E-Rezept

Eine Zwischenbilanz zum E-Rezept

Sieben Fragen und Antworten zur elektronischen Verordnung

bro | Um zu verstehen, wie der aktuelle technische Stand beim Aufbau der digitalen Infrastruktur rund um das E-Rezept ist, muss man sich zunächst das Prinzip vor Augen führen: Wie funktionieren elektronische Verordnungen eigentlich? Wo befinden wir uns derzeit auf dem Weg der Einführung und was muss noch passieren, damit E-Rezepte bald flächendeckend verfügbar sind?

Ärzte werden künftig in ihrer Praxis-Software die Auswahlmöglichkeit haben, ob sie ein Rezept ausdrucken oder digital erzeugen. Entscheiden sie sich für die digitale Variante, wird das E-Rezept auf einem Server verschlüsselt gespeichert. Gleichzeitig erhält auch der Patient ein Zugriffsrecht auf das E-Rezept, es wird ein Zugriffscode bzw. Schlüssel erstellt (zum Beispiel ein 2D-Code), mit dem nur der Patient selbst auf seine Verordnung zugreifen kann. Diesen Code benötigt der Patient, um die Apotheke seiner Wahl zu befähigen (beispielsweise mittels einer Handy-App), auf dieses digitale Rezept zuzugreifen.

Der Apotheker benutzt den vom Patienten mitgebrachten Schlüssel (oder scannt den 2D-Code), sieht die Verordnung dann in der Apothekensoftware und kann das passende Arzneimittel beliefern. Auf dem Server ändert sich der Status des E-Rezeptes, es gilt als beliefert. Die Apotheke übermittelt die Verordnung digital an das Rechenzentrum, von da aus gelangt es weiter zur Krankenkasse.

Foto: imago images/Jochen Tack

Damit dieses einfache Schema auch reibungslos funktionieren kann, sind jedoch eine Vielzahl von Vorbereitungen zu treffen - sowohl aufseiten der politischen Entscheider, als auch bei den Standesorganisationen sowie in allen einzelnen Betrieben. Im Folgenden haben wir die wichtigsten Fakten in sieben Fragen und Antworten zusammengefasst:

1. Welche technischen Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit E-Rezepte verschickt werden können?
Damit E-Rezepte sicher und verschlüsselt von der Arztpraxis über den Server zum Patienten und dann in die Apotheke gelangen können, ist neben dem Rezeptserver eine Datenautobahn nötig. Diese wird seit Jahren – auch für andere Anwendungen – aufgebaut und nennt sich „Telematikinfrastruktur“. Noch vor dem E-Rezept sollen Ärzte und Apotheker in diesem Jahr anfangen, innerhalb dieser Infrastruktur E-Medikationspläne auszutauschen. Für den Aufbau dieser „TI“ ist die Gesellschaft für Telematikanwendungen (Gematik) zuständig, in der neben den Leistungserbringern (Apotheker, Ärzte etc.) auch das Bundesgesundheitsministerium und die Krankenkassen sitzen. Innerhalb der Gematik gibt es ein­zelne Fachprojekte, die Apotheker sind für das Projekt „E-Rezept“ federführend zuständig. Die Ärzte mussten diese Struktur schon vor den Apothekern auf ihrer Seite aufbauen und sich vernetzen – was ihnen nur einigermaßen gut gelang, denn etwa ein Drittel der Praxen hat die Frist zur Anbindung an die TI verstreichen lassen. Mit dem Digitale Versorgung-Gesetz (DVG) will die Bundesregierung für die Apotheker nun auch eine Frist zur Anbindung etablieren: Bis Ende September 2020 sollen demnach alle Apotheken an die Infrastruktur angebunden sein.

2. Was genau benötigen die Apotheker, um sich an die TI anzubinden? 
In der Offizin müssen für die Anbindung mehrere neue Geräte installiert werden. Außerdem gibt es neue Zugangskarten. Hier ein Überblick:

  • 1. Die Apotheker brauchen einen sogenannten Konnektor, um sich technisch ans Netz anzubinden. Der Konnektor ist das Verbindungs­gerät, also ein Router, in der Tele­matikinfrastruktur.
  • 2. Zur persönlichen Identifizierung brauchen die Apotheker einen elektronischen Heilberufsausweis (HBA), mit dem sie sich als Heilberufler im Netzwerk identifizieren. Die Apotheker brauchen ihn, um Zugang zu Anwendungen zu erhalten, in denen Patientendaten eine Rolle spielen – wie etwa der E-Medikationsplan. Die Landesapothekerkammern ver­teilen die HBAs an die einzelnen Apotheker.
  • 3. Damit jede Apotheke als Institution an das digitale Netz angeschlossen werden kann, benötigt der Inhaber eine sogenannte Institutionen­karte, auch „SMC-B-Karte“ genannt. Diese Karte ist notwendig, um die Apotheke über den Konnektor beim TI-Netz anzumelden. Auch diese Karten werden von den Kammern ausgegeben.
  • 4. Außerdem benötigen die Apo­theken neue Kartenlesegeräte, in die der HBA, die SMC-B-Karte, aber auch die elektronische Gesundheitskarte (eGK) der Patienten eingesteckt werden können.

3. Welche Hürden müssen noch überwunden werden, dass alle Apotheken bis Ende September 2020 an die TI angebunden sind?
Bislang ist noch keine einzige Apo­theke an dieses System angeschlossen, auch die Hardware und die Karten sind noch nicht „verteilt“. Die Herausforderungen lassen sich folgender­maßen einteilen:

  • 1. Modellprojekt. Ende dieses Jahres oder Anfang des kommenden Jahres soll die TI-Kommunikation zwischen Ärzten und Apothekern in Westfalen-Lippe in einem Modellprojekt getestet werden. 75 Ärzte und 15 Apotheken werden voraussichtlich teilnehmen. Die Heilberufler sollen bis dahin mit allen nötigen Geräten und Karten ausgestattet werden. Getestet wird dort allerdings nicht das E-Rezept, sondern zunächst der E-Medikationsplan, der noch vor dem E-Rezept als Pflicht­anwendung der elektronischen Gesundheitskarte flächendeckend ausgerollt werden soll. Anschließend muss dieses Projekt auch noch evaluiert werden. Es zeigt sich aber schon bei diesem Projekt, das es bislang nur einige wenige Hersteller gibt, die die benötigte Hardware herstellen. Ob diese Hersteller rechtzeitig zum Projektstart ein Gerät fertigstellen, ist derzeit noch offen.
  • 2. Das Problem mit den Konnektoren. Apotheken erhalten schon jetzt mehrfach Angebote von Softwarehäusern, die ihnen einen rabattierten Anschluss an die TI samt Einrichtung des Konnektors und der Software empfehlen. In den Verbänden sieht man das allerdings skeptisch: Denn einerseits ist die TI noch gar nicht so weit, dass man schon jetzt fertige Lösungen verkaufen könnte. Und andererseits gibt es im Markt derzeit schlichtweg noch keine sogenannten E-Health-Konnektoren, die zur TI-Anbindung in den Apotheken benötigt werden. Und das ist auch schon das größte Problem: Hört man sich im Apothekerlager um, ist derzeit die größte Sorge, dass die Hardware-Hersteller noch keinen geeigneten Konnektor auf den Markt gestellt haben, der den Anforderungen der Apotheken-Anbindung gerecht wird. Es soll zwar drei Anbieter geben. Die vertreiben derzeit offenbar aber ein Modell, das in der aktuellen Variante nicht von den Kassen refinanziert wird. Allerdings erklären die Hersteller sowie der GKV-Spitzenverband, dass diese Konnektoren durch ein Update ge­eignet und auch förderfähig sind.
  • 3. Der HBA. Auch die Heilberufsausweise sind noch längst nicht an die Apotheker verteilt. Dem Vernehmen nach haben die Kammern – zumindest in Einzelfällen – auch hier Probleme, den passenden Hersteller zu finden, da es nur wenige Unternehmen gibt, die solche Leistungen anbieten.

4. Welche Verträge und Gesetze müssen noch geändert werden, damit das E-Rezept kommen kann?
Derzeit ist das Papierrezept noch in einigen Verträgen als einzige Verordnungs- und Abrechnungsform festgelegt. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV), das kürzlich in Kraft getreten ist, dafür gesorgt, dass diese Verträge geändert werden. Einerseits sollen die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband die nötigen Veränderungen im Bundesmantelvertrag der Ärzte vornehmen. Für die Apotheker relevant sind aber die notwendigen Änderungen am Rahmenvertrag, den der GKV-SV und der Deutsche Apothekerverband aushandeln. Laut GSAV haben Kassen und Apotheker sieben Monate Verhandlungszeit, sie müssen die Verträge also bis Mitte Februar 2020 geändert haben.

DAZ.online hat dem E-Rezept aktuell eine eigene Themenwoche gewidmet. Alle Artikel, Interviews, Analysen und Kommentare finden Sie unter www.deutsche-apotheker-zeitung.de. Geben Sie einfach den Webcode D9RJ9 in das Suchfeld oben rechts ein.

5. Werden die Apotheker bei diesen Anschaffungen finanziell unterstützt?
Ja. Apotheker und Kassen wurden gesetzlich dazu aufgefordert, eine „Vereinbarung zum Ausgleich der erforderlichen erstmaligen Ausstattungskosten, die den Apothekeninhabern in der Festlegungs-, Erprobungs- und Einführungsphase der Telematikinfrastruktur sowie der Kosten, die den Apothekeninhabern im laufenden Betrieb der Telematikinfrastruktur entstehen“ zu treffen. Diese Vereinbarung steht seit einigen Monaten. Konkret sollen die Apothekeninhaber eine einmalige Ausstattungs- und Einrichtungspauschale für die für die TI-Anbindung nötige Hardware erhalten. Hinzu kommen regelmäßige Pauschalen für den Betrieb. Ob diese Pauschalen letztendlich auch die tatsächlichen Kosten der Apotheker für die Hardware decken, ist allerdings noch unklar, da noch keine passenden Geräte auf dem Markt sind.

6. Welche Erfahrungen werden mit dem E-Rezept schon heute gesammelt?
Es gibt aktuell drei Modellprojekte, in denen das E-Rezept schon angewendet wird bzw. demnächst angewendet werden soll. In diesen Projekten wurden unabhängig von der TI eigene Strukturen geschaffen, in denen digital verordnet wird. Schon 2017 startete die Online-Praxis Teleclinic gemeinsam mit apotheken.de, dem Apotheken-Dienstleister des Deutschen Apotheker Verlages, ein erstes Projekt im PKV-Bereich. Die baden-württembergischen Ärzte hatten zuvor als erste Ärztekammer das Fernbehandlungsverbot auf­gehoben, Teleclinic und apotheken.de reagierten und starteten das Versorgungsmodell. Anfang des Jahres startete dann die Techniker Krankenkasse in einem Hamburger Bezirk das erste E-Rezept-Modell im GKV-Bereich. Beteiligt sind bislang nur eine Praxis und eine Apotheke, allerdings hat sich mit der HEK kürzlich eine weitere Kasse angeschlossen. Das wohl größte Modellprojekt im GKV-Bereich soll in diesem Herbst allerdings unter dem Namen „GERDA“ in Baden-Württemberg starten. Beteiligt sind die Online-Praxis DocDirekt der KV Baden-Württemberg, mehrere Krankenkassen, die Apothekerkammer und der -verband sowie erneut die Teleclinic, die die Technik auf der Ärzteseite aufbaut. Das Projekt soll zunächst in den beiden Regionen Stuttgart und Tuttlingen starten, dann aber landesweit ausgerollt werden. Zudem hat auch der EU-Versender DocMorris angekündigt, eine eigene E-Rezept-Lösung zu ent­wickeln, gemeinsam mit dem Spitzenverband der Fachärzte (SpiFa).

7. Welche Rolle spielen diese Modellprojekte für die bundesweite E-Rezeptlösung?
Insbesondere die beim GERDA-Projekt gesammelten Erfahrungen können für den Aufbau der bundesweiten E-Rezept-Struktur, die in der Gematik geplant wird, noch wichtig werden. Denn hier sitzen bereits alle wichtigen Player (Ärzte, Apotheker, Software­häuser, Rechenzentren, Kranken­kassen, etc.) zusammen und klären wichtige Grundsatzfragen: Wie muss der Rezeptserver aufgebaut sein? Wie funktionieren die Schnittstellen zwischen Praxen und dem Server, und dem Server und den Apotheken auf der anderen Seite? Und was passiert bei Sonderfällen im Verordnungsprozess? Viele dieser Erkenntnisse dürften in der Gematik genau betrachtet werden, wenn es darum geht, eine bundesweit verwendbare Infrastruktur für das E-Rezept aufzubauen. |


„Das Makelverbot muss auch für Dritte gelten“

ABDA-IT-Experte Dr. Peter Froese weist auf mögliche Schwachstellen hin

tmb/eda | Schon Securpharm zeigt den Apothekern, dass große Projekte große Anstrengungen erfordern. Neben den technischen Aspekten sind es vor allem die praktischen Abläufe in der Apotheke, die sich verändern oder sogar grundlegend infrage gestellt werden. Dr. Peter Froese ist Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein und gilt in der ABDA als Experte für IT und Telematik. Im Interview zur E-Rezept-Themenwoche auf DAZ.online weist er gleich zu Beginn darauf hin, dass der Gesetzgeber für die flächendeckende Einführung der elektronischen Verordnungen zwei wichtige Entscheidungen getroffen hat: „Zum Ersten hat er das Verhandlungsmandat für die Verträge zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem DAV einerseits sowie der KBV andererseits definiert. Zum Zweiten hat er die KBV beauftragt, die technischen Beschreibungen auf der Arztseite zu erstellen. Außerdem wurden die Apotheken verpflichtet, die von der GKV refinanzierten technischen Instrumente E-Health-Konnektor und Heilberufeausweis bis September 2020 zu beschaffen.“ Damit sei der Weg frei für das E-Rezept. Eine weitere, vor allem für die Apotheker wichtige Voraussetzung ist die „Makelfreiheit“ für das E-Rezept. Sie garantiert, dass die Patienten nach wie vor die freie Apothekenwahl haben. Das Makelverbot sei gesetzgeberisch zwar „unterwegs“, sagt Froese, aber: „Hier gibt es noch dringenden Nachbesserungsbedarf. Das Makelverbot muss auch für Dritte gelten, nicht nur für die Beteiligten des Systems“, macht er deutlich.

Dr. Peter Froese

Wie können sich die Apotheken darüber hinaus positionieren, um ihre Vorteile beim Standort und bei der persönlichen Beratung im Hinblick auf das E-Rezept auch künftig deutlich zu machen? Darauf gibt der IT-Experte eine klare und eindeutige Antwort: „Der wesentliche Wert der Apotheke für die Menschen liegt in unserer Fähigkeit, für jeden Einzelnen all die komplizierten und gefährlichen Dinge zu entschärfen, die rund um die Arzneimittelbehandlung lauern. Für uns sind digitale Instrumente willkommene Hilfsmittel in unserer beratenden Hand. Um es noch deutlicher zu sagen: Den Menschen nützt es gar nichts, sich von ‚Dr. Google‘ verwirrt, von den Daten der neuesten Smartwatch irritiert und von den ungefilterten Ratschlägen aus digitalen Foren endgültig kopflos in das Abenteuer ‚Ich mache meine Arzneitherapie mal selber 2.0‘ zu stürzen.“ Froese appelliert, die Menschlichkeit in diesem digitalen Segment zu stärken. Er könnte sich sogar vorstellen, dass Apothekerinnen und Apotheker irgendwann einmal zu medizinisch-pharmazeu­tische Anwendungen aktiv beraten: „Warum sollen wir nicht nützliche und sichere, geprüfte und sinnvolle digitale Anwendungen durch den Heilberuf Apotheker unterstützt den Menschen nahebringen?“

Bei allem digitalen Wandel ist sich Dr. Peter Froese auch sicher, dass das „gute“ alte Papierrezept noch längst nicht von der Bildfläche verschwinden wird, sondern einen „Fall-Back“-Mechanismus darstellt, wenn die Telematik mal ausfallen sollte. Eine Situation, die mit den Erfahrungen aus Securpharm vielleicht gar nicht so unwahrscheinlich sein wird.

Das Interview mit Dr. Peter Froese „Apothekenalltag mit dem E-Rezept“, geführt von Dr. Thomas Müller-Bohn, ist im Rahmen der DAZ.online-Themenwoche E-Rezept erschienen.

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