DAZ aktuell

Apothekenreform im Diskurs

Bundesrats-Gesundheitsausschuss bringt alte und neue Ideen ins Spiel

BERLIN (ks) | Ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel, keine automatisierten Aus­gabefächer für Versandapotheken, Klarstellungen beim Botendienst, angepasste Regelungen zur Versorgung mit Spezialrezepturen, und Mehrfachvergaben bei Rabattverträgen – das sind nur einige der Vorschläge des Gesundheitsausschusses des Bundesrates, wie der Gesetzentwurf zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) nachgebessert werden könnte. Ob der Gesetzgeber sie aufgreift, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Der neuerliche Ruf aus den Ländern nach einem Rx-Versandverbot kommt zu einer Zeit, da selbst die ABDA diese Forderung hinten angestellt hat. Sie will sich lieber Seite an Seite mit Bundesgesundheitsminister Spahn auf die guten Aspekte des Reformpaketes konzentrieren. Doch bei der geplanten Überführung der Rx-Preisbindung in das Sozialgesetzbuch (SGB V) bzw. den Rahmenvertrag sind noch Widerstände zu erwarten. So hatte unter anderem das Bundesjustizministerium Bedenken an seiner rechtlichen Durchsetzbarkeit geäußert, weshalb Spahn eine Abstimmung mit der EU-Kommission versprochen hat, bevor der Gesetzentwurf ins Parlament geht. Dem Vernehmen nach ist er aber noch nicht weit gekommen: In der vergangenen Woche sollen zwar BMG-Vertreter nach Brüssel gereist sein, um über die Apothekenreform zu sprechen. Allerdings steht die Kommission in diesen Tagen vor großen Veränderungen – vergangenen Dienstag hat die neue EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ihre neuen Kommissare vorgestellt. Für die deutsche Apotheken­reform war offenbar noch keine Zeit.

Doch was tun, wenn die EU signalisiert, dass sie die Preisbindung für EU-Versender im Sozialgesetzbuch für genauso europarechtswidrig hält wie im Arzneimittelgesetz? Für die Länderexperten im Gesundheitsausschuss ist das Rx-Versandverbot die Lösung. Sie glauben auch, dass das von Spahn geplante Rx-Boni-Verbot, zumal unter Ausklammerung der PKV-Versicherten und Selbstzahler, juristisch angreifbar ist – wiewohl ihre Empfehlungen für das Bundesratsplenum am 20. September nicht vorsehen, die entsprechende geplante Änderung in § 129 SGB V zu streichen. Offenbar wollen sie zweigleisig fahren: Rx-Boni-Verbot im Sozialrecht plus Rx-Versandverbot. Die Ausschussmitglieder sind aber überzeugt, dass das Versandverbot europa- und verfassungsrechtlich sicherer ist (siehe auch AZ Nr. 37, 2019, Seite 1).

Gemischte Reaktionen

Während die ABDA sich zu den Empfehlungen des Gesundheitsausschusses – speziell jener zum Rx-Versandverbot – bislang nicht geäußert hat, haben andere Verbände reagiert.

Beim Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) hat man erwartungsgemäß keinerlei Verständnis: Es sei unklar, welche Interessen die Gesundheitsminister der Länder verfolgen. Ihre Argumentation folge alten Mustern: Die Preisbindung sei für eine flächendeckende Arzneimittelversorgung von großer Bedeutung – dabei, so der BVDVA, habe der EuGH ­diese These widerlegt. BVDVA-Chef Christian Buse sieht die Probleme an anderer Stelle: „Viele Apotheken leiden unter fehlendem Personal, stetig wachsender Bürokratie, schließenden Arztpraxen und hohen Mieten. Warum setzt die Politik nicht hier an und findet Lösungen? Stattdessen wird um den Arzneimittelversand endlos dis­kutiert.“ Buse ist überzeugt, dass der Versand keine Bedrohung für Vor-Ort-Apotheken ist. Er gehöre zum gesunden Wandel im Rahmen der digitalen Transformation des Gesundheitswesens, den Deutschland sehr dringend brauche.“

Dagegen geht die Kritik des Vereins Freie Apothekerschaft in eine andere Richtung: Die ABDA habe sich von Spahn in eine „Sackgasse“ manövrieren lassen; die Standesvertretung solle das Verbot bei der Politik wieder einfordern. Vereinsvorsitzende Helma Gröschel sieht auch die erfolgreiche Petition von Benedikt Bühler als „weiteres deutliches Zeichen“. „Wenn der bisherige Gesetzentwurf des Ministers nicht geändert wird, muss man wohl annehmen, dass Herr Spahn alles vorbereiten will, damit deutlich mehr rezeptpflichtige Arzneimittel als bereits jetzt durch ausländische – insbesondere durch holländische – Logistiker nach Deutschland geliefert werden.“

Was der Gesundheitsausschuss sonst noch empfiehlt

Doch der Gesundheitsausschuss will nicht nur das Rx-Versandverbot. Er will die geplante Reform auch an anderen Punkten nachjustieren. Einfluss haben die Länder vor allem auf die Änderungsverordnung zur Arzneimittelpreisverordnung und Apotheken­betriebsordnung. Dieser müssen sie nämlich zustimmen – ein weiterer Durchgang im Bundestag ist nicht erforderlich. Hier empfiehlt der Ausschuss einige kleinere Klarstellungen, die vermutlich nicht zu Kontroversen führen werden – so soll z. B. präzisiert werden, wann der Botendienst durch pharmazeutisches Personal erfolgen muss. Außerdem bittet der Ausschuss den Bundesrat eine Prüfbitte an das Bundeswirtschaftsministerium zu beschließen, ob die Vergütung des vollversorgenden Großhandels noch ausreichend ist, um dauerhaft die bedarfsgerechte Belieferung der deutschen Apotheken zu gewährleisten.

Das VOASG ist dagegen nicht zustimmungspflichtig – die Wirkkraft der Länder daher begrenzt. Doch an Ideen für Verbesserungen mangelt es den Ausschussmitgliedern nicht. Unter anderem wollen sie die Ausnahmeregelung für Versandapotheken zum Betreiben automatisierter Ausgabestationen für Arzneimittel streichen – solche Stationen sollen (unter weiteren Voraussetzungen) nur möglich sein, wenn sie direkt mit der Apotheke verbunden sind.  

Ferner haben sie Themen aufgegriffen, die bisher nicht auf der Agenda standen. Es geht um die Versorgung mit Spezialrezepturen, die Taxierung von Rezepturarzneimitteln, die aus mehreren applikationsfertigen Einheiten bestehen, und um die Einschränkung der Defekturtätigkeit. So sollen etwa die Regelungen zur Versorgung mit Schmerzpumpen und anderen parenteralen Zubereitungen besser an die praktischen Anforderungen angepasst werden: Apotheken soll erlaubt werden, alle Zubereitungen zur parenteralen Anwendung an andere Apotheken abzugeben. Bisher gilt diese Ausnahme nur für anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen.

Zudem wird empfohlen, dass Apotheken Opioide in Fertigarzneimitteln zur transdermalen oder transmucosalen Anwendung auch von anderen Apotheken beziehen können. Beide Empfehlungen gehören inhaltlich zusammen und entsprechen weitgehend einem Antrag der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg zum anstehenden Deutschen Apothekertag.

Nun ist aber zunächst das Bundesratsplenum gefragt: Es wird am 20. September entscheiden, ob bzw. welchen Empfehlungen des Ausschusses es folgt. |

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