Arzneimittel und Therapie

Spinat macht stark

Leistungssteigernde Inhaltsstoffe lassen das Gemüse in neuem Licht erscheinen

Foto: Liddy Hansdottir - stock.adobe.com
Wenn der Comic-Matrose Popeye in der Klemme steckt, verspeist er schnell eine Dose Spinat. Das Gemüse lässt seine Muskeln anschwellen und verleiht ihm außerordentliche Kräfte. Verantwortlich für diese Wirkung dürften Ecdysteroide sein, die von den Pflanzen gegen Fraßfeinde produziert werden. Die anabole Wirkung dieser Pflanzeninhaltsstoffe wurde nun an Sportlern untersucht.

Ecdysteroide kommen als sekundäre Inhaltsstoffe in vielen Pflanzen vor. Sie dienen dem Schutz der Pflanze und greifen in die Reproduktion einiger Insektenarten ein. Spinat (Spinacia oleracea) weist besonders hohe Konzentrationen der Hormone auf.

Ecdysteron (auch 20-Hydroxyecdyson), eine Substanz aus der Klasse der Ecdysteroide, wird als natürliches Anabolikum in Kapselform vermarktet. Es stimuliert die Proteinbiosynthese und soll, ähnlich wie andere anabole Steroide, den Muskelaufbau unterstützen. Während andere häufig missbrauchte Anabolika wie Nandrolon und Metandienon jedoch Agonisten für Androgenrezeptoren sind, binden Ecdysteroide an Estrogen-Rezeptoren. Dosierungen oberhalb von 5 µg/kg Körpergewicht wird eine anabole Wirkung zugeschrieben [1].

Studie mit Ecdysteron-Präparat

Um die Wirkung eines Ecdysteron-Präparates („Peak Ecdysone“) auf Trainingseffekte am Menschen zu untersuchen, rekrutierten Wissenschaftler der Freien Universität Berlin 46 gesunde männliche Probanden. Die verwendeten Kapseln enthalten laut Hersteller einen Spinatextrakt mit je 100 mg Ecdysteron pro Kapsel. Bei genaueren Analysen des Inhaltes stellte sich jedoch heraus, dass lediglich etwa 6 mg Ecdysteron enthalten waren.

Die Studiendauer betrug 10 Wochen. Die Teilnehmer wurden in folgende Gruppen aufgeteilt:

Die Ec1-Gruppe nahm täglich 2 Kapseln (12 mg) der Ecdysteron-Zubereitung zu sich, während die Ec2-Gruppe 8 Kapseln (48 mg) erhielt. Eine dritte Gruppe bekam ein Placebo. Eine Kontrollgruppe erhielt ebenfalls 2 Kapseln, nahm jedoch nicht an den regelmäßigen Trainingseinheiten der anderen Probanden teil.

Alle Sportler wurden zu Beginn der Studie vermessen und gewogen. Außerdem wurde die Körperzusammensetzung untersucht und Parameter wie Körperfett, Muskelmasse und Körperwasser dokumentiert. Die Serumkonzentrationen verschiedener Hormone wie Thyroxin, Testosteron und Estradiol wurden ebenfalls ermittelt. Um Nebenwirkungen an Leber und Nieren beobachten zu können, bestimmten die Forscher auch die Parameter Kreatinin, Glutamat-Oxaloacetat-Transaminase, Glutamat-Pyruvat-Transaminase und gamma-Glutamyl-Transferase. Ein Dopingscreening in Urinproben bestätigte, dass keiner der Teilnehmer verbotene leistungssteigernde Substanzen einnahm. Diese Untersuchungen wurden nach fünf Wochen sowie am Ende der Studie wiederholt.

Gesteigerte Leistung

Während der Dauer der Studie absolvierten die Teilnehmer drei Trainingseinheiten pro Woche. Jede Einheit setzte sich aus sechs Hantelübungen zusammen. Dabei wurden Muskeln des gesamten Körpers beansprucht und die Gewichte im Verlauf der Studie gesteigert. Aufseher kontrollierten die korrekte Ausführung aller Übungen. Nach jedem Trainingstag legten die Sportler einen Ruhetag ein. Um den Trainingserfolg nach 10 Wochen zu kontrollieren, hatten Sportwissenschaftler des Teams einen Performance-Test aus drei Übungen entwickelt, der auch vor den 10 Trainingswochen absolviert wurde. Nach einem standardisierten Frühstück, bestehend aus 2 Bananen, 60 g Cornflakes und 300 ml Milch (1,5% Fett), wärmten sich die Probanden zunächst auf. Dann bestimmten die Wissenschaftler die Sprungkraft der Teilnehmer mit Counter Movement Jumps und die untere Körperkraft mit Back Squats, also Kniebeugen mit einem Gewicht auf den Schultern. Die obere Körperkraft wurde beim Bankdrücken gemessen.

Nach dem 10-wöchigen Trainingsplan verbesserten alle drei Trainingsgruppen ihre Leistung. Die Leistungssteigerung beim Bankdrücken fiel besonders auf. Während die Placebogruppe im Durchschnitt mit einer Steigerung um 3,33 kg 3,59% mehr stemmte, gelang der Ec1-Gruppe eine Steigerung um durchschnittlich 9,58 kg, was einem Leistungszuwachs um 11,5% entspricht. Die Ec2-Gruppe drückte im Mittel 8,5 kg mehr (9,5%). Auch die Sprunghöhe bei einem Counter Movement Jump und das beim Back Squat gehobene Gewicht wurden verbessert. Diese Steigerungen wurden aber statistisch als nicht signifikant bewertet.

Abb. 1: Das pflanzliche Steroidhormon Ecdysteron ist durch mehrere Hydroxygruppen relativ polar im Vergleich zu anderen Molekülen mit dem Steroidgrundgerüst.

Gesteigertes Körpergewicht

In beiden Ecdysteron-Gruppen wurde eine signifikante Steigerung des Körpergewichtes beobachtet (Ec1 + 2,58 kg, Ec2 + 3,11 kg). Ebenfalls erhöht war die Muskelmasse beider Gruppen (Ec1 + 1,58 kg, Ec2 + 2,03 kg). Anhand der Blutproben konnten keine mit der Einnahme von Ecdysteron assoziierten hormonellen Veränderungen beobachtet werden. Die Kontrolle von Biomarkern für Leber- und Nierentoxizität verlief negativ.

Anabole Wirkung in Zellkultur

Ein In-vitro-Experiment an C2C12-Myoblasten der Maus sollte den Einfluss des Phytosteroids auf zellulärer Ebene zeigen. Die Zellen wurden 48 Stunden einer verdünnten Lösung des Ecdysteron-Präparates ausgesetzt. Parallel dazu setzten die Pharmazeuten des Teams Kontrollexperimente mit Dihydrotestosteron, Estrogen und reinem Ecdysteron zum Vergleich an. Alle Substanzen führten zur Muskelhypertrophie, die sich durch die Zunahme des Durchmessers der Muskelfasern zeigte. Nachdem sowohl in vitro als auch in vivo am Menschen die anabole Wirkung des Phytosteroids Ecdysteron nachgewiesen werden konnte, halten die Wissenschaftler um die Pharmazeutin Prof. Maria Kristina Parr eine Aufnahme des Stoffes in die Liste der verbotenen Substanzen der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA für sinnvoll. Der Nachweis könnte anhand von Serumproben erfolgen, da hier dosisabhängige Konzentrationen des Steroids gefunden wurden [1].

Ecdysteroide in Spinat

Zu klären bleibt noch, ob durch die Aufnahme großer Mengen Spinat relevante Plasmaspiegel und ein gewisser Popeye-Effekt erzielt werden kann. Spinat enthält verschiedene Ecdysteroide, Ecdysteron scheint mit etwa 80% die am stärksten vertretene Substanz dieser Klasse zu sein und kann bereits in den Samen nachgewiesen werden [3]. Der Ecdysteron-Gehalt einer Pflanze verändert sich im Laufe ihrer Entwicklung. Während der ersten 21 Tage bleibt der Gehalt konstant und beginnt danach zu steigen. Die höchsten Konzentrationen werden in den oberen Blättern gemessen. In frischem Pflanzenmaterial wurden Ecdysteroid-Höchstkonzentrationen von bis zu 800 mg/kg gefunden [4]. Sollte Ecdysteron in die Liste der verbotenen Dopingmittel aufgenommen werden, könnte der Verzehr von realistischen Mengen Spinat zu einem positiven Nachweis führen. In einer Mitteilung der FU Berlin, relativiert Prof. Parr die Gefahr eines ungewollten Dopings. Ihren Angaben zufolge müssten dazu täglich mehrere Kilo Spinat verzehrt werden, um Ecdysteron-Konzentrationen in der Größenordnung des Studienpräparates zu erreichen [5].

Literatur

[1] Isenmann E et al. Ecdysteroids as non-conventional anabolic agent; Performance enhancement by ecdysterone supplementation in humans. Archives of toxicology 2019. doi:10.1007/s00204-019-02490-x

[2] Bathori M et al. Phytoecdysteroids and Anabolic-Androgenic Steroids - Structure and Effects on Humans. CMC 2008, 15:75–91. doi:10.2174/092986708783330674

[3] Bakrim A et al. Ecdysteroids in spinach (Spinacia oleracea L.); Biosynthesis, transport and regulation of levels. Plant physiology and biochemistry 2008 : PPB 46:844–854. doi:10.1016/j.plaphy.2008.06.002

[4] Adler JH et al. Occurrence, biosynthesis, and putative role of ecdysteroids in plants. Critical reviews in biochemistry and molecular biology 1999, 34:253–264. doi:10.1080/10409239991209282

[5] https://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2019/fup_19_193-studie-spinat-substanz/index.html; abgerufen am 03.07.2019.

Ulrich Schreiber, MSc

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