DAZ aktuell

Wunderwaffe Wirkstoffverordnung

Wie man dem Preisanker aus dem Weg geht

eda/jb | Der neue Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung ist seit Juli scharfgestellt. Mit ihm sind in den Apotheken viele Fragen, aber auch der ein oder andere Frust und Ärger entstanden. Mehr Dokumentationen und Rücksprachen bei den Ärzten sind nötig. Viele Apotheker beklagen, dass die Versorgung der Patienten vor allem im Generika­bereich kompliziert geworden ist. Neben den Lieferengpässen spielt hierbei auch der sogenannte Preisanker eine Rolle. Einige Kassenärztliche Vereinigungen raten deshalb ihren Mitgliedern dazu, Wirkstoffe zu verordnen, um die Rückfragen aus den Apotheken zu begrenzen. Wirkstoffverordnungen könnten tatsächlich die Lösung sein, wenn man einige Ausnahmefälle nicht aus den Augen verliert.

Ärzte müssen Arzneimittel ausreichend, zweckmäßig und – heutzutage wichtiger denn je – wirtschaftlich verordnen. Natürlich sticht ein Rabattvertrag immer alles, wenn der Arzt kein Aut-idem-Kreuz setzt. Doch auch das ursprünglich verordnete Generikum hat seine Bedeutung, weil es den sogenannten Preisanker bestimmt. Denn wenn ein rabattbegünstigtes Arzneimittel nicht lieferbar sein sollte, wird zunächst geprüft, ob eines der vier preisgünstigsten Arzneimittel abgegeben werden kann. Sollten auch diese nicht lieferbar sein, arbeitet man sich weiter „hoch“ bis zum namentlich verordneten Präparat, dem sogenannten Preisanker.

Doch der schönen Theorie folgt die bittere Praxis: Das ärztlich verordnete Arzneimittel, also der Preisanker, befindet sich meistens schon im sehr günstigen Generikabereich – was die Auswahl in der Apotheke deutlich einschränkt. Je billiger das verordnete Präparat ist, je „tiefer“ der ärztliche Preisanker also hängt, desto schwie­riger bis unmöglich ist es für die Apotheke eine Alternative zum nichtlieferbaren Rabattarzneimittel zu finden. Alles, was teurer ist als der Preisanker – auch, wenn es meistens nur um ein paar Cent geht – muss mit der Arztpraxis abgeklärt und dokumentiert werden.

Was tun, wenn man nicht gerade eine Generalvollmacht der jeweiligen Arztpraxis hat – was wohl eher der Regelfall sein dürfte? Die „Wunderwaffe“ heißt Wirkstoffverordnung. Einige Kassenärztliche Vereinigungen haben ihren Mitgliedern mittlerweile auch dazu geraten. Da gibt es nämlich keinen Preisanker. Wie geht man also in der Apotheke vor, wenn man eine Wirkstoffverordnung vorgelegt bekommt?

1. Rabattvertrag prüfen und rabatt­begünstigtes Arzneimittel abgeben.

2. Wenn rabattbegünstigtes Arzneimittel nicht verfügbar (oder kein Rabattvertrag), eines der vier preisgünstigsten Arzneimittel abgeben.

3. Wenn alle vier preisgünstigsten Arzneimittel nicht verfügbar, die Treppe von billig nach teuer weiter nach oben klettern, bis ein Präparat zur Auswahl steht, das verfügbar ist. Eine Rücksprache mit dem Verordner ist im Fall der Wirkstoffverordnung nicht erforderlich, weil kein Preisanker vorgegeben wurde.

Auf dem Rezept wird dieser Vorgang per Sonderkennzeichen dokumentiert:

  • eine „2“ bei Abgabe eines der vier preisgünstigsten Arzneimittel, wenn das rabattbegünstigte Arzneimittel nicht verfügbar ist.
  • eine „3“ bei Abgabe eines nächstgünstigen Arzneimittels, wenn die vier preisgünstigsten Arzneimittel nicht verfügbar sind und kein Rabattvertrag existiert.
  • eine „4“ bei Abgabe eines nächstgünstigen Arzneimittels, wenn die vier preisgünstigsten Arzneimittel und das rabattbegünstigte Arzneimittel nicht verfügbar sind.

Sonderkennzeichen und unklare Wirkstoffverordnungen

Problematisch bis ausgeschlossen ist dieses Vorgehen, wenn Wirkstoffverordnungen nicht eindeutig sind. Das ist zum Beispiel der Fall bei Wirkstoffen der Substitutionsausschlussliste, dann handelt es sich immer um eine unklare Verordnung. Dasselbe gilt für Biologicals, denn Biosimilars sind meist nicht bioidentisch mit dem Original. Aufpassen sollte man auch, wenn Präparate mit denselben Wirkstoffen für unterschiedliche Indikationen zugelassen sind.

Auch verschiedene Salze, Ester und Derivate eines Wirkstoffes können die Auswahl erschweren bis unmöglich machen. Nicht zuletzt spielt auch die Adhärenz eine Rolle. Eine reine Wirkstoffverordnung erschwert die Kommunikation mit den Patienten, wenn es darum geht zu erfahren, welches Präparat bekannt ist.

In diesen Fällen und bei Zweifeln muss also auch bei Wirkstoffverordnungen mit dem Arzt Rücksprache gehalten werden. |

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