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Phagro: Gleiche Bedingungen für alle!

Phagro-Geschäftsführer Porstner und Dammann über das Apotheken-Stärkungsgesetz

ks | Im Referentenentwurf für das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken ist vorgesehen, dass künftig für Arzneimittel, die im Botendienst und im Versandhandel ausgeliefert werden, eine Pflicht zur Temperaturkontrolle eingeführt wird. Diese Regelung kritisiert der Bundesverband des Pharmazeutischen Großhandels (Phagro) in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf hinsichtlich der Anforderungen an den Versandhandel als unzureichend. Die DAZ hat bei den Phagro-Geschäftsführern Thomas Porstner und Michael Dammann nachgehakt, was genau der Großhandel für problematisch hält.
Fotos: Phagro
„Das, was die Politik vorhat, reicht nicht.“ Thomas Porstner und Michael Dammann vom Phagro kritisieren die Anforderungen an Versandapotheken als nach wie vor unzureichend.

DAZ: Ist es nicht gut, wenn an den Arzneimittelversandhandel höhere Anforderungen im Hinblick auf die Temperaturbedingungen beim Transport als bisher gestellt werden? Was stört Sie an der Regelung, wie sie derzeit geplant ist?

Porstner: Aus der Großhandelsperspektive sind die Anforderungen an die Versandapotheken nach wie vor unzureichend, viel zu unbestimmt und wider besseren Wissens juristisch ungenau. Die Qualitätsanforderungen, die der Großhandel gemäß Arzneimittelhandelsverordnung und GDP-Leitlinien einzuhalten hat und die im Übrigen auch strengstens auditiert werden, werden apothekenrechtlich für den gleichen Sachverhalt, den Transport von Arzneimitteln, nicht adäquat abgebildet. Vielmehr wird explizit nur ein Punkt hinsichtlich des Temperaturmonitorings herausgegriffen, der nur ein kleiner Bestandteil des gesamten Risikomanagements ist, das der Großhandel zur Einhaltung der Lagerbedingungen des Arzneimittels beim Transport umsetzt.

Dammann: Uns ist an dieser Stelle auch die Patientensicht wichtig: Der Patient soll ein Arzneimittel erhalten, von dem er weiß, dass es sachgemäß gelagert und transportiert wurde, bis es zu ihm gelangt. Dafür gibt es eine umfangreiche Nomenklatur, die bei der Herstellung beginnt, sich über die Lagerung und Auslieferung vom pharmazeutischen Unternehmer an den Großhändler fortsetzt und weiter vom Großhandel an die Apotheken. Auch für die Lagerung in der Apotheke gibt es in der Apothekenbetriebsordnung konkrete Anforderungen. Doch ab dem Moment, in dem eine Versandapotheke Arzneimittel an einen Patienten verschickt, kippt das Ganze ins Unbestimmte. Hier gibt es bislang nur sehr ungenaue Vorgaben. Das stellt am Ende ein Risiko für die Arzneimittelsicherheit dar: Man denke nur an die hohen Temperaturen, die wir auch diesen Sommer haben. Diese Lücke hat zwar jetzt auch die Politik erkannt und versucht, etwas dagegen zu unternehmen. Doch das, was sie vorhat, reicht nicht.

DAZ: Wo ist der Fehler?

Porstner: Die Politik geht das Problem nicht systemisch an. Wichtig wäre es zum Beispiel, erst einmal zu klären, was ein „Transport“ ist. Für den Großhandel ist dies im Annex der GDP-Leitlinie definiert: Transport ist das Verbringen von Arzneimitteln von einem Ort an einen anderen, ohne dass diese unterwegs für ungerechtfertigte Zeiträume zwischengelagert werden. Hier könnte man aus unserer Sicht eine gute Abgrenzung zwischen dem Transport im Versandhandel und dem Botendienst einer Apotheke vornehmen.

Dammann: Und eine solche Unterscheidung ist auch wichtig: Unsere Forderungen gehen allein in Richtung Versandhandel. Ein weiterer Kritikpunkt: Im Gesetzentwurf ist die Rede von „für das Arzneimittel geltenden Temperaturanforderungen während des Transports“. Diese kennen wir so nicht – bekannt sind die Lagertemperaturbedingungen, die auch auf der Arzneimittelverpackung zu finden sind. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens kann zwar geprüft und entschieden werden, ob es über diese Lagerbedingungen hinausgehende besondere Transportbedingungen gibt, über die der Hersteller informieren kann. Das passiert jedoch noch selten und kommt nur im Einzelfall vor. Für den Großhandel heißt dies nach der GDP-Leitlinie: Die Lagerbedingungen sind während des Transportweges innerhalb der auf der äußeren Umverpackung oder vom Hersteller angegebenen Grenzen einzuhalten. Sollte das nicht auch für Versandapotheken gelten?

Porstner: Und es geht unbestimmt weiter: Bei „besonders temperaturempfindlichen Arzneimitteln“ soll die Einhaltung „soweit erforderlich“ durch mitgeführte Temperaturkontrollen nachgewiesen werden. Die Anforderungen sind also eingeschränkt und die Kontrolle kann erfolgen, falls es der Versandhändler für erforderlich hält. Das ist vor allem vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass es in der EU eine gegenläufige Entwicklung gibt, die von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem europäischen Gesetzgeber ausgeht. Nach längerer Diskussion darüber, ob tatsächlich auch diejenigen Arzneimittel, für die es keine besonderen Temperaturanforderungen gibt – regelmäßig sind zumindest 25 Grad nicht zu überschreiten – ständig einem Temperatur-Monitoring zu unterziehen sind, antwortete die EMA erst kürzlich darauf klar mit einem „Ja“. Das Monitoring ist für alle Arzneimittel und immer nötig. Dieses Monitoring fordern die Aufsichtsbehörden auch vom pharmazeutischen Unternehmer und Großhändler – die Versandapotheken sollen dagegen außen vor bleiben! Das passt nicht zusammen.

DAZ: Was genau wollen Aufsichtsbehörden von den Großhandlungen wissen?

Dammann: Die Behörden fragen sehr intensiv nach: Wird die Transportqualifizierung und -validierung durchgeführt? Welche Maßnahmen werden ergriffen? Wie laufen das Temperatur-Monitoring und das Temperatur-Mapping? Wie wird das ausgewertet und dokumentiert? Und: Wie ist es mit dem Abweichungsmanagement? Das heißt, was geschieht, wenn eine Temperaturabweichung stattgefunden hat? Wie wird bewertet, ob das Produkt weiterhin verkehrsfähig ist? Diese strenge Kontrolle gibt es nicht für die Versandapotheken. Doch: Transport ist Transport – und wenn es dafür allseits anerkannte Bedingungen gibt, müssen diese selbstverständlich für alle gelten.

DAZ: Wie sieht es aus, wenn Dienstleister für den Transport eingesetzt werden?

Porstner: Der pharmazeutische Großhändler ist für alle an Dritte ausgelagerte Tätigkeiten verantwortlich und muss selbstverständlich sicherstellen, dass diese die GDP-Leitlinien entsprechend anwenden. An unsere Mitgliedsunternehmen werden dabei strengste Anforderungen an die Auditierung und Qualifizierung von externen Auftragnehmern gestellt. So wie der Referentenentwurf jetzt aussieht, haben wir größte Zweifel daran, dass diese Anforderungen auch für Versandapotheken gelten werden, die ja regelmäßig Dienstleister in Anspruch nehmen.

Auszug aus § 17 ApBetrO in seiner durch den Referentenentwurf zum Apotheken-Stärkungsgesetz vorgesehenen Fassung:

(2a) Bei dem nach § 11a des Apothekengesetzes erlaubten Versand hat der Apothekenleiter sicherzustellen, dass

1. das Arzneimittel so verpackt, transportiert und ausgeliefert wird, dass seine Qualität und Wirksamkeit erhalten bleibt, dies betrifft insbesondere die Einhaltung der für das Arzneimittel geltenden Temperaturanforderungen während des Transports bis zur Abgabe an den Besteller, deren Einhaltung bei besonders temperaturempfindlichen Arzneimitteln, soweit erforderlich, durch mitgeführte Temperaturkontrollen nachgewiesen werden muss.

DAZ: Die Versandapotheken erklären in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes, die bisherigen Vorgaben im Apothekengesetz und der Apothekenbetriebsordnung seien völlig ausreichend. Die Vorgaben könnten wie die GDP-Vorgaben für den Großhandel gewertet werden. Bisher habe es auch keine nennenswerten Probleme oder Vorfälle mit dieser Handhabung gegeben. Was sagen Sie dazu?

Dammann: Es gab in der Vergangenheit immer wieder Stichproben, die zeigten, dass es hier durchaus Defizite gibt. Unter anderem gab es im vergangenen Jahr eine Untersuchung von Prof. Dr. Andreas Kaapke zur Leistungsfähigkeit des Versandhandels. Er stellte fest, dass bei kühlkettenpflichtigen Arzneimitteln gerade mal zwei von sieben Lieferungen beim Erhalt durch den Empfänger die Temperatur im vorgeschriebenen Bereich aufwiesen. Es gibt also Nachholbedarf bei den Versandapotheken! Das Problem beim Versand ist doch, dass es in der Regel keine Same-Day-Lieferungen gibt, sondern die Arzneimittel oft zwei oder mehr Tage unterwegs sind, oft noch zwischengelagert werden. Bei Temperaturen von 30 Grad oder mehr, wie auch diesen Sommer, sind die vorgeschriebenen Temperaturvorgaben unter einfachen Lager- und Transportbedingungen und ohne erheblichen Aufwand kaum einzuhalten. Das wissen wir im Großhandel sehr genau. Und man darf nicht vergessen: Temperaturanforderungen gelten für alle Arzneimittel, für rezeptfreie genauso wie für verschreibungspflichtige. Vor dem Hintergrund des absehbar weiter wachsenden Versandhandels muss der Patient sich darauf verlassen können, dass die hohen Qualitätsstandards der Arzneimittelversorgung auch beim Versandhandel durchgesetzt werden. Hier sind auch die zuständigen Aufsichtsbehörden gefordert. Sowohl bei den regulatorischen Vorgaben als auch beim Vollzug dieser Anforderungen durch die Arzneimittelaufsicht müssen beim Versandhandel die gleichen Maßstäbe zum Erhalt der Arzneimittelqualität während des Transports gelten. Alles andere wäre fahrlässig.

Porstner: Bei aller Kritik. Wir sehen es als positives Signal und begrüßen ausdrücklich, dass sich die Politik der heutigen Defizite beim Versandhandel annehmen will. Wir setzen daher darauf, dass die verantwortlichen Gesundheitspolitiker im weiteren parlamentarischen Verfahren die Vorgaben an die Einhaltung der Temperaturbedingungen während des Transports so weit präzisieren werden, dass sich Patienten auch beim Bezug über den Versandweg keine Sorgen über die Qualität des Arzneimittels machen müssen.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch. |

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