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„PTAplus“ mit Meisterqualifikation

Lehrer der PTA-Schule Ellwangen schlagen Modellversuch vor

eda | Relativ überraschend hat das Bundeskabinett Ende August einen Entwurf für eine PTA-Berufsreform beschlossen. Sowohl die Apothekengewerkschaft Adexa als auch der Bundesverband PTA (BVpta) kritisieren das Reformvorhaben. Ohne eine Verlängerung der Ausbildungszeit auf mindestens drei Jahre könnten die Inhalte nicht ausreichend vermittelt werden.

Die ABDA hingegen will es bei der bisherigen Struktur belassen – zwei Jahre Berufsfachschule und ein halbes Jahr Praktikum – und liegt damit auf gleicher Linie mit dem Bundesgesundheitsministerium. Sollte alles so bleiben wie gehabt, schlagen die unterrichtenden PTA und Apotheker der PTA-Schule Ellwangen (Baden-Württemberg) das Modellprojekt „PTAplus“ vor.

Wir haben mit Markus Kuhn, Apotheker und einer der Berufsschullehrer aus Ellwangen, über die konkreten Pläne gesprochen.

Foto: Privat

Markus Kuhn, Apotheker und PTA-Lehrer aus Ellwangen

DAZ: Herr Kuhn, warum sollte es Ihrer Meinung nach zu einer Verlängerung der PTA-Ausbildung kommen?

Kuhn: Schauen Sie auf die Entwicklung im Schulwesen der letzten zwei Jahrzehnte: Der PTA-Beruf hat an Attraktivität verloren. Gute Schüler und Schülerinnen, die wir damals noch gewinnen konnten, gehen jetzt oft bis zum Abitur und sind für den PTA-Beruf verloren. Die, die noch kommen, bringen inzwischen deutlich weniger Vorkenntnisse gerade in den Naturwissenschaften mit. Wenn nun zusätzlich, was gut ist, die Inhalte zur Abgabe und Beratung ausgebaut werden, fehlt einfach Zeit, pharmazeutisch-technische Kernkompetenzen wie das Prüfen und Herstellen von Arzneimitteln ausreichend zu vermitteln und das Verständnis von Zusammenhängen zu wecken.

DAZ: Welche Ausbildungsdauer schlagen Sie konkret vor und wie sollten die Inhalte strukturiert werden?

Kuhn: Um das bisherige Niveau zu halten, sollte die PTA-Ausbildung um ein halbes Jahr auf insgesamt drei Jahre verlängert werden, davon zweieinhalb Jahre in Vollzeit an einer beruflichen Schule.

DAZ: Sie begründen Ihre Forderungen damit, dass der PTA-Beruf vom Assistenten- auf ein Helfer-Niveau abgewertet werden könnte. Bitte erläutern Sie uns das genauer.

Kuhn: Ganz einfach: Mit dem aktuellen Entwurf soll in der gleichen Zeit mehr gelernt werden. Wenn mehr Information und Beratung dazu kommen soll, müssen wir diese Zeit bei den Hintergründen, den Zusammenhängen und den mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen einsparen, auch wenn ein Lehrplan etwas anderes vorsieht. Reines Auswendiglernen und Reproduktion von Fakten sind kein Assistentenniveau! Außerdem hätten wir noch weniger Zeit zum Üben und Wiederholen, und das trifft gerade die Schwachen!

DAZ: Meinen Sie tatsächlich, dass verschulte Berufsausbildungen attraktiver werden, wenn sie länger als zwei Jahre dauern?

Kuhn: Ob eine Berufsausbildung attraktiv ist, hängt auch mit Verdienst- und Entwicklungsmöglichkeiten zusammen. Zurzeit ist der PTA-Beruf im Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) vor allem wegen der relativ kurzen Ausbildung und nicht wegen der Inhalte auf DQR-Niveau 4 eingestuft, also genau dort, wo sich auch der PKA-Beruf befindet. Und mit allen Konsequenzen für die Verdienstmöglichkeiten! Mit einer längeren Ausbildung könnte der PTA-Beruf auf DQR-Stufe 5 kommen, was ja dem Berufsbild entsprechen würde und die Attraktivität erheblich steigern könnte.

DAZ: Muss es nicht eher darum gehen, bestimmte Ausbildungsinhalte grundlegend zu überdenken und an die aktuellen Anforderungen anzupassen, gegebenenfalls ganz zu streichen?

Kuhn: Das ist immer wichtig und hätte schon längst passieren müssen! Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ausreichend Zeit zur Verfügung stehen muss, um das zu vermitteln, was eine PTA aktuell können muss: Prüfen, herstellen und abgeben von Arzneimitteln mit Information und Beratung.

DAZ: Halten Sie es für sinnvoll, den PTA-Beruf mit anderen Gesundheitsberufen zu vergleichen, die in anderen Ländern akademisiert sind? Immerhin können die meisten PTA an ihre Ausbildung auch ein Hochschulstudium der Pharmazie anschließen. Diese Möglichkeit ist bei Hebammen oder Krankenschwestern ja prinzipiell nicht gegeben.

Kuhn: Berufe des Gesundheitswesens mit vergleichbaren Anforderungen sind nicht nur in anderen Ländern, sondern auch in Deutschland akademisiert worden, oder es gibt akademische Zusatzqualifikationen. Das sind die Hebammen und die leitenden Krankenschwestern. Die Klinik hier am Ort wirbt mit einem vierjährigen B.A.-Studiengang, bei dem zwei Abschlüsse erreicht werden: eine vollwertige Pflegeausbildung und der Bachelor in Pflegewissenschaften. Und warum? Man will für die Ausbildung dieser anspruchsvollen Berufe qualifizierte Bewerber finden, die auch dem Beruf länger erhalten bleiben. Zu den PTA kann ich hier keinen Unterschied erkennen. Im Übrigen hätten die anderen ja auch die Möglichkeit, ein Hochschulstudium der Medizin anzuschließen. Aber schauen Sie sich einmal an, wie viele PTA zurzeit ohne Abitur ins Pharmaziestudium gehen. Die können Sie einzeln zählen …

DAZ: Nun ist es eher unwahrscheinlich, dass sich die Ausbildungsdauer im Zuge des aktuellen Gesetzgebungsverfahrens auf drei Jahre verlängern wird. Was wäre ein möglicher Plan B für Sie?

Kuhn: Wenn sich das Bundesgesundheitsministerium schon nicht durchringen kann, in die dreijährige Ausbildung zu gehen, dann schlagen wir vor, mit einem Modellversuch „PTAplus“ Erfahrungen zu sammeln und zugleich auch Zeitfristen festzuschreiben, nach denen das Thema erneut betrachtet wird. So wird ja jetzt auch bei der generalistischen Pflegeausbildung verfahren. Ab 2020 sind die Ausbildungen für die Altenpflege, Krankenpflege und Kinderkrankenpflege zu einer neuen Pflegeausbildung zusammengefasst, und die damit gemachten Erfahrungen sollen nach fünf Jahren dann erneut geprüft werden. Wir schlagen also vor: Nach der zweijährigen Schulausbildung, gefolgt von einem halbjährigen Praktikum, sollen die PTA ähnlich der Meisterquali­fikation in den Handwerksberufen ­die Möglichkeiten haben, zusätzliche Kompetenzen zu erwerben, die dann auch in zusätzliche Befugnisse gerade für die öffentliche Apotheke münden. Zwei Wege können dafür geöffnet werden, je nach dem Ergebnis der „Erstausbildung“ nach diesen 2,5 Jahren: Wer mindestens mit der Note „gut“ abgeschlossen hat, soll die Möglichkeit haben, direkt im Anschluss ein weiteres halbes Jahr, vielleicht sogar ein ganzes Jahr eine PTA-Schule zu besuchen. In dieser Ausbildung werden vertiefende Inhalte angeboten. Wer schlechter abgeschlossen hat, muss eine bestimmte Anzahl von Jahren Berufserfahrung (drei oder fünf Jahre) nachweisen, um die Zulassung zu diesem schulischen Aufsetzer zu erwerben. Nach einer bestandenen Prüfung wäre nun die Erweiterung der Befugnisse, angelehnt an die Befugnisse der Apothekerassistenten oder Pharmazieingenieure, angebracht und auch sachlich begründet.

„Reines Auswendiglernen und Reproduktion von Fakten sind kein Assistentenniveau!“

DAZ: Was versprechen Sie sich von einer Meisterqualifikation für PTA?

Kuhn: Dass der PTA-Mangel kleiner wird! Diese Perspektive würde die Attraktivität des PTA-Berufs deutlich erhöhen. So könnten geeignete Bewerber, also gute Realschüler oder sogar Abiturienten, wieder für die PTA-Ausbildung zurückgewonnen werden. Außerdem könnte man viele ausgebildete PTA im Beruf und der Apotheke halten. Zurzeit beträgt die durchschnittliche Verweildauer von PTA nach ihrer Ausbildung in der Apotheke nur fünf Jahre.

DAZ: PTA mit „guten“ Abschlussnoten sollten weitere, vertiefende Inhalte an der Schule lernen dürfen. „Schlechten“ PTA sollte dies erst nach einer gewissen Anzahl von Berufsjahren möglich sein. Glauben Sie, dass eine Abschlussnote aussagekräftig genug ist, um über den weiteren Weg entscheiden zu können? Und: Warum sollten die „guten“ PTA länger an der Schule bleiben wollen und die „schlechten“ PTA nach einiger Zeit aus der Praxis wieder zurück an die Schule kommen?

Kuhn: Wir gehen davon aus, dass alle PTA-Schüler gerne ein halbes Jahr länger lernen würden. Dazu gab es ja auch eine Online-Befragung, die weder die ABDA noch das Bundesgesundheitsministerium zur Kenntnis nehmen wollen. Wir möchten, dass die besonders Motivierten eine Zusatzqualifikation erwerben können, die ihre beruflichen Perspektiven erheblich verbessert. Den besonders leistungsfähigen PTA soll ein schnellerer Zugang zu der Zusatzqualifikation ermöglicht werden.

DAZ: Im Grunde genommen geht es bei den zusätzlichen PTA-Kompetenzen ja um Vertretungsbefugnisse in der öffentlichen Apotheke. Haben Sie eine repräsentative Rückmeldung aus den Berufsständen der PTA und der Apotheker, dass dies so gewünscht ist?

Kuhn: Die Berufsverbände BVpta und ADEXA fordern die Aufwertung des PTA-Berufs schon lange. Teile der Apothekerschaft sind in dieser Hinsicht naturgemäß zurückhaltender. Meines Wissens wurden und werden Apothekerassistenten und Pharmazieingenieure aber sehr gern eingestellt, weil sie eben legal den Apotheker für eine kurze Zeit vertreten dürfen.

DAZ: Wie sollten sich Ihrer Meinung nach der Apotheker- und PTA-Beruf in Zukunft voneinander abgrenzen?

Kuhn: Apotheker und PTA werden weiterhin gemeinsam die allermeisten pharmazeutischen Tätigkeiten eigenverantwortlich bzw. unter Aufsicht eines Apothekers ausführen. Keine Angst müssten allerdings die Apotheker vor den „neuen“ Apothekerassistenten haben. Man könnte eindeutig definieren, welche Tätigkeiten den Apothekern unbedingt vorbehalten sind. Das muss neben dem Medikationsmanagement die Leitung von Apotheken und Filialen sein und könnte auch die Freigabe von Herstellungs- und Prüfanweisungen, die Plausibilitätsprüfung und Freigabe von Defekturarzneimitteln umfassen.

DAZ: Herr Kuhn, vielen Dank für das Gespräch. |

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