Arzneimittel und Therapie

Bluttest weist frühzeitig auf Alzheimer hin

β-Amyloid-Spiegel dienen als Risikomarker

cst | Ein einfacher Bluttest, mit dem sich eine Alzheimer-Erkrankung noch vor Ausbruch der Symptome diagnostizieren lässt? Das klingt vielversprechend. Doch krankheitsmodifizierende Therapien gibt es nicht. So bleiben die Einsatz­möglichkeiten eines solchen Tests zunächst wohl auf die klinische Forschung beschränkt.

Demenzerkrankungen sind im höheren Lebensalter häufig: In Deutschland sind schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen vom fortschreitenden Verlust ihrer kognitiven Fähigkeiten betroffen. In 50 bis 70% der Fälle handelt es sich dabei um eine Alzheimer-Demenz. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist mit einer Zunahme der Prävalenz zu rechnen.

Die Alzheimer-Erkrankung verläuft schleichend. Treten anfangs nur leichte Defizite im Erinnerungsvermögen, der Konzentration oder der Orientierung auf, so kommt es nach und nach zu immer größeren Problemen bei der Bewältigung des Alltags. Zuletzt sind die betroffenen Patienten vollständig auf fremde Hilfe angewiesen. Aufhalten lässt sich die Erkrankung bislang nicht. Die zur Verfügung stehenden Arzneimittel (z. B. Acetylcholinester­ase-Hemmer, Memantin) lindern lediglich die Symptome.

Doch schon lange bevor sich die Erkrankung klinisch manifestiert, kommt es zu pathologischen Veränderungen im Gehirn. Typisch für die Alzheimer-Demenz sind Ablagerungen sogenannter β-Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen. Die genaue Rolle dieser Proteine bei der Entstehung der neurodegenerativen Erkrankung ist nach wie vor Gegenstand der Diskussion. Durch ihren Nachweis lässt sich die Alzheimer-Diagnose bei Vorliegen klinischer Symptome jedoch ab­sichern. Hierfür werden invasive (Liquor­punktion zur Bestimmung von β-Amyloid und Tau in der Zerebrospinalflüssigkeit) und bildgebende (Amyloid-PET-Scan) Verfahren verwendet. Diese stellen zum einen eine Belastung für den Patienten dar, zum anderen sind sie mit hohen Kosten verbunden.

Foto: master1305 – stock.adobe.com
Amyloid-Ablagerungen im Gehirn lassen sich mithilfe der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) nachweisen. Zukünftig könnte die Diagnose Alzheimer auch mit einem Bluttest gesichert werden.

Test mit hoher Genauigkeit

Nun gelang es US-amerikanischen Wissenschaftlern der Washington University School of Medicine in St. Louis, anhand der β-Amyloid-Spiegel im Blut mit hoher Genauigkeit vorherzusagen, ob ein Mensch an Morbus Alzheimer leidet, oder ob die Krankheit womöglich ausbrechen wird. Dazu untersuchte das Team um Professor Randall J. Bateman 158 Probanden, die über 50 Jahre alt waren. Zum Zeitpunkt der Blutabnahme zeigte die Mehrheit von ihnen keine kognitiven Auffälligkeiten. Bei zehn Personen gab es Anzeichen für eine Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit.

Die Blutproben wurden mittels Immunopräzipitation und Flüssigchromatografie gekoppelt mit einer Massenspektrometrie auf β-Amyloide getestet. Die Wissenschaftler bestimmten daraus das Verhältnis aus Amyloid­beta 40 (Aβ40) und Amyloid-beta 42 (Aβ42). Diese Werte wurden mit den Ergebnissen eines Amyloid-PET-Scans, der in den 18 Monaten vor der Probennahme durchgeführt worden war, verglichen. 43 Probanden hatten einen positiven Amyloid-Nachweis in der Bildgebung. Bei ihnen betrug das Aβ42/Aβ40-Verhältnis 0,115 ± 0,006. Bei den Studienteilnehmern mit negativem Amyloid-PET-Scan lag der Wert bei 0,128 ± 0,009. Der Unterschied war signifikant. Ein niedriges Aβ42/Aβ40-Verhältnis im Blut erwies sich in einer Korrelationsanalyse als guter Indikator für vorhandene Proteinablagerungen im Gehirn. Die Genauigkeit der Vorhersage betrug 88%. Als zusätz­liche Kontrolle untersuchten die Wissen­schaftler die Korrelation der β‑Amyloid-Plasmaspiegel mit den Ergebnissen einer Liquoruntersuchung (Phospho-tau182/Aβ42). Hier lag die Genauigkeit bei 85%.

Nicht nur die Gene...

... auch der Lebensstil beeinflusst das Demenzrisiko. So lautet das Ergebnis einer retrospektiven Kohor­tenstudie mit knapp 200.000 Personen. Von ihnen entwickelten 1,78% mit einem hohen genetischen Risiko und einem ungesunden Lebensstil eine Demenz. Im Vergleich dazu war das Risiko bei einer gesunden Lebensführung (Nichtraucher, regelmäßige körperliche Aktivität, gesunde Ernährung, moderater Alkoholkonsum) trotz einer hohen genetischen Vorbelastung um 32% geringer.

[Quelle: Lourida et al. JAMA 2019;322(5):430-437]

Verbessern ließ sich die Genauigkeit des Tests dadurch, dass verschiedene Risikofaktoren für eine Alzheimer-­Demenz berücksichtigt wurden: Zum einen bezogen die Forscher das Alter der Patienten mit ein, zum anderen wurde der Apolipoprotein-E(ApoE)-­Genotyp bestimmt. Homozygote Träger des Epsilon-4-Allels – etwa 10 bis 12% aller Alzheimer-Patienten – haben ein bis zu zehnfach erhöhtes Lebenszeit­risiko für eine Alzheimer-Erkrankung. Knapp die Hälfte der Alzheimer-Patienten besitzt eine Kopie des Allels. Als alleiniger Marker ist der Genstatus für die Diagnose jedoch ungeeignet. In Kombination mit dem Alter und den β‑Amyloid-Blutspiegeln verbesserte der ApoE-Status die Vorhersagekraft hingegen auf 94%.

Doch auch so kam es zu falsch-positiven Ergebnissen. Bei einigen Probanden wurden die Amyloid-Konzentra­tionen im Blut zwar als auffällig ein­gestuft, doch der erste PET-Scan fiel negativ aus. Ein weiterer PET-Scan, der im Schnitt vier Jahre später durch­geführt wurde, ergab dann ein anderes Bild: Dort erwiesen sich acht Probanden als Amyloid-positiv, deren ­ursprünglicher PET-Scan negativ war. Bei Studienteilnehmern mit niedrigem Aβ42/Aβ40-Verhältnis war das Risiko für einen positiven Nachweis um das 15-Fache erhöht. Der Bluttest führte also nicht zu falsch-positiven Ergebnissen, vielmehr wies er bereits frühzeitig auf die Erkrankung hin.

Wertvoll für die Forschung

Die Studienautoren sehen den Nutzen des Tests insbesondere im Bereich der klinischen Forschung. Bei der Entwicklung neuer Therapien gegen Morbus Alzheimer ruhen die Hoffnungen auf Wirkstoffkandidaten, die den Krankheitsverlauf bereits vor Beginn der klinischen Symptome modifizieren. Um asymptomatische Risiko­patienten für Präventionsstudien zu identifizieren, werden potenzielle Studienteilnehmer derzeit mithilfe teurer PET-Scans gescreent. Durch die neue Methode ließen sich die Kosten erheblich senken. Doch könnte so ein Bluttest auch für eine breite Anwendung sinnvoll sein, um Risikopatienten zu identifizieren? Darüber haben wir mit einem Demenz-Experten der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Prof. Dr. Richard Dodel, gesprochen (s. Interview auf S. 21). |

Literatur

Schindler SE et al. High-precision plasma β-amyloid 42/40 predicts current and future brain amyloidosis. Neurology 2019; doi: 10.1212/WNL.0000000000008081

Mitteilung der Washington University School of Medicine in St. Louis vom 1. August 2019. www.medicine.wustl.edu

Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). S3-Leitlinie „Demenzen“. Langversion, Januar 2016. AWMF-Registernummer: 038/013

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.