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ABDA-Eckpunkte: Rx-Boni-Verbot, neue Leistungen und mehr Honorar

ABDA-Mitgliederversammlung legt Gegenvorschlag zu Spahns Reformplänen vor

BERLIN (ks) | Am 17. Januar hat die ABDA-Mitgliederversammlung beschlossen, wie sie auf die Pläne des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) zur Reform im Apothekenmarkt reagiert: mit einem eigenen Eckpunktepapier. Dieses greift weite Teile des Spahn-Papiers auf, fordert allerdings ein striktes Rx-Boni-Verbot statt eines Boni-Deckels für EU-Versandapotheken. Spahn erklärte, sein Haus werde die Vorschläge prüfen.

Mitte Dezember hatte Spahn der ABDA-Mitgliederversammlung seine Eckpunkte zur Sicherung und Weiterentwicklung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung vorgestellt. Damit machte er deutlich: Der im Koalitionsvertrag vereinbarte „Einsatz“ für das Rx-Versandverbot ist aus seiner Sicht erbracht – und zwar ergebnislos. Spahn will dieses Verbot nicht und schlug stattdessen vor, die Rezept-Boni der EU-Versandapotheken auf 2,50 Euro je Packung zu begrenzen. Diese Boni sollten zudem überprüft und ggf. reduziert werden, wenn der Marktanteil des ausländischen Versandhandels 5 Prozent übersteigt. Diese klare Absage an die Gleichpreisigkeit kam bei den Apothekern nicht gut an. „Daraus würde eine für die deutschen Apotheken unzumutbare und in den rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen vollkommen unkalkulierbare Wettbewerbssituation entstehen“, unterstrich ABDA-Präsident Friedemann Schmidt auch nach der neuerlichen Mitgliederversammlung am vergangenen Donnerstag. „Ausnahmeregelungen für europäische Versandhändler halten wir weder politisch, rechtlich noch im Sinne der Patienten für zielführend.“

Die anderen Vorschläge des Ministers, insbesondere zu zusätzlichen – und vergüteten – pharmazeutischen Dienstleistungen sowie weitere Honoraraufstockungen, sahen viele hingegen als Chance. Das Dilemma: Spahn hatte im Dezember erklärt, dass seine Vorschläge ein „geschlossenes Angebot“ seien, das nur als Ganzes oder gar nicht umgesetzt würde. Dennoch ging die ABDA in die Gegenoffensive und spielte jetzt ein abgewandeltes Eckpunktepapier zurück. Der wesentliche Unterschied ist, dass die ABDA zurück zur Gleichpreisigkeit will – und zwar in der Art, wie sie vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 bestand: Die Gewährung von Rx-Boni soll verboten werden – und zwar sowohl an GKV- wie auch an privat Versicherte. Der entsprechende Beschluss der ABDA-Mitgliederversammlung macht zugleich klar: Trifft der Minister keine Maßnahmen, die die Weiterentwicklung der Präsenzapotheken stärken und einen einheitlichen Apothekenabgabepreis gewährleisten, hält sie an ihrer Forderung nach einem Rx-Versandverbot fest.

Dennoch lautete Spahns erste Reaktion: „Mit diesem Beschluss ist auch aus Sicht der Apotheker ein Verbot des Versandhandels nicht zwingend zum Erhalt der flächendeckenden Versorgung erforderlich. Das ist ein wichtiger Schritt. Wir brauchen in jedem Fall eine europarechtskonforme Lösung, daher werden wir die Vorschläge nun in Ruhe prüfen. Unser Ziel bleibt die flächendeckende Versorgung mit Apotheken im ganzen Land.“

Reaktionen aus den Fraktionen

Einen Tag nach der ABDA-Mitgliederversammlung traf sich die AG Gesundheit der Unionsfraktion und beschäftigte sich mit Spahns Eckpunkten sowie dem ABDA-Vorstoß. Erwartungsgemäß musste Spahn Kritik an seiner Idee des Boni-Deckels einstecken. Schon im Vorfeld hatte unter anderem die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Karin Maag, signalisiert, dass sie die Rx-Preisbindung keinesfalls öffnen wolle. Einigkeit bestand offenbar, die Arzneimittelpreise künftig im SGB V zu regeln – das will auch die ABDA. Maag erklärte gegenüber DAZ.online: „Was die politische Bewertung des ABDA-Gegenvorschlags betrifft, haben wir am Freitagmorgen noch keine Ergebnisse erzielen können. Wir haben da intern noch sehr großen Gesprächsbedarf.“ Sie stellte klar, dass sie persönlich gut mit dem Rx-Boni-Verbot leben könne. Ihr sei am wichtigsten, die Ungleichbehandlung zwischen deutschen Apotheken und EU-Versendern zu stoppen.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, erklärte, sie habe die ABDA-Vorschläge „mit großem Interesse“ gelesen. „Sie sind den Vorschlägen, die die SPD vor zwei Jahren gemacht hat, sehr ähnlich, wurden damals aber vehement von den Apothekern abgelehnt. Ich freue mich über diesen Wandel“. Klar sollte aber sein, dass über die gesetzliche Weiterentwicklung des Apothekenwesens das Parlament entscheide – und keine Vertreterversammlungen von Interessengruppen. Sie erwarte nun mit Spannung Spahns Gesetzentwurf.

Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche hat dafür kein Verständnis: Viel zu lange wurde aus ihrer Sicht eine „unsinnige Diskussion“ über das Rx-Versandverbot geführt. Trotz EuGH-Urteils und marginalem Marktanteil des Versandhandels fordere die ABDA weiterhin die Wiedereinführung der Preisbindung für alle Marktteilnehmer. Die Grüne ist überzeugt, dass die Probleme und Lösungen der Apotheken in ganz anderen Bereichen liegen. Es sei das „starre und einheitliche Vergütungssystem, das dafür sorgt, dass bei kleinen Apotheken zu wenig und bei großen dafür umso mehr Geld landet“ – zugleich verweist sie auf das 2HM-Gutachten. Überdies wirft sie Apothekern und BMG „Gemauschel“ und Spahn Politik für einzelne Lobbygruppen vor. |


ABDA-Eckpunkte zur Sicherung der Preisbindung und Weiterentwicklung des Leistungsangebots

1. Die Mitgliederversammlung fordert den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung auf, unverzüglich Maßnahmen zur Stärkung und Weiterentwicklung der Arzneimittelversorgung durch Präsenzapotheken und zur Gewährleistung des einheitlichen Apothekenabgabepreises zu treffen.

2. Die Mitgliederversammlung spricht sich dafür aus, dass der nationale Gesetzgeber an seiner Entscheidung festhält, dass die Verbindlichkeit der Arzneimittelpreisverordnung auch beim Bezug von Arzneimitteln aus dem Ausland zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung in Deutschland erforderlich ist, und fordert die Bundesregierung auf, diesen Standpunkt – beispielsweise in gerichtlichen Verfahren – aktiv zu vertreten.

3. Um diese Ziele zu erreichen, hält die Mitgliederversammlung die in der Anlage aufgeführten Maßnahmen für geeignet und zwingend erforderlich.

4. Für den Fall, dass der Gesetzgeber keine Maßnahmen trifft, mit denen die unter Ziffer 1 und 2 genannten Ziele erreicht werden können, hält die Mitgliederversammlung an ihrer Forderung, verschreibungspflichtige Arzneimittel vom Versandhandel auszuschließen, fest.

Anlage:

1. Gewährleistung der Gleichpreisigkeit

  • Keine Veränderung des Anwendungsbereichs der Arzneimittelpreisverordnung
  • Einbindung der Arzneimittelpreisverordnung in § 129 SGB V (uneingeschränkte Geltung im GKV-Bereich)
  • Verbot der Gewährung von Boni in der GKV mit Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Krankenkassen
  • Verbot der Gewährung von Boni an Privatversicherte / Selbstzahler
  • Die Zuwendungsverbote sollen sozialrechtlich und wettbewerbsrechtlich verfolgbar sein.

2. Förderung pharmazeutischer Dienstleistungen

  • Einrichtung eines Fonds für die Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen (mindestens 240 Mio. Euro netto p. a.)
  • Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Erbringung pharmazeutischer Dienstleistungen
  • Definition der Dienstleistungen durch die Apothekerschaft

3. Gesetzliche Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der freien Apothekenwahl

  • Verbot von Einzelverträgen mit Krankenkassen mit abweichenden Preisen
  • Verbot der Begünstigung der Versicherten durch die Krankenkasse bei Bezug im Ausland
  • Beeinflussungsverbot für gesetzliche Krankenkassen und Bekräftigung der freien Apothekenwahl
  • Verbot des „Makelns“ von Verschreibungen / Sicherstellung der freien Apothekenwahl auch nach flächendeckender Etablierung der elektronischen Verschreibung

4. Zwingende Mitgestaltung und Mitbestimmung durch die Apothekerschaft bei der Etablierung digitaler Strukturen im Bereich der Arzneimittelversorgung (z. B. eRezept)

5. Aufstockung der Finanzmittel des Nacht- und Notdienstfonds auf 240 Mio. Euro (netto)

6. Erhöhung der Gebühr bei der Abgabe dokumentationspflichtiger Arzneimittel, insbesondere Betäubungsmittel, um 15 Mio. Euro p. a.

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