Arzneimittel und Therapie

„Wir werden es noch erleben!“: Eine Einschätzung von Geriater Prof. Dr. Richard Dodel

Univ.-Prof. Dr. Richard Dodel, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Lehrstuhl für Geriatrie, Universität Duisburg-Essen, Geriatriezentrum Haus Berger, Contilia Group

DAZ: Herr Professor Dodel, ein neuer Bluttest auf Alzheimer hat in den letzten Tagen für Schlagzeilen gesorgt. Was ist von dieser Methode zu halten?

Dodel: Solche diagnostischen Bluttests sind derzeit ein „heißes Topic“ in der Alzheimer-Forschung. Die nun vorgestellte Methode ist eine Erweiterung bisher entwickelter Verfahren. Neu ist, dass β-Amyloid-Plasmaspiegel mit Ablagerungen im Amyloid-PET-Scan korreliert wurden. Dabei sahen die Forscher einen deutlichen Zusammenhang. Obwohl die Studie gut gemacht ist, benötigen wir jedoch noch mehr Daten. Um sicher sagen zu können, wie gut die Vorhersagekraft des Tests tatsächlich ist, sind weitere Untersuchungen und größere Fallzahlen nötig.

DAZ: Wann könnte solch ein Bluttest in der Praxis verfügbar sein?

Dodel: Die Methode ist derzeit noch recht aufwändig und wird bestimmt nicht morgen in jedem Krankenhaus eingesetzt werden. Momentan ist sie nur für die Forschung und für Spezialzentren interessant. Allerdings wird mit Hochdruck an der Weiterentwicklung gearbeitet, so dass bereits Ende 2020 solch ein Test für Praxen erwartet wird. Mit solchen Prognosen muss man aber etwas vorsichtig sein, vermutlich wird es länger dauern. Doch wir werden es bestimmt noch erleben!

DAZ: Wie sinnvoll ist so ein Test? Eine kausale Therapie, die die Alzheimer-Erkrankung aufhalten könnte, gibt es derzeit schließlich nicht.

Dodel: Hier sind zwei Aspekte zu berücksichtigen, der diagnostische und der therapeutische. Wenn wir einen Test hätten, der mit einer hohen Validität ermöglicht, aus dem Blut heraus zu bestimmen, ob eine Alzheimer-Demenz vorliegt oder nicht, wäre das für die Diagnose schon einmal ein Wert an sich. Die Frage ist jedoch, ob das Ergebnis eine Stratifizierung für eine Therapie darstellt. Im Moment ist das nicht der Fall. Unklar ist, wie man mit Patienten verfahren sollte, die aufgrund der klinischen Symptomatik üblicherweise mit Acetylcholin­esterase-Hemmern behandelt werden, bei denen der Bluttest jedoch negativ ausfällt. In den klinischen Zulassungsstudien wurde diese Frage nicht untersucht. Ob der Test auch zur Identifizierung von Risikopatienten nützlich sein könnte, bei denen die Erkrankung möglicherweise irgendwann ausbricht, hängt davon ab, ob eine präventive Therapie verfügbar sein wird. Denn dann wäre es wichtig, eine Erkrankung so früh wie möglich festzustellen, um so früh wie möglich mit der Therapie einsteigen zu können. Aber im Moment haben wir so eine Therapie noch nicht.

DAZ: Wie sieht es denn aktuell mit den Entwicklungen in der Forschung aus? Welche Ansätze sind vielversprechend?

Dodel: Der vielversprechendste Ansatz ist derzeit sicherlich eine multimodale Therapie. Das heißt: Gefäß­risikofaktoren kontrollieren, sportliche Aktivität, kognitive Aktivität, gesunde Ernährung (Stichwort „mediterrane Diät“). Durch diese Maßnahmen können bereits jetzt gute Effekte erzielt werden. Anders sieht es bei den medikamentösen Therapien aus. Zahlreiche Entwicklungsprogramme, die neue Strate­gien untersuchten, wurden gestoppt. Dies betrifft beispielsweise die Klasse der Beta-Sekretase(BACE)-Inhibitoren und die Antikörper-basierten Ansätze. Im klinischen Stadium der Demenz sind somit alle Ansätze gescheitert, die wir kennen. Was eine mögliche Therapie im vorklinischen Stadium im Sinne einer Prävention anbelangt, so heißt es derzeit noch abwarten. Hier laufen unter anderem klinische Studien mit Antikörpern (z. B. Gantenerumab, Solanezumab).

DAZ: Herr Professor Dodel, wir danken Ihnen für das Gespräch!



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