Arzneimittel und Therapie

Neubewertung von spanischem Klassiker

BfArM hegt Zweifel an der Wirksamkeit von Methocarbamol / Paracetamol bei Kreuzschmerzen

rr | In Spanien wird Robaxisal® compuesto seit vielen Jahren eingesetzt. Nun sollte ein Generikum des Kombipräparats mit Methocarb­amol und Paracetamol in Deutschland eingeführt werden. Doch statt die Marktzulassung abzunicken, nutzt die deutsche Arzneimittelbehörde den Anlass, um das Arzneimittel genauer unter die Lupe zu nehmen. Immerhin hat sich seit der Markteinführung im Jahr 1968 in Sachen Evidenz einiges verändert …
Foto: mintra – stock.adobe.com

Das verschreibungspflichtige Präparat Robaxisal® compuesto ist in Spanien zugelassen ab 18 Jahren zur kurzfristigen Behandlung von schmerzhaften Muskelkrämpfen im Zusammenhang mit verschiedenen Muskelerkrankungen, z. B. bei Schmerzen im unteren Rücken. Eine Tablette enthält 380 mg Methocarbamol und 300 mg Paracet­amol. Als Einzeldosis werden zwei Tabletten empfohlen. Die Gabe kann alle vier bis sechs Stunden wiederholt werden bis maximal zwölf Tabletten am Tag (entspricht 4560 mg Methocarbamol und 3600 mg Paracetamol).

Beim Prüfen des generischen Zulassungsantrags begann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) an der Wirksamkeit dieser Kombination zu zweifeln, vor allem in der Indikation Lumbago. Ein vielbeachteter Cochrane-Review aus dem Jahr 2016 kam zu dem eindeutigen Ergebnis, dass Paracetamol bei akuten Kreuzschmerzen nicht besser wirkt als Placebo. Methocarbamol ist in Deutschland zwar zur Behandlung von Kreuzschmerzen zugelassen (z. B. Ortoton®), empfohlen wird aber zu Therapiebeginn eine Dosierung von 1500 mg bis zu viermal täglich (entspricht 6000 mg), die bis auf 7500 mg gesteigert werden kann. Neben der unzureichenden Wirksamkeit bzw. Dosierung macht sich das BfArM zudem Sorgen um die Sicherheit der Kombination: Sowohl Methocarbamol als auch Paracetamol werden in der Leber metabolisiert und mit Glucuron- und Schwefelsäure konjugiert. Es besteht die Gefahr, dass sich der toxische Metabolit von Paracetamol, N-Acetyl-p-benzochinonimin, anreichert.

Das wissenschaftliche Interesse an der Kombination Methocarbamol/Para­cetamol war in den vergangenen 50 Jahren eher gering: Insgesamt gibt es nur vier Studien – in keiner davon wurde die Kombination gegen Placebo oder die Einzelsubstanzen verglichen. Das BfArM stellte am 27. Mai 2019 bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) einen Antrag auf eine wissenschaftliche Neubewertung des Präparats. Bereits zwei Tage später wurde das Verfahren initiiert. Der Zulassungsinhaber hat bis Ende August Zeit, die Fragen des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) zu beantworten. Darauf basierend erfolgt die Empfehlung, ob die Marktzulassung erteilt, aufrechterhalten, verändert, ausgesetzt oder sogar widerrufen werden soll. Am Ende entscheidet die Euro­päische Kommission, was für die Mitgliedstaaten bindend ist. |

Quelle

European Medicines Agency (EMA). Methocarbamol/paracetamol-containing medicinal. www.ema.europa.eu; Abruf am 5. Juni 2019

Notification to the CHMP/EMA Secretariat of a referral under article 31 of directive 2001/83/EC made by Germany, 27. Mai 2019. www.ema.europa.eu; Abruf am 5. Juni 2019

Saragiotto BT et al. Paracetamol for low back pain. Cochrane Database Syst Rev 2016;(6):CD012230

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