Die Seite 3

Schneller als gedacht

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Noch in der vorigen Woche schien die Zukunft der GroKo gesichert, weil CDU und SPD bei Neuwahlen große Stimmenverluste befürchten müssen. Doch der Rücktritt von SPD-Chefin Andrea Nahles bringt das Koalitionsgefüge ins Wanken. Plötzlich mag kaum noch jemand auf das Fortbestehen der GroKo bis zum Jahresende vertrauen.

Wie schnell sich Rahmenbedingungen ändern können, haben die Apotheker kürzlich auch erlebt. Die ABDA hatte gerade erst stolz ihre Idee einer werbefreien App für das E-Rezept präsentiert, als DocMorris seine Kooperation mit dem Spitzenverband der Fachärzte zum E-Rezept bekannt gab. Statt eines neutralen Übertragungswegs droht damit ein neuer Wettbewerb um die Übermittlungsplattform mit noch nicht überschaubaren Konsequenzen. Dies führt zurück zur Frage nach der Zukunft der GroKo.

Den Apothekern droht die aberwitzige Situation, dass sie beim Apotheken-Stärkungsgesetz nun wohl auf die schnelle Verabschiedung hoffen müssen. Denn sie brauchen das Zuweisungs- und Makelverbot für E-Rezepte. Wenn es gut läuft, wird dies künftig eine tragende Säule des Apothekensystems. Doch es ist bittere Ironie, dass mit demselben Gesetz vermutlich die Gleichpreisigkeit als tragende Säule demontiert wird. Denn sie würde auf den GKV-Bereich beschränkt, was mittelfristig den Weg zu komplett freien Preisen öffnen könnte. Durch die Verknüpfung mit dem Makelverbot werden die Apotheker taktisch gezwungen, die Zerstörung einer ihrer wichtigsten Strukturen hinzunehmen, um noch Schlimmeres zu verhindern. Dem vertrauten „Es hätte schlimmer kommen können“ wäre dann nur noch entgegenzuhalten, dass die ABDA viel früher viel deutlicher hätte werden sollen.

So wie die SPD müssen auch die Apotheker fürchten, dass die Zukunft manchmal viel schneller als gedacht kommt. Für diese Zukunft setzt die ABDA bekanntermaßen auf neue

zu honorierende pharmazeutische Leistungen, die aber noch nicht etabliert sind. Das angedachte Finanzvolumen reicht keinesfalls für ein neues wirtschaftliches Standbein der Apotheken. Doch es kann dafür sorgen, dass besondere Leistungen für arbeitsintensive Patienten aus einem neuen Topf und weniger über die Mischkalkulation finanziert werden. Dann könnten solche Leistungen erbracht werden, auch wenn andere Patienten zum Versand abwandern. Das hilft den multimorbiden Patienten, die dann noch eine Vor-Ort-Apotheke erreichen, aber es hilft den Apotheken nur begrenzt. Denn die Erträge aus der vergleichsweise einfachen Versorgung der weniger schwer Kranken erscheinen durch die Unwägbarkeiten beim E-Rezept und bei der Preisbindung nicht mehr sicher. Anders ausgedrückt: Es bleibt zu hoffen, dass sich die Versorgung anspruchsvoller Patienten künftig rechnet. Doch in dem Maße, in dem Patienten zu Versendern abwandern, werden auch Apotheken schließen. Das beste Mittel zur Sicherung der bewährten stationären Versorgungsinfrastruktur bleibt daher das Rx-Versandverbot. Doch dazu dürfte eine in der Auflösung befindliche Koalition keine Kraft mehr haben.

Thomas Müller-Bohn

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