert werden dürfen, die zum Verkehr im Geltungsbereich des Gesetzes

  • zugelassen (Abs. 1)
  • oder nicht zugelassen (Abs. 3) sind.

Letztere Vorschrift stellt einen Ausnahmetatbestand als Abweichung vom Grundsatz dar, dass der Gesetzgeber nicht zugelassene Arzneimittel mangels arzneimittelrechtlich garantierter Arzneimittelsicherheit in Deutschland schlicht nicht haben will.

Import nach § 73 Abs. 1 AMG: Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei dem Import eines bereits in Deutschland (auch EU-weit) zugelassenen Arzneimittels um einen Import nach § 73 Abs. 1 AMG. Es existieren für Apotheken keinerlei Erschwernisse in Hinblick auf eventuelle Prüfpflichten bezüglich der arzneimittelrechtlichen Zulässigkeit des Imports über die Frage des Bezugslandes hinaus. Auch finden die Dokumentations- und Prüfpflichten nach § 18 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) keine Anwendung. Verwaltungsrechtlich ist ein Import nach § 73 Abs. 1 AMG somit für Apotheken als völlig unproblematisch und unbürokratisch einzustufen.

Der unkomplizierte Umgang mit Importen nach Abs. 1 will insofern einleuchten, da es sich beim AMG um ein „Schutzgesetz“ im Sinne des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung handelt. Der Import eines bereits in Deutschland zugelassenen Arzneimittels – Wirksamkeit und Sicherheit wurden somit im Zulassungsverfahren nachgewiesen – durch eine berechtigte Abgabestelle dürfte z. B. im Vergleich zu einem mit dem Import zu beseitigenden Versorgungsengpass ein vernachlässigbares Risiko darstellen. Denn Importe nach § 73 Abs. 1 AMG dienen der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung auch bei Lieferschwierigkeiten des pharmazeutischen Unternehmers.

Import nach § 73 Abs. 3 AMG: Bei einem Import von nicht in Deutschland verkehrsfähigen Humanarzneimitteln werden die strengeren Tatbestandsvoraussetzungen nach § 73 Abs. 3 AMG einschlägig. Hier geht es keineswegs um bloße Bürokratie. Vielmehr ist die Sicherheit dieses Arzneimittels nach deutschem – bzw. europäischem Standard im Falle einer zentralen Zulassungspflicht – nicht nachgewiesen. Die Hürden und damit Prüfpflichten in Bezug auf die arzneimittelrechtliche Zulässigkeit eines Arzneimittelimports nach § 73 Abs. 3 AMG dienen somit unmittelbar dem Patientenschutz. Die Schaffung der Möglichkeit der Umgehung der Arzneimittelzulassung liegt in potenziellen Notstandssituationen begründet. Insofern privilegiert § 73 Abs. 3 AMG Apotheken, da sie durch einen Import den zugrunde liegenden Therapienotstand im Einzelfall (sogenannter Einzel-Import) beseitigten dürfen. Wesentliche Voraussetzungen im Bereich des Apothekenrechts sind:

  • 1. Bestellung und Abgabe erfolgt durch Apotheken nach Bestellung durch einzelne Personen in geringer Menge.
  • 2. Das Arzneimittel ist im Herkunftsland verkehrsfähig.
  • 3. In Deutschland ist kein Arzneimittel mit identischem Wirkstoff und vergleichbarer Wirkstärke für die betreffende Indikation verfügbar.
  • 4. Ärztliche Verordnung im Falle eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels oder eines nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels aus einem Nicht-EU- bzw. EWR-Staat.

Einige Bedingungen sind bei Importen durch Apotheken grundsätzlich gegeben. Relevante Prüfpflichten ergeben sich vielmehr im Bereich der Verkehrsfähigkeit im Herkunftsland sowie der Frage nach therapeutischen Alternativen, die dem Import vorzuziehen sind und bei Vorhandensein diesen rechtlich verbieten. In der Regel unterstützen die auf den Arzneimittelimport spezialisierten Apotheken (z. B. Ilapo®, Komtur Pharmaceuticals) die Versorgerapotheken bei diesen Fragen.

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Re-Import, Parallel-Import oder Importe nach § 73 AMG: Das Thema führt in Apotheken regelmäßig zu Unsicherheiten und (unnötiger) Bürokratie.

Probleme in der Praxis

Abgrenzungsprobleme zwischen Importen nach § 73 Abs. 1 und Abs. 3 AMG (s. Tab.) ergeben sich in der Praxis sehr häufig mangels Kenntnis über den aktuellen Zulassungs­status als maßgebendes Unterscheidungskriterium der zu importierenden Arzneimittel. Während ein Ruhen oder der Rückruf einer Zulassung auf den offiziellen Kommunikationskanälen transportiert werden (z. B. Rote-Hand-Brief) – was die Löschung bzw. entsprechende Markierung in den abrechnungsrelevanten Preisverzeichnissen (Lauer-Taxe) nach § 8b des Rahmenvertrages zur Folge hat –, bedeutet umgekehrt eine fehlende Listung in diesen Datenbanken nicht, dass eine Zulassung nicht (mehr) existiert. Denn ein pharmazeutischer Unternehmer ist weder verpflichtet, ein europaweit zugelassenes Arzneimittel – erkennbar an einer EU-Zulassungsnummer – in jedem EU-Mitgliedstaat auf den Markt zu bringen, noch ist er in jedem Fall verpflichtet, das Produkt dauerhaft im Verkehr zu halten. Gerade der letztgenannte Fall gewinnt vor dem Hintergrund der frühen Nutzenbewertung nach § 35a SGB V eine immer größere Bedeutung – Stichwort: Opt-out. Insofern der Unternehmer mit den Ergebnissen der Erstattungsbetragsverhandlungen nicht zufrieden ist, steht ihm die Marktrücknahme nach § 4 Abs. 7 der Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V frei. Dies hat eine zeitversetzte Entlistung in den Preisverzeichnissen zur Folge. Leicht nachvollziehbar dürfte sein, dass eine mittelbar sozialrechtlich verursachte Marktrücknahme naturgemäß keinen Einfluss auf den arzneimittelrechtlichen Zulassungsstatus des Arzneimittels in Deutschland geschweige denn in der EU haben kann. Arzneimittelrecht und Sozialrecht haben erst einmal wenig miteinander zu tun und sind getrennt zu betrachten – schließlich existieren auch Privatpatienten.

Es handelt sich beim Import eines Opt-out-Arzneimittels folglich in der Regel um einen Import nach § 73 Abs. 1 AMG. Modellhaft könnte man sich Opt-out als absichtlich herstellerseitig verursachten Lieferdefekt vorstellen. So wird die Möglichkeit des „einfachen“ Imports über einen alternativen Bezugsweg zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung – ungeachtet sozialrechtlicher Erstattungsfragen – leicht ersichtlich.

In der Praxis finden sich genügend Beispiele dafür, dass dieser Sachverhalt weder den Importeuren und/oder den Apotheken noch den Krankenkassen ausreichend bekannt ist. So finden sich beim Import von Opt-out-Arzneimitteln auf den Lieferscheinen und Rechnungen der Importeure regelhaft Hinweise auf § 73 Abs. 3 AMG, in Apotheken wird ausufernd dokumentiert und Krankenkassen genehmigen (oftmals) unnötige Kostenübernahmeanträge von Ärzten und Apotheken.

Dokumentationspflichten und was sonst noch wichtig ist

jb | Die Dokumentation der Einzelimporte ist in § 18 Apothekenbetriebsordnung festgehalten. Dokumentiert werden müssen demnach:

  • die Bezeichnung des eingeführten Arzneimittels,
  • der Name oder die Firma und die Anschrift des pharmazeu­tischen Unternehmers,
  • die Chargenbezeichnung, die Menge des Arzneimittels und die Darreichungsform,
  • der Name oder die Firma und die Anschrift des Lieferanten,
  • der Name und die Anschrift der Person, für die das Arzneimittel bestimmt ist,
  • der Name und die Anschrift des verschreibenden Arztes,
  • das Datum der Bestellung und der Abgabe,
  • das Namenszeichen des Apothekers, der das Arzneimittel abgegeben oder die Abgabe beaufsichtigt hat.

Die Aufzeichnungen müssen mindestens bis ein Jahr nach Ablauf des Verfalldatums, jedoch nicht weniger als fünf Jahre lang aufbewahrt werden – und zwar vollständig.

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Was kann einem Import entgegenstehen?

Apotheken dürfen grundsätzlich keine Arzneimittel zu Dopingzwecken (§ 2 AntiDopG) abgeben, ebenso ist ihnen die Abgabe bedenklicher Arzneimittel (§ 5 AMG) untersagt. Das gilt uneingeschränkt auch für den Einzelimport. Entsprechende Präparate dürfen demnach nicht importiert werden

Arzneimittel, die Bestandteile von Rindern, Schafen oder Ziegen enthalten, fallen unter die sogenannte TSE-Verordnung, also die Verordnung zur Verhütung transmissibler spongiformer Enzephalopathien (TSE). Zu diesen TSE zählt beispielsweise die Rinderseuche BSE (bovine spongiforme Enzephalitis). Werden Arzneimittel importiert, die solche Bestand­teile enthalten, muss der zuständige Apothekenleiter eine Erklärung ausstellen, die folgenden Wortlaut hat: „Das Erzeugnis enthält weder spezifiziertes Risikomaterial im Sinne von § 1 Abs. 2 Arzneimittel-TSE-Verordnung, noch ist es unter Verwendung von solchem Mate­rial hergestellt worden“. Diese Erklärung muss in der Apotheke vorgehalten werden und ist der zuständigen Aufsichtsbehörde auf Verlangen vorzulegen.

Einzeln importierte Arzneimittel dürfen nicht auf Vorrat bestellt oder an Lager gehalten werden. Ein Einzel-Import nach § 73 Abs. 3 AMG ist nur auf konkrete Bestellung einer einzelnen Person in geringen Mengen entsprechend dem persönlichen Bedarf beziehungsweise dem Praxisbedarf zulässig. Damit erübrigt sich die Notwendigkeit einer Lagerhaltung eigentlich ohnehin.

Seit März 2017 gibt es durch das GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz – AMVSG die Ausnahme, dass Importe nach § 73 Abs. 3 AMG in angemessenem Umfang zur vorübergehenden Bevorratung einer Krankenhausapotheke oder krankenhausversorgenden Apotheke bestellt werden dürfen.

Erstattung durch die GKV

Import nach § 73 Abs. 1 AMG: Grundsätzlich hat der Patient auf Grundlage des fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) Anspruch auf in Deutschland zugelassene Arzneimittel. Dies schließt Importe nach § 73 Abs. 1 AMG somit ein. Die Tatsache eines (temporären) Liefer­defektes bzw. einer Nichtverfügbarkeit im Markt kann diesem Anspruch leistungsrechtlich zunächst nicht entgegenstehen.

Anders kann sich der Sachverhalt im Falle des Opt-outs darstellen: Liegt eine europäische Zulassung vor, aber das Fertigarzneimittel befindet sich in Deutschland aufgrund der freiwilligen Marktrücknahme nicht mehr im Handel, so liegt diesem Sachverhalt regelhaft eine markt­strategische Reaktion auf einen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nicht anerkannten Zusatznutzen zugrunde. Im Falle des Importes eines solchen Arzneimittels ist somit in der Regel von einem Abgabepreis über dem Preis­anker der Vergleichstherapie auszugehen, sodass die verordnete Therapie grundsätzlich unwirtschaftlich sein dürfte. Der Kostenübernahme durch die GKV stünde dann das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 SGB V entgegen. Anderenfalls wäre einer Umgehung der frühen Nutzenbewertung in Deutschland durch die Kombination von Marktrücknahme und Import nach § 73 Abs. 1 AMG Tür und Tor geöffnet und das System letztlich ad absurdum geführt.

Ein Leistungsanspruch nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V könnte sich dennoch im Einzelfall dann ergeben, insofern die seitens des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) geprüften Vergleichstherapien im individuellen Fall nicht wirksam waren oder aufgrund von Unverträglichkeit/Kontraindikationen nicht (mehr) eingesetzt werden können (sogenannter medizinisch begründeter Einzelfall). Die Nichtverfügbarkeit kostengünstiger (gleichwertiger) Therapieoptionen kann eine Versorgung mit Opt-out-Arzneimitteln rechtfertigen und leistungsrechtlich legitimieren. Die Verantwortung für die (wirtschaftliche) Auswahl der Therapie im Einzelfall trägt grundsätzlich der Arzt – Stichwort: Wirtschaftlichkeitsprüfung. Eine Genehmigungspflicht ermöglicht der Krankenkasse in diesem Kontext das Vorliegen eines begründeten Einzelfalls über den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) prüfen zu lassen.

Import nach § 73 Abs. 3 AMG: Wie bereits erwähnt, hat ein Versicherter in Deutschland grundsätzlich Anspruch auf in Deutschland zugelassene Arzneimittel. Diese Voraussetzung ist bei Importen nach § 73 Abs. 3 AMG in Abgrenzung zu § 73 Abs. 1 AMG nicht erfüllt. Dennoch können dem Einzelfall geschuldete leistungsrechtliche Ansprüche erwachsen. Die Kriterien, an denen sich die Leistungspflicht der GKV für solche Import-Arzneimittel richtet, gehen im Wesentlichen auf den sogenannten „Nikolaus-Beschluss“ zurück (BVerfG, Urt. v. 06.12.2005 [1 BVR 347/98]). Wesentliche Grundsätze dieser Rechtsprechung wurden über die Anspruchsgrundlage § 2 Abs. 1a SGB V in geltendes Gesetz gegossen. Ursprünglich beabsichtigte der Gesetzgeber den Anspruch auf den sogenannten Off-Label-Use – sprich die zulassungsüberschreitende Anwendung eines verfügbaren Arzneimittels – für besondere medizinisch begründete Notsituationen zu gewährleisten. Diese Grundidee greift im Wesentlichen auch bei nicht in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln. Das importierte Arzneimittel soll ohne gültige Zulassung für das Anwendungsgebiet eingesetzt werden (vgl. § 73 Abs. 3 Nr. 3 AMG). Somit gilt denknotwendig auch der vom Off-Label-Use bekannte Genehmigungsvorbehalt der Krankenkasse nach § 2 Abs. 1a SGB V. Dies spiegelt sich in der Begutachtungsrichtlinie des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände (MDS) wieder, auf dessen Grundlage der MDK bei entsprechender Beauftragung zum Kostenübernahmeantrag berät (Begutachtungsanleitung zu einzelimportierten Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz).

Tab.: Unterschiede zwischen Importen nach § 73 Abs. 1 AMG und § 73 Abs. 3 AMG
Import nach § 73 Abs. 1 AMG
Import nach § 73 Abs. 3 AMG
Ziel es Imports durch die Apotheke
Beseitigung eines Herstellerdefekts
Beseitigung eines individuellen Therapienotstands
Zulassung in Deutschland/EU
X
Mengenbeschränkung des Imports
X
GKV-Leistung
X
(ärztliche Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit)
Einzelfallentscheidung
Prüfpflicht in Bezug auf Vorliegen einer Genehmigung
nur in vereinzelten Lieferverträgen
X
(immer empfehlenswert)
Dokumentation nach § 18 ApBetrO
X

Prüf- und Abrechnungspflichten der Apotheke

Import nach § 73 Abs. 1 AMG: Für die Abrechnung von Einzel-Importen steht der Apotheke gemäß der technischen Anlage 1 zur Abrechnungsvereinbarung nach § 300 SGB V rein theoretisch keine „korrekte“ Sonder-PZN zur Verfügung. Denn sowohl 09999117 (verschreibungspflichtige Arzneimittel) als auch 09999206 (nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel) sind dem Wortlaut nach den Importen nach § 73 Abs. 3 AMG vorbehalten. Hierbei handelt es sich um ein historisch bedingtes Problem, da (temporär) in Deutschland nicht verfügbare Arzneimittel in der Regel nicht entlistet werden und somit nach § 8b des Rahmenvertrages unter der produktspezifischen PZN abgerechnet werden müssen. Die Ursache: Die technische Anlage ist älter als die „Opt-out-Problematik“ und Anträge auf eine entsprechende Anpassung sind bisher nicht umgesetzt. Aufgrund dieser Tatsache ist die „Zweckentfremdung“ der oben genannten Sonder-PZNs gelebte Vertragspraxis.

Gemäß § 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages richtet sich der Abrechnungspreis nach gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen. Insofern ein Preis sich hieraus nicht ergibt, bedarf es einer vorherigen Einigung der Vertragspartner (Kostenvoranschlag und Genehmigung). Regelungen können ergänzend auf Landesebene getroffen werden. Es wird ersichtlich, dass eine generelle Genehmigungspflicht auf Ebene des Rahmenvertrages nicht existiert. „Verschärfungen“ auf Landesebene wie z. B. in Bayern (vgl. § 3 Abs. 8 ALV für Primärkassen Bayern) oder im Arzneiversorgungsvertrag der Ersatzkassen (vgl. § 4 Abs. 5) sind möglich und individuell zu prüfen. Hier dürfen sowohl Importe nach § 73 Abs. 1 und 3 AMG lediglich bei Vorlage einer Einzelgenehmigung durch den Patienten beliefert werden. Andere Bundesländer kennen solche Prüfpflichten nicht, sondern fordern lediglich eine Preisdokumentation auf dem Verordnungsblatt. Solche Forderungen bleiben jedoch seit Inkraftreten des Schiedsspruches zum Rahmenvertrag gemäß nach § 3 Abs. 1 4. Spiegelstrich Punkt 7 j und k wirkungslos.

Eine Genehmigungspflicht kann allenfalls dann erforderlich werden, sofern der Abrechnungspreis nicht definiert ist. Dieses Problem ergibt sich für zum Zeitpunkt der Abgabe in der Lauer-Taxe gelistete Artikel dem Grunde nach nicht. Somit bleibt lediglich eine Preisvorschrift für bereits entlistete Arzneimittel fraglich. Grundsätzlich ergibt sich der Preis bisher auch für importierte Arzneimittel nach § 73 Abs. 1 AMG gesetzlich aus der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Damit besteht generell keine Genehmigungspflicht für Importe in Deutschland zugelassener Arzneimittel. Daran ändert auch die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nichts, wonach die AMPreisV für Importe eben nicht gelte (BGH, Urteil vom 9. Mai 2018 [VIII ZR 135/17]). Denn gegenständlich und rechtsdogmatisch erörtert waren lediglich Importe nach § 73 Abs. 3 AMG. Vielmehr gelten unter Berücksichtigung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots grundsätzliche Überlegungen zur Auswahl einer günstigen Bezugsquelle in Bezug auf den Apothekeneinkaufspreis von dem aus sich die Aufschläge nach der AMPreisV berechnen.

Import nach § 73 Abs. 3 AMG: Wie zuvor beschrieben, ergibt sich die Genehmigungspflicht bereits aus der Tatsache, dass bereits der Anspruch des Patienten grundsätzlich infrage steht. Folgerichtig bestehen für Importe nach § 73 Abs. 3 AMG auf der Ebene der ergänzenden Arzneilieferungsver­träge zumeist explizite Prüfpflichten für die Apotheke. Aufgrund der sozialrechtlichen Logik, dass Leistungen ohne Vorliegen eines Leistungsanspruchs nicht bewirkt und bewilligt werden dürfen, ist das Vorliegen einer Genehmigung für die Belieferung eines Arzneimittels nach § 73 Abs. 3 AMG leistungsrechtlich als verbindlich anzusehen und damit auch ohne gegebenenfalls explizite Prüfpflicht zu empfehlen. Wenngleich die Preisbindung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hier grundsätzlich nicht gilt, wird die Anwendung in der GKV über § 8 S. 2 des Rahmenvertrages verbindlich. Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gilt auch hier.

Der offensichtlichste Unterschied zum Import nach § 73 Abs. 1 AMG ist allerdings nicht sozialrechtlicher Natur. Es kommen die verwaltungsrechtlichen Vorgaben hinzu, wonach unabhängig von der Frage der Erstattungsfähigkeit die Dokumentation nach § 18 ApBetrO vorzunehmen ist. Dies gilt sowohl für GKV- als auch für Privatrezepte. Auch setzt sich der Apotheker als Inverkehrbringer des in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittels der Gefährdungshaftung aus, da die Haftung des Unternehmers im Falle des Imports ausscheidet. Apothekerinnen und Apotheker sollten sich also über das einzuführende Arzneimittel gut informieren und ein bekanntes oder absehbares Risiko mit dem Arzt oder Patienten besprechen, da sie sonst haftbar gemacht werden können. Außerdem müssen Identität und Qualität des abgegebenen Arzneimittels durch die Apotheke garantiert werden können.

Fazit

Die Belieferung von Importverordnungen in der Apotheke ist kein Hexenwerk. Vielmehr ergeben sich die täglichen Probleme aus der fehlenden Differenzierung im Einzelfall. Diese ist jedoch notwendig, um zu wissen, welche gesetzlich-vertraglichen Regelungen anzuwenden sind. Pragmatische Ansätze – z. B. die generelle Einholung von Genehmigungen – verursachen verwaltungstechnische Kosten auf allen Seiten und führen in der Praxis zu vermeidbaren Missverständnissen. Generell ist von einer Genehmigungspflicht für Importe nach § 73 Abs. 3 AMG auszugehen, wobei eine Prüfpflicht für Importe nach § 73 Abs. 1 AMG allenfalls eine kassenartenindividuell festgelegte und gegebenenfalls regional begrenzte Prüfverschärfung für die Apotheke darstellt. Der einmalige Blick in den jeweiligen Arzneilieferungsvertrag erscheint gegenüber der vorbehaltlosen Genehmigungsanfrage lohnenswert.

Weiterhin hilft die gedankliche Trennung von Verwaltungs- und Sozialrecht, sich über die Verantwortung und der damit verbundenen Haftung dem Patienten gegenüber bewusst zu werden. Nicht alles, was verwaltungsrechtlich zulässig ist, ist auch erstattungsfähig. Und nur weil ein Import sozialrechtlich zulässig ist, befreit dies nicht von möglichen Haftungsansprüchen. |

Literatur

Arzneimittelversorgungsvertrag Bayern (AV-Bay) - Ergänzungsvereinbarung zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V und zur Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung nach § 300 SGB V vom 14. Juni 2007 in der Fassung vom 1. Juni 2016, www.aok-gesundheitspartner.de

Arzneiversorgungsvertrag (Ersatzkassen) vom 1. April 2016, www.vdek.com

Begutachtungsanleitung zu einzelimportierten Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz, Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen, 2007, www.mds-ev.de

Anwendung des Preisrechts der Arzneimittelpreisverordnung auf Einzelimportarzneimittel. BGH, Urteil vom 9. Mai 2018 [VIII ZR 135/17], GesR 2018, 610

Rechtsprechung Bundesverfassungsgericht vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98, https://dejure.org

Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für so genannte neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2005 [1 BVR 347/98], NJW 2006, 891

Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) §§ 1, 5, 21, 73. www.gesetze-im-internet.de

Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V, 2016, www.gkv-spitzenverband.de

Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 SGB V in der redaktionellen Fassung vom 30. September 2016 einschließlich der Inhalte der 1. Änderungsvereinbarung vom 30. Mai 2015 und der 2. Änderungsvereinbarung vom 30. September 2016, www.gkv-spitzenverband.de

Sozialgesetzbuch (SGB) fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung § 35a Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen. www.gesetze-im-internet.de

Technische Anlage 1 zur Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V, Version 28 vom 24. Januar 2017, www.gkv-datenaustausch.de/media/dokumente/leistungserbringer_1/apotheken/technische_anlagen_archiv/ta1/TA1_028_20170124.pdf

Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO) § 18 Einfuhr von Arzneimitteln. www.gesetze-im-internet.de

Autor

Dr. Dennis A. Effertz, LL. M.,Stu­dium der Pharmazie, Approbation als Apotheker, Promotion in Medizinwissenschaften, Masterstudium Medizinrecht, AMTS-Manager, www.dr-effertz.de

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