Aus den Ländern

„Besser als keine Lösung!“

LAV-Präsident Fritz Becker verteidigt Apotheken-Stärkungsgesetz und Rahmenvertrag

STUTTGART (du) | Mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz sind für die Apotheker einige bittere Pillen zu schlucken. Das Rx-Versandverbot ist begraben, der wichtige Satz 4 des § 78 Abs. 1. Arzneimittelgesetz ist gestrichen und damit an dieser Stelle die Regelung, dass die Rx-Preisbindung auch für ausländische Versender gilt. Dafür soll die Preisbindung für Verordnungen zulasten der GKV im Sozialrecht verankert werden. Trotzdem zeigte sich Fritz Becker, Präsident des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg im Rahmen der Mitgliederversammlung des LAV Baden-Württemberg zufrieden.
Foto: LAV Baden-Württemberg
Fritz Becker, Präsident des LAV Baden-Württemberg, freut sich, dass Jens Spahn Bundesgesundheitsminister bleibt: „Es hat noch kein Bundesgesundheitsminister so intensiv mit uns kommuniziert!“

Die Mitgliederversammlung des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg am 17. Juli fiel auf einen Tag, an dem auf der bundespolitischen Bühne für Apotheker wichtige Weichenstellungen vollzogen worden sind. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn konnte seinen Entwurf des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes durch das Kabinett bringen. Zudem war am Vorabend schon klar geworden, dass Jens Spahn nicht als Nachfolger von Ursula von der Leyen ins Verteidigungsministerium wechseln wird. Er wird weiterhin Bundesgesundheitsminister bleiben. Darauf reagierte Becker sichtlich erleichtert. Zwar sei Spahn ein harter Knochen, aber ein verlässlicher. Becker lobte: „Es hat noch kein Bundesgesundheitsminister so intensiv mit uns kommuniziert!“ Ein Ressortwechsel hätte nach Ansicht Beckers zu Verzögerungen zum Beispiel bei der Umsetzung des E-Rezepts geführt. Er ist froh, dass dem jetzt nicht so ist und kündigte an, dass die ersten E-Rezepte noch in diesem Jahr in Baden-Württemberg beliefert werden könnten.

Gleichpreisigkeit zu 90%

Mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz sind für die Apotheker ­einige bittere Pillen zu schlucken. Das Rx-Versandverbot ist begraben, der wichtige Satz 4 § 78 Abs. 1 Arznei­mittelgesetz ist gestrichen und damit an dieser Stelle auch die Regelung, dass die Rx-Preisbindung auch für ausländische Versender gilt. Dafür soll die Preisbindung für Verordnungen zulasten der GKV im Sozialrecht verankert werden. Becker erklärte dazu, für das Rx-Versandverbot sei bis hin zur Bundeskanzlerin keine Anhängerschaft mehr zu finden gewesen. Irgendwann sei dieses Pferd tot ge­ritten gewesen. Das höchste Ziel sei dann ­gewesen, die Gleichpreisigkeit zu erhalten, was jedoch nicht zu 100% gelungen ist. Denn wenn das Gesetz von Spahn jetzt so verabschiedet wird, dann ist dies nur für den Bereich der gesetzlich Versicherten und damit nur für 90% der Verordnungen erreicht. Das sieht Becker zunächst einmal positiv, merkt aber an, dass es fraglich sei, ob die geplanten Regelungen vor dem EuGH Bestand haben werden.

Kleines Pflänzchen Dienstleistungen

Denen, die die Auffassung vertreten, kein Gesetz wäre besser als dieses Apotheken-Stärkungsgesetz, empfahl Becker, die massive Fernsehwerbung der Versandapotheken zu schauen: „Alle geben sie Boni!“ Vor diesem Hintergrund sei dieses Gesetz, auch wenn es nur die zweitbeste Lösung sei, besser als kein Gesetz. Zudem enthalte es viel Positives. So bleibe die freie Apothekenwahl erhalten, es gibt ein Makelverbot für Rezepte. Und dann sind da noch die pharmazeutischen Dienstleistungen, die nun erstmalig honoriert werden können. Sie sind für Becker „ein kleines Pflänzchen, das wir nicht kaputt machen dürfen!“ Auch wenn die dafür eingeplanten 150 Millionen Euro viel zu wenig seien, ist es nach Auffassung Beckers wichtig zu sehen, dass damit der Weg für ein zweites, ausbaufähiges Honorierungsstandbein neben der packungsbezogenen Honorierung geebnet werde.

Die Erhöhung der BtM- und T-Rezeptvergütung sowie des Nacht- und ­Notdienstfonds ist zudem für Becker ein ganz wichtiges Signal aus dem Bundeswirtschaftsministerium dafür, dass das vom BMWi in Auftrag ge­gebene 2hm-Gutachten zum Apothekenhonorar ad absurdum geführt worden sei.

Foto: LAV Baden-Württemberg
Ina Hofferberth, Geschäftsführerin des LAV Baden-Württemberg

Werbung für Rahmenvertrag

Ein weiteres wichtiges Thema war der neue Rahmenvertrag, den der DAV mit dem GKV-Spitzenverband geschlossen hat. Neben Thomas Dittrich, Vorsitzender des LAV Sachsen, Dr. Klaus Michels, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, und Alexandra Schmidt, Geschäftsführerin des Bayerischen Apothekerverbandes, war auch die Geschäftsführerin des LAV-Baden-Württemberg, Ina Hofferberth, Mitglied der Verhandlungskommission. Hofferberth nutzte die Mitgliederversammlung, um für Verständnis für den neuen Rahmenvertrag zu werben. Oberstes Ziel sei es gewesen, die Patienten möglichst sofort versorgen zu können, die Möglichkeit der „Heilung“ zu implementieren, so dass das Rezept nur noch in wenigen Fällen zurück zum Arzt muss. Nun könne man sich von unten bis zu dem durch den Arzt gesetzten Preis­anker hochangeln. Müsse er überschritten werden, genüge ein Anruf beim Arzt. Und dann hatten Hofferberth und Becker noch einen besonderen Tipp für die anwesenden Apotheker:

„Weisen Sie Ihre Ärzte auf die Möglichkeit der Wirkstoffverordnung hin! Damit könnten die Ärzte die wirtschaftliche Verantwortung auf die Apotheken delegieren und das Thema Preisanker umgehen!“

Sowohl Hofferberth als auch Becker gaben zu, dass man bei den Verhandlungen den „pseudogenerischen Markt“ nicht auf dem Schirm gehabt habe. Pseudogenerisch bedeutet, dass bei Vorhandensein von nur zwei Originalpräparaten (und keinem Generikum) das nicht verordnete Original den Status eines Generikums erhält. Damit sind die Regeln für den generischen Markt und mangels Generikum in der Folge für den importrelevanten Markt anzuwenden. Einer der vier preisgünstigsten Importe ist abzugeben. Erst wenn kein Import lieferbar ist, darf das Original abgegeben werden. Becker und Hofferberth versprachen Nachbesserung.

LAV-BW-Retaxbilanz 2018: 776.321 Euro

Auch in diesem Jahr präsentierte Geschäftsführerin Ina Hofferberth bei der Mitgliederversammlung des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg (LAV) die Retax-Bilanz des Vorjahrs. Im Jahr 2018 hat die Fachabteilung Taxation des LAV 12.631 von den Kassen beanstandete Rezepte geprüft – und damit knapp 2000 weniger als im Vorjahr. Die Rezepte waren zu insgesamt 5720 Retaxationsvorgängen zusammengefasst, von denen jeder mit einem komplexen Prüf- und Einspruchsverfahren bearbeitet wurde.

Doch auch wenn es weniger Fälle waren: Der Gesamtwert der geprüften Retaxationen ist 2018 gestiegen: auf 1.519.821 Euro – im Vorjahr waren es 1,3 Millionen Euro. Von den rund 1,52 Millionen Euro konnten im Einspruchsverfahren über 50 Prozent zurückgeholt werden – insgesamt 776.321 Euro. Damit sei auch die Summe der Retaxationen, die der LAV für seine Mitglieder zurückholen konnte, wieder deutlich gestiegen, freut sich Hofferberth. Im letzten Jahr habe man bei rund 42 Prozent gelegen.

Doch trotz dieses Erfolgs bleiben die vielen Retaxationen ein Ärgernis: Nicht alle Kassen würden die Vorgänge angemessen und mit Augenmaß verfolgen, sagt die LAV-Geschäftsführerin. „All diese Retaxationen binden in den Apotheken und bei uns im Verband viele personelle Ressourcen, weil es nach wie vor zahlreiche unberechtigte Beanstandungen gibt. Die LAV-Mitglieder könnten diese Einsprüche ohne die fachkundige Unterstützung unseres Teams in der Abteilung Taxation gar nicht bewältigen“, so Hofferberth.

ks/LAV Baden-Württemberg

Problem fehlendes Personal

Die unter Sonstiges geführte Diskussion offenbarte noch einen besonderen Missstand, den viele Apothekenleiter drückt: fehlendes Personal. Neben Apothekerinnen und Apotheker werden insbesondere PTAs händeringend gesucht. Versuche, die Ausbildung attraktiver zu gestalten, waren nicht so erfolgreich wie erwartet. Für Christoph ­Gulde, Vizepräsident des LAV Baden-Württemberg, keine Überraschung. Denn solange andere Berufe, die zur PTA in direkter Konkurrenz stehen, wesentlich attraktivere Konditionen bieten, wird es kaum gelingen, junge Leute für den PTA-Beruf zu begeistern. Gulde nannte als eindrucksvolles Beispiel aus seiner Zeit als Gemeinderat in Stuttgart den Beruf der Erzieherinnen. Dass diese nicht besonders gut verdienen, sei allgemein anerkannt. Wenn er allerdings die Gehälter der Erzieherinnen mit denen der PTAs vergleicht, findet er monatliche Differenzen von 700 bis 1300 Euro. Um mithalten zu können, würden die Apotheken eine Erhöhung des Honorartopfes von rund 1,6 Milliarden Euro benötigen. Auch ein Inflationsausgleich von rund 1 Milliarde Euro für die letzten Jahre wäre nur ­gerecht und sei überfällig, so Gulde. Geld dafür sei da: Die gesetz­lichen Krankenkassen würden mit den Rabattverträgen auf dem Rücken der Apotheken jährliche Einsparungen von über 4 Milliarden generieren, ohne dass der Erfüllungsaufwand in den Apotheken honoriert werde. Es geht Gulde dabei um Größenordnungen und es ärgert ihn, dass selbst bei den relativ geringen Honorarerhöhungen bei der letzten Gesetzgebung noch Kürzungen gegenüber der ursprünglich in den Raum gestellten Gesamtsumme aus Dezember 2018 erfolgt sind und trotzdem reflexartig bei den Krankenkassen dagegen Widerspruch folgte. Gulde fordert daher: „Wer als Politiker auf Dauer gute Arbeit von den Apotheken erwartet, muss den Apotheken auch Möglichkeiten geben, ihr Personal im Wettbewerb zeitgemäß zu entlohnen. Das ist derzeit nicht der Fall!“ |

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