Pharmazeutische Dienstleistungen

Apotheke im Wandel

Der Weg für honorierte pharmazeutische Dienstleistungen und eine neue Pharmazie wird geebnet

du/jb | Das Perspektivpapier 2030 hat die Marschrichtung vorge­geben: eine patientenorientierte Pharmazie soll das Herzstück des Apothekerberufs werden. Diesen Ball hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn aufgenommen und möchte in seinem Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (Apothekenstärkungsgesetz) den Weg frei machen für honorierte pharmazeutische Dienstleistungen. Sie werden auch Thema auf dem Deutschen Apothekertag sein, der vom 25. bis 27. September 2019 in Düsseldorf stattfindet. Aus diesem Anlass starten wir mit dieser Ausgabe zusammen mit unserem Online-Portal DAZ.online eine Themen­woche „Pharmazeutische Dienstleistungen“.

Für die Honorierung der pharmazeutischen Dienstleistungen ist zunächst nach den Plänen Spahns ein Gesamttopf von rund 150 Millionen Euro plus Umsatzsteuer vorgesehen, der von den Kostenträgern (Gesetzliche Krankenversicherung, private Krankenversicherung und Beihilfe bei Bund, Ländern und Gemeinden) aufgebracht werden soll.

Welche Dienstleistungen aus diesem Topf bezahlt werden sollen und können, ist noch völlig offen. Zum einen werden es sicher Dienstleistungen sein, die die Arzneimitteltherapiesicherheit verbessern. Infrage kommen die Erstellung und Ergänzung des bundeseinheitlichen Medikationsplans, sobald dieser in elektronischer Form etabliert ist. Darüber hinaus könnten auch Medikationsanalysen und ein Medikationsmanagement honoriert werden, aber auch Dienstleistungen, die im Rahmen der Prävention und Früherkennung erbracht werden, so zum Beispiel das Impfen. Ein Blick in europäische Nachbarländer zeigt, was möglich ist (S. 62).

Die Vorstellungen der ABDA

Welche Vorstellungen die ABDA dazu hat, ist in groben Zügen der Stellungnahme zum Referentenentwurf des Apothekenstärkungsgesetzes vom7. Mai 2019 zu entnehmen. Hier wird begrüßt, dass Versicherte künftig einen Rechtsanspruch auf individualisierte pharmazeutische Fürsorge erhalten. Das sei ein wichtiger Schritt, um die Qualität der Arzneimittelversorgung zu verbessern. Dabei wird betont, dass die Entscheidung der Angemessenheit der Maßnahme(n) im konkreten Fall zu treffen sei und allein der heilberuflichen Verantwortung des Apothekers zu überlassen sei. Folgende Leistungen kommen nach den Ausführungen der ABDA unter anderem in Betracht:

  • Reduktion von AMTS-Risiken für definierte Risikokonstellationen (z. B. Patienten mit Multimedikation, bei Anwendung von Hochrisiko-Arzneimitteln oder für multimorbide, immobile Menschen in häuslicher Pflege)
  • Lückenlose Weiterversorgung bei Arzneimitteln, die auf Patientenebene zurückgerufen und ausgetauscht werden müssen
  • Maßnahmen zur Prävention/Früherkennung von Erkrankungen
  • Verbesserung der Umsetzung der Arzneimitteltherapie/verbesserte Zielerreichung der Arzneimittelanwendung bei komplexen (schwierig anzuwendenden oder auch sehr teuren) Arzneimitteln bzw. Darreichungsformen
  • Förderung der Therapietreue bei Dauertherapien
  • Vermehrte Verbreitung und Verwendung von (qualitativ guten) Medikationsplänen
  • Förderung/Sicherstellung der Qualität von Selbstkontrollen zur Begleitung/Anpassung der Arzneimitteltherapie.

Viele offene Fragen

Allerdings wirft die Einführung solcher Dienstleistungen viele Fragen auf: Welche Dienstleistungen lassen sich überhaupt aus dem bisher vorgesehenen Honorartopf bestreiten (s. Beitrag „Wenig Geld – viele Fragen“ S. 54). Darüber hinaus werden solche Dienstleistungen zusätzlich zu den bestehenden Aufgaben erbracht werden müssen und entsprechend personalintensiv sein. Steht dieses Personal überhaupt in ausreichendem Maße zur Verfügung?

Zudem: Wer soll überhaupt welche Dienstleistungen anbieten können? Und welche Weiterbildungs- und Schulungsmaßnahmen sind notwendig?

Wie ist der Stand heute? Sind Apothekerinnen und Apotheker gerüstet für Medikationsanalyse und Medikationsmanagement, speziell für Medikationsanalysen vom Typ 2a, also einer erweiterten Analyse der Gesamtmedikation incl. Patientengespräch? Das wollten wir von unseren Leserinnen und Lesern wissen und haben zu einer DAZ.online-Umfrage aufgerufen.

Jeder Zweite scheint gerüstet

Über 1000 Apothekerinnen und Apotheker haben teilgenommen, knapp 1000 Antworten waren auswertbar. Nahezu die Hälfte (49,64%, n = 409) der Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben kein Problem damit, in Zukunft Medikationsanalysen vom Typ 2a durchzuführen.

Teilgenommen haben Apotheker aus allen Kammerbezirken, die im Schnitt 18 Jahre Berufserfahrung in der öffentlichen Apotheke haben. 60,91 Prozent hatten klinische Pharmazie noch nicht als fünftes Prüfungsfach im zweiten Staatsexamen (n = 550; Anmerkung: unterschiedliche 100-Prozentzahlen ergeben sich dadurch, dass nicht alle Teilnehmer alle Fragen beantwortet haben). 36,43 Prozent haben eine Weiterbildung absolviert (n = 329). Vor allem in Allgemeinpharmazie (n = 204), 30 sind Fachapotheker für Klinische Pharmazie. 60 der Umfrageteilnehmer sind zudem in geriatrischer Pharmazie weitergebildet. Nicht ganz ein Viertel (23,01%) der Umfrageteilnehmer hat an Athina, ApoAMTS oder einem ähnlichen Programm teilgenommen. Unter diesen Apothekern ist die Quote derer, die sich fachlich fit für die Dienstleistungen fühlen, auch deutlich höher. Von den 111 Athina-Apothekern ist das bei 82,88 Prozent (n = 92) der Fall, von den 53 ApoAMTS-Absolventen bei 90,57 Prozent (48). Von den 27 Apothekern, die ein anderes, vergleichbares Programm absolviert haben, fühlen sich 85,19 Prozent vorbereitet, demnächst Medikationsanalysen Typ 2a in der Apotheke durchzuführen. Ganz ohne derartige Qualifikation sind es nur 38,86 Prozent (n = 246), die sich das zutrauen.

Und was leistet die klinische Pharmazie an den Universitäten? Von den 353, die angegeben haben, bereits Klinische Pharmazie als Staatsexamensfach gehabt zu haben, fühlen sich 56,86 Prozent fit, eine Medikationsanalyse Typ 2a durchzuführen. Von den Apothekern ohne Klinische Pharmazie sind es nur 43,9 Prozent. Gab es aber Klinische Pharmazie im Studium und Athina oder Ähnliches, steigt die Quote auf rund 89 Prozent. Athina und Co. sorgen dafür, dass sich 83% gut vorbereitetet fühlen, auch ohne im Studium Klinische Pharmazie absolviert zu haben (Abb.).

Abb. Sind Sie gerüstet? Den Teilnehmern der DAZ.online-Umfrage gibt vor allem die Weiterbildung mit Athina, ApoAMTS und Co. Sicherheit bei der Durchführung einer Medikationsanalyse 2a. Teilnehmer mit Klinischer Pharmazie im Studium fühlen sich etwas besser vorbereitet.

Athina, ApoAMTS und Co. geben Sicherheit

Somit sind es, zumindest bei den Umfrageteilnehmern, vor allem Athina, ApoAMTS und Co., die den Apothekern das Gefühl geben, Medikationsanalysen Typ 2a durchführen zu können. Eine verpflichtende Qualifikation ist wohl bislang nicht geplant, sondern es liegt in der Hand jedes Einzelnen sich entsprechend zu qualifizieren. In welchem Zeitraum das in einem spürbaren Ausmaß gelingen kann, sodass wirklich jede Apotheke diese Dienstleistung anbieten kann, ist schwer zu sagen. Stand Juli 2018 hatten bundesweit mehr als 2000 Teilnehmer die Athina-Schulung durchlaufen, mehr als 1000 Apotheker sind zertifiziert. Zehn Kammern bieten das Programm mittlerweile an. Mit ApoAMTS wurden bislang 1026 AMTS-Manager ausgebildet, 569 Apotheken sind AMTS-qualifiziert. 2018 waren aber etwas über 52.000 Apotheker in über 19.000 deutschen Apotheken beschäftigt.

Blaupause ARMIN

Nach einigen Anlaufschwierigkeiten wurde am 1. April 2014 die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen gestartet. Vertragspartner sind die AOK PLUS Sachsen und Thüringen, die Kassenärztliche Vereinigungen Sachsen (KVS) und Thüringen (KVT), der Sächsische Apothekerverband e. V. (SAV) und der Thüringer Apothekerverband e. V. (ThAV). Basierend auf einer Wirkstoffverordnung und einem Medikationskatalog, der die Wirkstoffe der ersten Wahl und Reservewirkstoffe für versorgungsrelevante Indikationen festlegt, können seit Juli 2016 Medikationsanalysen bzw. ein Medikationsmanagement durch Arzt und Apotheker durchgeführt werden. Gut ein Jahr später sind – laut Auskunft der bei der kassenärztlichen Vereinigung Sachsen angesiedelten ARMIN-Pressestelle – von 559 teilnehmenden Ärzten 309 für das Medikationsmanagement zugelassen, von 959 teilnehmenden Apotheken 328. Insgesamt werden in dem Projekt Armin 5794 Versicherte betreut (Tab.).

Tab: Teilnehmerzahlen für ARMIN
Teilnehmer ARMIN
Teilnehmer Modul 3 (ARMIN-Medikationsmanagement)
Region
Ärzte
Apotheken
Ärzte
Apotheken
Versicherte
Sachsen
257
511
150
181
3715
Thüringen
302
448
159
147
2079
Summe
559
959
309
328
5794

Die Resonanz soll sowohl auf Patienten- als auch auf Ärzte- und Apothekerseite ausnahmslos positiv sein. Erste im wissenschaftlichen Begleitprojekt PRIMA erhobene Daten zeigen, dass Patienten die enge Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker schätzen und diese ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Mit Spannung wird die Evaluation des Gesamtprojekts erwartet. Sie wird jedoch nicht vor 2020 vorliegen.
Laut ARMIN-Pressestelle ist ARMIN ein Erfolgsmodell, das als Blaupause dienen kann. Der Medikationskatalog werde bereits von mehreren KVen umgesetzt, der elektronische Medikationsplan (ARMIN-eMP) werde gemeinsam von Arzt und Apotheker bearbeitet, wobei ein kommunikativer Austausch über eine Kommentarfunktion möglich ist. Betont wird, dass die Therapiehoheit klar beim Arzt liege. Dabei werde die pharmazeutische Kompetenz zugunsten einer verbesserten Arzneimitteltherapiesicherheit einbezogen.
Bevor allerdings ARMIN zum Goldstandard wird, sieht die Pressestelle noch Handlungsbedarf in Sachen technischer Umsetzung. Diese müsse, zumindest im ärztlichen Bereich, einfacher und leichter handhabbar werden. |

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