Arzneimittel und Therapie

Checkliste zur Abgabe oraler Retinoide

Teratogene Risiken sollen durch Schulungsmaterialien minimiert werden

jb/cst | Retinoid-haltige Arzneimittel können zu schweren Fehlbildungen führen, wenn sie während der Schwangerschaft eingenommen werden. Apotheker müssen bei der Abgabe daher besonders wachsam sein. Zudem besteht der Verdacht, dass Acitretin und Co. neuro­psychiatrische Erkrankungen begün­stigen.

Auf europäischer Ebene wurden kürzlich alle relevanten Daten zu Retinoiden vom Pharmakovigilanz-Ausschuss (PRAC) der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) überprüft. Seit vergangenem Jahr müssen Retinoide eine Warnbox tragen. Außerdem wurden die für Patienten und Fachkreise bestimmten Hinweise (Produktinformationen und Schulungsmaterialien) in Bezug auf Teratogenität und neuro­psychiatrische Erkrankungen aktualisiert. Über diese Aktualisierungen infor­mieren nun die Hersteller per Rote-Hand-Brief.

So dürfen orale Retinoide aufgrund ihrer Teratogenität während der Schwangerschaft nicht eingenommen werden. Eine Ausnahme besteht nur für orales Tretinoin in der onkologischen Indikation bei klinischer Dringlichkeit. Frauen im gebärfähigen Alter müssen bei Verordnung der oralen Reti­noide Acitretin, Alitretinoin und lsotretinoin das Schwangerschafts­verhütungsprogramm einhalten. Und auch topische Retinoide sind bei Schwangeren oder Frauen, die eine Schwangerschaft planen, kontraindiziert – als Vorsichtsmaßnahme.

Außerdem sollen die Risiken oraler Retinoid-haltiger Arzneimittel anhand des aktualisierten Schulungsmaterials mit den Patientinnen besprochen werden, bevor sie orales Acitretin, Alitretinoin oder lsotretinoin verschrieben bekommen. Doch auch die Apotheker sieht das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hier in der Pflicht. So umfasst das behörd­lich genehmigte Schulungs­material nicht nur eine Checkliste für Ärzte, sondern auch eine für Apotheker (s. Kasten). Sie ist als Bestandteil des Schwangerschaftsverhütungsprogramms verpflichtender Teil der Zulassung. Außerdem sollen Ärzte und Apotheker sicherstellen, dass so lange, bis alle Packungen die vorgeschriebenen Patientenkarten enthalten, jeder Patient die Karte ausgehändigt bekommt. Fünf Exemplare (pro Wirkstoff) liegen dem Rote-Hand-Brief bei. Weitere können direkt beim Zulassungsinhaber in gedruckter Form angefordert oder von der Firmen-Homepage heruntergeladen werden.

Checkliste für Apotheker

Apotheker dürfen Retinoid-haltige Arzneimittel zur oralen Anwendung mit den Wirkstoffen Acitretin, Alitretinoin oder Isotretinoin an Frauen im gebärfähigen Alter erst abgeben, nachdem sie folgende Informationen überprüft haben:

 

  • Die Höchstmenge je Verschreibung darf den Therapiebedarf für 30 Tage nicht übersteigen.
  • Verschreibungen sind nur bis zu sechs Tage nach dem Tag ihrer Ausstellung gültig.

Alle Patientinnen und Patienten sollten zudem angewiesen werden:

  • Retinoid-haltige Arzneimittel zur oralen Anwendung niemals einer anderen Person zu geben,
  • ungenutzte Kapseln am Ende der Behandlung in der Apotheke abzugeben,
  • während der Therapie mit Alitretinoin oder Isotretinoin zur oralen Anwendung und bis einschließlich einen Monat nach Absetzen des Medi­kaments kein Blut zu spenden, da bei einer schwangeren Empfängerin ein Risiko für den Fötus bestehen würde,
  • während der Therapie mit Acitretin und bis einschließlich drei Jahre nach Absetzen des Medikaments kein Blut zu spenden, da bei einer schwangeren Empfängerin ein Risiko für den Fötus bestehen würde.

Cave Depressionen

Neben der Teratogenität geht es in dem Rote-Hand-Brief um neuropsychiatrische Erkrankungen. So sei in seltenen Fällen über Depressionen oder über durch Depressionen verstärkte Angststörungen und über Stimmungsschwankungen unter der Einnahme oraler Retinoide berichtet worden. Patien­ten, die orale Retinoide einnehmen, sollen deshalb darüber informiert werden, dass sie Veränderungen ihrer Stimmung und/oder des eigenen Verhaltens entwickeln könnten, und sollen, ebenso wie ihre Angehörigen, diesbezüglich aufmerksam sein. Bei Auftreten derartiger Veränderungen sind sie angehalten, mit dem behandelnden Arzt zu sprechen. Darüber hin­aus sind alle mit oralen Retinoiden behandelten Patienten bezüglich etwaiger Anzeichen oder Symptome von Depressionen zu überwachen und gegebenenfalls zu behandeln. Zu besonderer Aufmerksamkeit ist bei Patienten geraten, die in der Vergangenheit bereits unter Depressionen litten. Eindeutig bewiesen sei der Zusammenhang zwischen Einnahme von Retinoiden und psychiatrischen Erkrankungen bislang jedoch noch nicht. |

Literatur

Rote-Hand-Brief zu Retinoiden: Teratogenität und neuropsychiatrische Erkrankungen vom 9. September 2019. www.bfarm.de

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