Arzneimittel und Therapie

Sturzgefahr unter Methadon

AkdÄ präzisiert Warnung

cel/cst | Der Einsatz von Methadon in der Tumortherapie ist umstritten. Nun wies die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) auf mögliche Risiken hin: Zwei Fallberichte erreichten die AkdÄ, laut derer Methadon Stürze provo­zieren und entstandene Frakturen durch seine schmerzhemmende Wirkung verschleiern kann. Aber: Machen das nicht alle Opioide?

Methadon zählt zu den synthetischen Opioid-Rezeptoragonisten und greift vorwiegend am µ-Rezeptor an. In Deutschland ist Methadon lediglich zur Substitutionsbehandlung von Opiat-­Abhängigen zugelassen. Das enantiomerenreine Levomethadon, auch L‑Polamidon genannt, darf neben der Sub­stitutionstherapie zusätzlich auch zur Behandlung starker Schmerzen ein­gesetzt werden. Ob das Racemat D, L-Methadon neben seiner analgetischen Wirkung auch die Wirksamkeit einer Chemotherapie verstärken kann, wird seit Jahren kontrovers diskutiert (s. auch DAZ 2019, Nr. 15, S. 38). Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) bewertet den anti­proliferativen Effekt von Methadon auf Tumorzellen derzeit als „fraglich“. Dennoch setzen manche Ärzte Methadon auch off label in der Tumortherapie ein.

Die AkdÄ warnt nun, „dass die hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nicht belegte Tumorbehandlung mit Methadon zu schwerwiegenden Folgen für die Patienten führen kann“. Die Patienten seien sturzgefährdet, und Frakturen könnten durch die starke analgetische Wirkung verschleiert werden. „Diese Risiken sollten bei der Off-Label-Anwendung von Methadon in der Tumortherapie mit in Betracht gezogen werden“, erklärt die AkdÄ.

Foto: Racle Fotodesign – stock.adobe.com
Opioide können Stürze und Frakturen begünstigen – das gilt auch für Methadon.

Zwei Fallberichte zu Stürzen

Die von der AkdÄ vorgebrachten Sorgen stützen sich auf zwei Fallberichte: Beide Glioblastompatienten erhielten nach operativen Eingriffen Bestrahlungen und Temozolamid und nahmen zusätzlich Methadon ein. Eine Patientin stürzte unter der Behandlung auf die Hüfte, die Schenkelhalsfraktur blieb zunächst unbemerkt, diese Symptomkaschierung führten die behandelnden Ärzte auf die Methadon-Einnahme zurück. Diese lag bei 26 mg täglich und ist verhältnismäßig niedrig. Laut Fachinformation zu Methadon-haltigen Arzneimitteln (zur Substitutionsbehandlung) beträgt die durchschnittliche initiale Tagesdosis bei Patienten, deren Opiat-Toleranzschwelle unbekannt oder unsicher ist, 20 mg Methadonhydrochlorid. In Extremfällen kann die initiale Tagesdosis bis maximal 100 mg Methadonhydrochlorid betragen. Bei dem zur Schmerztherapie zugelassenen Levomethadon wird eine Einzeldosis von 7,5 mg (entspricht 15 mg Methadon) maximal vier- bis sechsmal täglich, also 45 mg Levomethadon (entspricht 90 mg Methadon), empfohlen.

Im zweiten von der AkdÄ vorgestellten Patientenfall stürzte der Patient ebenfalls und erlitt ein schweres Schädel­hirntrauma. Die tägliche Metha­don-Dosis war unbekannt.

Klasseneffekt der Opioide

Die AkdÄ stützt ihre wissenschaft­liche Einordnung unter anderem auf eine dänische Fall-Kontroll-Studie aus dem Jahr 2006. Dort wurde ein erhöhtes Frakturrisiko, und zwar jeglicher Art (unter anderem Hüfte, Wirbel­säule, osteoporotisch bedingt), bei allen Opiat-Anwendern berichtet. Die adjustierte Odds-Ratio betrug für

  • Morphin 1,47 (95%-Konfidenzintervall [KI] 1,37 bis 1,58),
  • Fentanyl 2,23 (95%-KI 1,89 bis 2,64),
  • Methadon 1,39 (95%-KI 1,05 bis 1,83),
  • Oxycodon 1,36 (95%-KI 1,08 bis 1,69).

Laut diesen Ergebnissen schnitt Metha­don tendenziell besser ab als Morphin oder Fentanyl. Bei der Aufschlüsselung nach osteoporotischen Hüftfrakturen, die mit Opioiden behandelt wurden, wurde im Zusammenhang mit Methadon kein signifikant erhöhtes Risiko festgestellt.

AkdÄ korrigiert Formulierung

Die AkdÄ erklärt in ihrem Bericht zu der oben genannten Studie: „Eine dänische Fall-Kontroll-Studie zeigte ein erhöhtes Fraktur-Risiko unter der analgetischen Behandlung mit Opioiden, einschließlich Methadon.“ In einer früheren Version war hier noch zu lesen: „Eine dänische Fall-Kontroll-Studie zeigte ein erhöhtes Fraktur-Risiko unter der analgetischen Behandlung mit Opioiden und speziell mit Methadon.“ Dies hatte die AkdÄ auf Nachfrage jedoch korrigiert und wie folgt begründet: „Es ging uns nicht darum, Methadon in der Schmerzbehandlung im Vergleich zu den anderen Opioiden bezüglich des Sturz- und Frakturrisikos einzuordnen. In den berichteten Fällen wurde Methadon von den Patienten nicht als Analgetikum, sondern in der Hoffnung einer antiproliferativen Wirksamkeit eingenommen. Der Ausdruck ‚speziell mit Methadon‘ sollte lediglich auf die Tatsache hinweisen, dass in der zitierten Studie Daten speziell auch zu Methadon ausgewertet wurden. Es sollte davon nicht abgeleitet werden, dass Methadon besonders viele Stürze oder Frakturen provoziert, sondern lediglich dass Methadon dieses Risiko ­– genauso wie die anderen Opioide – birgt.“ |

Quelle

Bekanntgabe der AkdÄ im Deutschen Ärzteblatt vom 17.05.2019: Berichte an die AkdÄ über Stürze unter der Einnahme von Methadon: Was muss beachtet werden? www.akdae.de

Fachinformation Methadon-neuraxpharm® Tabletten. Stand Juni 2016

Fachinformation Levomethadon-neuraxpharm® Tropfen zum Einnehmen, Lösung. Stand August 2017

Vestergaard P et al. Fracture risk associated with the use of morphine and opiates. J Intern Med 2006;260(1):76-87

Das könnte Sie auch interessieren

Aufgrund von zwei Fallberichten

AkdÄ warnt vor Stürzen unter Methadon

Zum Stellenwert von DL-Methadon und Levomethadon in der Palliativmedizin

Methadon gegen Schmerzen

Wie mit dem Hoffnungsträger in der Krebstherapie umgegangen werden kann

Die Methadon-Story

Update zur Substitutionstherapie bei Opioid-Abhängigkeit

Wege aus der Sucht

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.