Arzneimittel und Therapie

Misteln auf dem Prüfstand

Nutzen-Risiko-Verhältnis weiterhin unklar

Auf komplementäre Behandlungsoptionen stützen sich in der Tumortherapie viele Hoffnungen. Auch Mistelpräparate sind beliebt – doch die Anwendung bleibt umstritten.
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Die Auswirkungen einer Mistel­therapie bei Krebserkrankungen werden in der wissenschaftlichen Literatur kontrovers diskutiert. Daher wurden anhand einer systematischen Literaturrecherche die publizierten Studienergebnisse unter wissenschaftlichen Kriterien ausgewertet, um Überleben und Sicherheit sowie Lebensqualität und Toxizität der Tumortherapie einschätzen zu können. Die Suche führte zu 3647 Treffern, von denen letztendlich 28 randomisierte, kontrollierte Studien mit 2639 Patienten zur Auswertung kamen. Was die Studien anbelangt, so stammte ein gutes Drittel von ihnen aus der Feder von zwei Autorenteams, und bei den meisten Studien wird ein Interessenkonflikt vermutet (Bezug zu Herstellerfirmen oder anthroposophisch orientierten Gesellschaften). Die Mistelpräparate waren in den meisten Fällen zusätzlich zu einer konventionellen Tumortherapie bei unterschiedlichen soliden Tumorentitäten eingesetzt worden. In neun der 14 Studien, in denen das Gesamtüberleben bestimmt wurde, konnte kein Effekt der Misteltherapie auf diesen Endpunkt gezeigt werden. Zu diesem nega­tiven Ergebnis kamen vor allem die methodisch hochwertigen Studien.

In den meisten der 17 Studien zur Lebensqualität wurde ein positiver Effekt der Misteltherapie festgestellt. Allerdings halten diese Ergebnisse einer kritischen Betrachtung nicht stand (unter anderem aufgrund nicht validierter Methoden zur Erfassung der Lebensqualität, Placeboeffekten oder einem hohen Bias), sodass die Studienautoren der Misteltherapie keine oder nur eine marginale Verbesserung der Lebensqualität attestieren. Was die Toxizität und Therapiesicherheit einer Misteltherapie anbelangt, so vermuten die Studienautoren, dass Nebenwirkungen der Mistelgabe oder Interaktionen mit konventionellen Therapien nicht adäquat erfasst wurden.

Die Studienautoren sehen in keiner qualitativ hochwertigen Studie einen profunden Benefit der Misteltherapie im Hinblick auf das Gesamt­überleben oder die Lebensqualität. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis ist schwierig einzuschätzen, und es können keine evidenzbasierten Therapieempfehlungen für einzelne Indikationen getroffen werden kann. Hingegen gibt es klare Kontraindikationen für eine Mistelgabe: Leukämien, Lymphome, Nieren­karzinome und Melanome. |

Quelle

Freuding M et al. Mistletoe in oncological treatment: a systematic review: Part 1: survival and safety. J Cancer Res Clin Oncol 2019;145(3):695-707

Freuding M et al. Mistletoe in oncological treatment: a systematic review: Part 2: quality of life and toxicity of cancer treatment. J Cancer Res Clin Oncol 2019;145(4):927-939

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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