Arzneimittel und Therapie

Aromatasehemmer überraschen

Frakturrisiko im Alltag geringer als vermutet

Bislang ging man davon aus, dass Aromatasehemmer langfristig das Risiko für Osteoporose und Frakturen erhöhen. Doch neuen Studienergebnissen zufolge müssen sich Brustkrebspatientinnen womöglich weniger Sorgen um ihre Knochen machen als befürchtet.

Brustkrebs zählt nach wie vor zu den häufigsten Krebsentitäten bei Frauen. Die Zahl der Neuerkrankungen liegt in Deutschland bei rund 70.000 Fällen pro Jahr, Tendenz steigend. In der endokrinen Brustkrebstherapie gehören Aromatasehemmer seit einigen Jahren zur Standardtherapie. Sie werden bevorzugt in der Sequenz mit Tamoxifen angewendet. Die aktuell verfügbaren Vertreter dieser Substanzklasse sind für die Behandlung postmenopausaler Frauen mit Estrogen-Hormonrezeptorsensitivem Mammakarzinom zugelassen (ca. 80 bis 85% der Fälle). Letrozol, Anastrozol und Exemestan bewirken durch die Hemmung des Enzyms Aromatase eine Verminderung der Estrogen-Synthese im Muskel- und Fettgewebe. Bei strenger Indikation können Aromatasehemmer auch bei prämenopausalen Patientinnen in Kombination mit einer ovariellen Suppression angewendet werden.

Typische Nebenwirkung: Verlust der Knochendichte

Für die Substanzen ist jedoch eine typische Nebenwirkung beschrieben: In klinischen Studien verursachten Aromatasehemmer einen Verlust der Knochenmineraldichte und erhöhten so das Osteoporose- und Frakturrisiko. Die S3-Leitlinie empfiehlt daher eine regelmäßige Kontrolle der Knochendichte vor und während der Therapie. Nun scheinen die Beobachtungen in klinischen Studien, von denen in der klinischen Praxis abzuweichen: Wissenschaftler der Universität in Manitoba haben mithilfe eines großen bevölkerungsbasierten Knochendichte-Registers das Frakturrisiko für Patientinnen unter Aromatasehemmern neu untersucht. Sie kommen zu einem unerwarteten Ergebnis.

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Die Knochendichte sollte unter Aromatasehemmern regelmäßig kontrolliert werden.

Risiko nicht erhöht

In der kanadischen Provinz Manitoba untersuchten die Forscher die Frakturhäufigkeit bei Frauen ab 40 Jahren anhand eines klinischen Registers. Daten zum Arzneimittelgebrauch lieferte das örtliche Apothekensystem. Die Studienpopulation umfasste insgesamt 36.996 Frauen. Darunter waren 1775 Brustkrebspatientinnen, die eine Aromatasehemmer-Therapie erhielten, 1016 Patientinnen mit Brustkrebs aber ohne Aromatasehemmer-Therapie und 34.205 gesunde Frauen aus der Allgemeinbevölkerung. Alle Teilnehmerinnen waren zu Studienbeginn ungefähr gleich alt, im Schnitt 65 Jahre. Signifikante Unterschiede gab es zwischen den drei Gruppen beispielsweise im Body-Mass-Index (BMI) und der Knochendichte. Insbesondere hatten Frauen unter Aromatasehemmern einen signifikant höheren BMI (28,8 ± 5,9 kg/m2) als Frauen aus der Allgemeinbevölkerung (27,6 ± 6,3 kg/m2) und Frauen mit Brustkrebs ohne Aromatasehemmer-Therapie (27,3 ± 5,4 kg/m2). Nach Berücksichtigung aller Kovariablen fand sich kein signifikant erhöhtes Risiko für schwere osteoporotische Frakturen (Hazard Ratio [HR] 1,15; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,93 bis 1,42), Hüftfrakturen (HR 0,90; 95%-KI 0,56 bis 1,43) oder jedwede andere Frakturart (HR 1,06; 95%-KI 0,88 bis 1,28) im Vergleich zur allgemeinen weiblichen Bevölkerung.

Für die Praxis könnte dies bedeuten, dass die negativen Effekte der Aro­matasehemmer bei Frauen mit einem höheren BMI, einer höhere Knochenmineraldichte und wenigen vorangegangene Frakturen möglicherweise kompensiert werden. Die Ergebnisse aus Kanada müssen jedoch in weiteren Studien genauer untersucht und untermauert werden. Auch sind die zugrundeliegenden Mechanismen noch nicht ausreichend beschrieben. Dennoch werfen diese neuen Erkenntnisse die Frage auf, ob das Frakturrisiko durch eine Therapie mit einem Aromatasehemmer tatsächlich so stark ansteigt, wie bisher angenommen. |

Literatur

Leslie WD et al. Fracture Risk in Women with Breast Cancer Initiating Aromatase Inhibitor Therapy: A Registry-Based Cohort Study. Oncologist 2019; doi:10.1634/theoncologist.2019-0149

Apothekerin Dorothée Malonga Makosi, MPH

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