DAZ aktuell

Kein Raum für mehr Skonto

Phagro-Gutachten widerspricht AEP-Gutachten

BERLIN (ks) | Rabatte und Skonti von Großhändlern und direkt vertreibenden Herstellern sind nur noch im Rahmen der 3,15-Prozent-Marge und bis höchstens 37,80 Euro zulässig. Auch wenn es sich um „handelsübliche“ Skonti handelt, gilt die Preisuntergrenze, die der Gesetz­geber mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) klargestellt hat. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) in Auftrag gegeben hat. Der Großhändler AEP hatte Ende März bereits ein Rechtsgutachten präsentiert, das die Lage anders sieht.

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte die Klarstellung des Gesetzgebers initiiert. Die Richter be­fanden: Der vorherige Wortlaut zu den Großhandelszuschlägen in der AMPreisV war nicht klar genug formuliert, um daraus zu schließen, dass der 70-Cent-Festzuschlag für die Grossisten einem Rabatt nicht zugänglich sei – möge der Verordnungsgeber das auch gewollt haben. Seit dem TSVG ist nicht mehr strittig, dass Rabatte an Apotheken sich nur noch im Rahmen des prozentualen Zuschlags von 3,15 Prozent auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) bewegen und 37,80 Euro nicht überschreiten dürfen. Der ApU plus Festzuschlag und Umsatzsteuer ist eine verbindliche Preisuntergrenze.

Allerdings hat es der Gesetzgeber versäumt, mit dem TSVG auch eine klare Regelung zu den für die Apotheken neben den Rabatten bedeutenden Skonti zu treffen. Hier gibt es weiterhin widerstreitende Meinungen: So hatte AEP ein Gutachten des Rechts­anwalts Bernhard Koch-Heintzeler vor­gelegt, wonach nach der Änderung in der AMPreisV für „echte“ Skonti trotzdem eine Ausnahme gelten müsse, also für handelsübliche Skonti, die Apotheken von Großhändlern oder direkt vertreibenden Pharmaunternehmen für eine vorfristige Zahlung gewährt bekommen. Sie sollen also auch zulässig sein, wenn sie in Kombination mit den Rabatten die 3,15-Prozent-Grenze durchbrechen. Denn: Rabatte seien eine „Preiskondition“, die den Preis zum Zeitpunkt der Gewährung verändern. Skonti hingegen seien eine „Zahlungskondition“, die keine Preisänderung nach sich ziehen. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung.

Klarer Wortlaut, unstimmige Begründung

Beim Phagro sieht man das anders. Er stützt sich auf ein juristisches Gutachten, das nun als Aufsatz in der Zeitschrift „Wettbewerb in Recht und Praxis“ erschienen ist. Verfasst haben es die Rechtsanwälte Dr. Reimar Buchner und Dr. Enno Burk von der Kanzlei Gleiss Lutz (Berlin). Die Anwälte knöpfen sich die Argumente des AEP-Gutachtens vor und prüfen klassisch juristisch, ob die Preisuntergrenze auch für Skonti gelten kann: Was sagt der Wortlaut, was die Gesetzesmaterialien und wie steht es um Sinn und Zweck der Neuregelung? Ihr Ergebnis: „Der Wortlaut ist eindeutig und steht einer weitergehenden Differenzierung zwischen Rabatten einerseits und ‚echten‘ Skonti andererseits, die als Zahlungskondition für die vorfristige Zahlung gewährt werden, entgegen. Sowohl Rabatte als auch Skonti sind nur noch im Rahmen des variablen prozentualen Zuschlags von 3,15 Prozent, höchstens 37,80 Euro, erlaubt.“

Etwas umfangreicher fallen in ihrem Gutachten die Ausführungen zu den Gesetzesmaterialien aus. Denn über die Begründung hatte sich im Gesetzgebungsverfahren schon manch einer gewundert. Hier werden Skonti zwar erwähnt – jedoch in einer kaum nachvollziehbaren Weise: „Rabatte und die im Handel allgemein üblichen Skonti können nur auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers und Rabatte nur im Rahmen des prozentualen Zuschlags gewährt werden.“ Wieso sollen nun Rabatte und Skonti auf den ApU gewährt werden können? Der neue Wortlaut sagt doch gerade, dass der Festzuschlag auf den (vollen) ApU zu erheben ist. Die Phagro-Anwälte vermuten ein „redaktionelles Versehen“. Zudem: Wieso sollen im Rahmen des prozentualen Zuschlags keine Skonti möglich sein? Solange die 3,15 Prozent-Grenze nicht überschritten wird, sind Rabatte und Skonti frei kombinierbar. Hinzu kommt: Die SPD legte bei der Verabschiedung des TSVG Wert auf die Feststellung, dass auf den Mindestpreis „weder Rabatte noch Skonti“ gewährt werden dürften.

Burk und Buchner schließen daraus: Die Begründung ist sowohl in sich widersprüchlich als auch konträr zum eigentlichen Ziel, die Konditionen zu deckeln. Dagegen sei der Wortlaut klar und nach der Rechtsprechung des BGH auch vorrangig zu berücksichtigen. Weiterhin führen die Berliner Anwälte aus, dass es schwierig sei, im Einzelfall zu beurteilen, ob Skonti tatsächlich handelsüblich sind und sie wirklich für eine vorfristige oder vielleicht doch nur für eine rechtzeitige Zahlung gewährt werden. Hier biete es ganz praktische Vorteile, eine wirklich strikte Preis­untergrenze zu ziehen, von der nicht abgewichen werden dürfe. Letztlich ­hegen Buchner und Burk auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken: Die Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit durch eine Beschränkung der Konditionen sei gerechtfertigt, ein milderes Mittel nicht ersichtlich.

Nun muss sich zeigen, ob es nochmals einen Kläger geben wird, wenn ein Großhändler klar nachvollziehbar weitergehende Konditionen anbietet. |

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