Kongresse

Von der Grundlagenforschung zum Nobelpreis

Nobelpreisträger Harald zur Hausen adelte die DPhG-Jahrestagung in Heidelberg

HEIDELBERG (du) | „Pharmaceutical research: From basic research to medical application“, das war das Motto der DPhG-Jahrestagung 2019 die vom 1. bis zum 4. September in Heidelberg stattfand. Heidelberg ist auch die Wirkungsstätte des Nobelpreisträgers Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Harald zur Hausen, der zum Abschluss und zur Krönung der Tagung seine neuesten Hypothesen zur Entstehung von Krebs durch den Konsum von Rindfleisch vorstellte.

Traditionsgemäß bietet die Jahres­tagung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) den wissenschaftlichen Disziplinen der Pharmazie die Möglichkeit zum intra- und interdisziplinären Austausch und vielen jungen Nachwuchswissenschaftlern ein Forum zur Vorstellung ihrer Forschungsergebnisse in Poster- und Short-Talk-Formaten. Der amtierende DPhG-Vorsitzende Prof. Dr. Stefan Laufer und Tagungspräsident Prof. Dr. Michael Wink konnten in diesem Jahr rund 450 Teilnehmer begrüßen. Entsprechend dem Motto von der Grundlagenforschung zur Anwendung konnten sich die Tagungsteilnehmer unter anderem zur Vorhersagbarkeit von In-vitro-Tests in der Dermatopharmakologie und -toxikologie informieren, Einblicke in die Weiterentwicklung der Rezeptorpharmakologie und analytischer Methoden gewinnen, Fortschritte in der Gen- und Zelltherapie verfolgen sowie im Bereich der klinischen Pharmazie über Möglichkeiten der Modell-basierten Dosisadaptation diskutieren.

Herausforderung Medikationsprozess

Ist der Schritt von der Grundlagenforschung zur Anwendung getan, dann ergeben sich ganz neue Herausforderungen. Das machte Prof. Dr. Walter E. Haefeli von der Abteilung für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie des Universitätsklinikums Heidelberg in seinem Vortrag „Achievements, persisting challenges and unmet needs in medication safety“ deutlich. Sehr strukturiert erklärte er, wo überall nach der Diagnose Fehlerquellen lauern, die den Erfolg einer medikamentösen Therapie gefährden. Es beginnt bei der korrekten (leit­liniengerechten) Verordnung. Hier geht es nicht nur darum, dass zu viele oder die falschen Medikamente verschrieben werden, auch ein „Zuwenig“ ist zu vermeiden, ebenso sind Interaktionen und Nebenwirkungen zu beachten. Ist die Verordnung korrekt, muss sie auch eingelöst werden, was oft genug nicht geschieht. Wird die Verordnung eingelöst, müssen dem Patienten die richtige Anwendung und Dosierung erklärt werden, und das muss er dann entsprechend umsetzen. Bei jedem dieser Schritte gibt es Fehlerquellen, die die Adhärenz- und Persistenz und damit den Therapieerfolg gefährden können. Ein standardisierter digitalisierter Prozess unter Nutzung elektronischer Entscheidungs­hilfen könnte helfen, solche Fehlerquellen zu minimieren.

Foto: DAZ/du

Nobelpreisträger Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Harald zur Hausen (li.) und Tagungs­präsident Prof. Dr. Michael Wink.

Neue Hypothesen eines Nobelpreisträgers

Höhe- und Schlusspunkt der DPhG-Jahrestagung war der Vortrag des Nobelpreisträgers Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Harald zur Hausen. Im Jahr 2008 hatte er den Nobelpreis für den Nachweis erhalten, dass für die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs humane Papillomviren verantwortlich sind. In seinem Vortrag „Indirect” Mode of Cancer Induction by Infection stellte er wichtige Bakterien und Viren vor, die über chronische Entzündungsprozesse die Entstehung unterschiedlicher Tumoren induzieren können. So zum Beispiel Helicobacter pylori, verantwortlich für Magenkarzinome oder Hepatitis-C-Viren als Auslöser von Lebertumoren. Die Beobachtung, dass weltweit in den Ländern mit hohem Rindfleischkonsum auch die Inzidenz von Colon-Karzinomen und Brustkrebs entsprechend hoch ist, hat die Arbeitsgruppe um zur Hausen und seiner Ehefrau Prof. Ethel-Michele de Villiers veranlasst, nach infektiösen Auslösern zu suchen. Dabei konnten sie kleine einzelsträngige DNA-Ringe aus Fleisch- und Kuhmilchprodukten europäischer Rinder isolieren, sogenannte Bovine Meat and Milk Factors (BMFFs). BMFFs weisen zum einen Charakteristika bakterieller Plasmide auf, zum anderen aber auch DNA-Elemente mit viralen Eigenschaften. Diese sogenannten Plasmidome sollen schon im Säuglingsalter durch Kuhmilch übertragen werden und über Entzündungsprozesse das Tumorwachstum fördern. Da bestimmte in der Muttermilch enthaltene Zucker vor einer BMFF-Infektion schützen können, soll das höchste Infektionsrisiko rund um das Abstillen bestehen. Die Folgen in Form eines Kolonkarzinoms, Brustkrebs und auch weiterer Krebsarten wie eines Prostatakarzinoms sollen erst im Schnitt 40 bis 70 Jahre später sichtbar werden. Das sei für den Prozess der indirekten Karzino­genese, ausgelöst durch eine über Jahrzehnte andauernde Infektion und damit verbundenen chronischen Entzündungen typisch, so zur Hausen. Unterstützt wird die Hypothese zur Hausens durch die Beobachtung, dass die NSAIDs das Risiko unter anderem für Kolonkarzinom und Brustkrebs senken können. Trotzdem rät zur ­Hausen nicht zu einer Prävention mit ASS oder anderen entzündungshemmenden Substanzen. Er geht davon aus, dass das Stillen von Säuglingen über zwölf Monate den besten Schutz vor solchen „Plasmidosen“ bietet. Möglicherweise lässt sich auch die Infektion durch Zusatz der schützenden Zucker aus der Muttermilch zum Beispiel zur Kuhmilchbasierten Flaschennahrung vermeiden.

Foto: DAZ/du

Der noch amtierende DPhG-Präsident Prof. Dr. Stefan Laufer und seine Nachfolgerin Prof. Dr. Dagmar Fischer.

Neuer Vorstand ab 2020

Mit der DPhG-Jahrestagung neigt sich auch die Amtszeit des derzeitigen DPhG-Präsidenten Prof. Dr. Stefan Laufer dem Ende zu. Als Nachfolgerin wurde Ende Juli schon die pharmazeutische Technologin Prof. Dr. Dagmar Fischer, Jena, gewählt. Sie wird ihr Amt zum 1. Januar 2020 antreten. Im Rahmen der während der Jahres­tagung abgehaltenen Mitgliederversammlung wurde dann auch noch turnusgemäß der neue Vorstand für die Amtszeit von Prof. Dr. Fischer gewählt. Sie wird unterstützt von den Vizepräsidenten

  • Prof. Dr. Christa Müller, Bonn (Bereich Hochschule)
  • Nadine Metzger, Tübingen (Bereich Offizin)
  • Dr. Hendrik van Büren, (Bereich Industriepharmazie)
  • Dr. Thomas Maschke (Finanzen) und
  • dem Generalsekretär Prof. Dr. Robert Fürst, Frankfurt. |

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