Arzneimittel und Therapie

Keine Angst vor Betablockern

Herz-Kreislauf-Patienten müssen COPD-Komplikationen nicht fürchten

Betablocker erhöhen das COPD-­Risiko – oder etwa nicht? Wie die Ergebnisse einer dänischen Registerstudie verdeutlichen, sind Betablocker besser als ihr Ruf: Der Einsatz war im Vergleich zu anderen Antihypertensiva mit einer deutlich niedrigeren Rate an COPD-bedingten Klinikaufenthalten assoziiert.

Die chronisch obstruktive Lungen­erkrankung (COPD) ist durch typische Symptome wie Husten, Dyspnoe und Obstruktion der Bronchien gekennzeichnet. Pathophysiologisch betrachtet resultiert die Symptomatik aus einer chronischen Entzündung der Atemwege, die zu einer Zerstörung der Alveolarwände und des Lungen­parenchyms und damit zu einer fortschreitenden Obstruktion, einem einge­schränkten Gasaustausch und zu einer Überblähung der Lunge (Anstieg des Luftwiderstands) führt.

Foto: Aaron Amat – stock.adobe.com

Der Einsatz von Betablockern ist mit einer Verschlechterung der respiratorischen Symptomatik und der Lungenfunktion assoziiert (s. Kasten „Beta-Rezeptoren“). Betablocker werden bei COPD-Patienten daher oft zurückhaltend eingesetzt. Aller­dings konnte in randomisierten Studien, Beobachtungsstudien und Metaana­lysen gezeigt werden, dass COPD-Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen von Betablockern profitieren, ohne dass negative respiratorische Effekte auftreten. Die Studienergebnisse belegen, dass durch eine Langzeitbehandlung mit Betablockern bei diesen Patienten das Risiko von COPD-Exazer­bationen gesenkt und das Überleben verbessert werden kann [1 – 6].

Beta-Rezeptoren

Beta-Rezeptoren werden in verschiedene Subtypen unterteilt und befinden sich in den glatten Muskel­zellen zahlreicher Organe. Beta‑2-Rezeptoren kommen haupt­sächlich in den Atemwegen vor. Durch Aktivierung kommt es zur Rela­xation der glatten Muskulatur und zur Bronchodilatation. Beta‑1-Rezeptoren befinden sich hauptsächlich am Herzen sowie in den peripheren Gefäßen. Die Aktivierung führt zu einer Erhöhung der Herzfrequenz und Kontraktionskraft. Durch Blockade der Beta‑1-Rezeptoren wird die Herzfrequenz reduziert, und der Blutdruck sinkt infolge des verringerten peripheren Widerstands. Je nach Wirkprofil und Selektivität können Beta­blocker die bronchodilatatorischen (Beta‑2-Rezeptoren) und kardialen (Beta‑1-Rezeptoren) Wirkungen von Beta-Sympathomimetika abschwächen oder aufheben. Obwohl Beta‑1-selektive Beta­blocker spezifisch darauf abzielen, nur Beta-1-Rezeptoren zu blockieren, kommt es im gewissen Maße auch zu einer Blockade der Beta-2-­Rezeptoren, was wiederum zu einer Bronchokonstriktion führen kann.

Im Rahmen einer dänischen Registerstudie wurde nun untersucht, ob zwischen der Anwendung von Betablockern und dem erstmaligen Auftreten einer COPD-Exazerbation ein Zusammenhang bestehen könnte [7]. Dazu wurden COPD-bedingte Krankenhausaufenthalte analysiert – und zwar bei Patienten, die zuvor noch nie wegen einer COPD stationär behandelt werden mussten. Die Studienautoren werteten die Informationen einer bevölkerungsbasierten dänischen Datenbank aus den Jahren 1995 bis 2015 aus. Sie konnten dabei auf Daten von über 1,3 Millionen Patienten im Alter von 30 bis 90 Jahren ohne COPD-Krankenhausanamnese zurück­greifen. Verglichen wurden 301.542 Patienten, die einen Beta­blocker neu verschrieben ­bekommen hatten, mit 1.000.633 Patienten, die ein anderes blutdrucksenkendes Arzneimittel (Calcium-Antagonisten, ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptorant­agonisten oder Diuretika) neu verordnet bekommen hatten. Als Endpunkte wurden die COPD-Hospitalisierungsrate sowie die COPD-Mortalität und die all­gemeine Sterblichkeit betrachtet. Um mögliche Einflüsse bestimmter Erkrankungen bei der Wahl der Behandlung zu berücksichtigen, wurde eine Subgruppenanalyse basierend auf verschiedenen Komor­biditäten durchgeführt.

Weniger COPD-Klinikaufenthalte

Verglichen mit Patienten, die mit anderen Antihypertensiva behandelt wurden, hatten Patienten, die mehr als sechs Monate lang kontinuierlich Betablocker eingenommen hatten, ein signifikant geringeres Risiko für eine COPD-bedingte Krankenhauseinweisung (6,5 vs. 9,2 Fälle / 1000 Personenjahre; adjustierte Hazard-Ratio 0,80; 95%-Konfidenzintervall 0,79 bis 0,82). Bei Betrachtung der verschie­denen Subgruppen zeigte sich im Zusam­menhang mit Betablockern ein verringertes Risiko für einen stationären Aufenthalt aufgrund einer COPD bei Patienten mit ischämischer Herzkrankheit (0,72; 0,69 bis 0,75), Herzrhythmusstörungen (0,76; 0,72 bis 0,80), Asthma (0,69; 0,61 bis 0,79), Hyper­tonie (0,91; 0,86 bis 0,96) und Erkrankungen des Lungenkreislaufs (0,72; 0,59 bis 0,87).

Die Gesamtmortalität und die COPD-Sterblichkeit waren in der Gruppe, die mit Betablockern behandelt worden war, ebenfalls signifikant niedriger. Zudem wurde untersucht, ob die Selek­tivität der Betablocker einen Einfluss auf die Resultate hatte. Es wurden keine Unterschiede festgestellt. Nichtselektive Betablocker schienen somit ähnlich sicher wie kardioselektive Substanzen.

Betablocker und Asthma?!

In der Registerstudie wurde auch bei Patienten mit Asthma ein positiver Effekt festgestellt. Dies überrascht, da in etlichen früheren Studien eine signifikante Verringerung der Lungenfunktion bei Asthmatikern, die mit Betablockern behandelt worden waren, gezeigt wurde. Eine Erklärung für das überraschende Ergebnis der aktuellen Untersuchung könnte darin bestehen, dass Patienten mit COPD und zusätzlichen inflammatorischen Asthmakomponenten fälschlich als Asthmapatienten diagnostiziert worden sind (Stichwort Asthma-COPD-Overlap). Denkbar ist auch, dass Patienten mit zusätzlich bekanntem Asthma bei der Krankenhausaufnahme falsch klassifiziert wurden und statt der Diagnose COPD-Exazerbation die Diagnose Asthma-Exazerbation gestellt wurde. Möglicherweise profitieren also auch Patienten mit Asthma-COPD-Overlap und kardiovaskulären Grunderkrankungen von einer Therapie mit Betablockern.

Was sagen Leitlinien zu Betablockern bei COPD-Patienten?

S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem [8]: Therapeutisch wird bei der Behand­lung von Herz-Kreislauf-­Erkrankungen nicht zwischen Patienten mit COPD und primär kardiovaskulären Patienten ohne COPD unterschieden. Diese Ein­schätzung basiert nicht zuletzt auf verschiedenen retrospektiven Analysen, die klare Überlebensvorteile für Patienten mit COPD unter etablierten kardiovaskulären Therapiemodalitäten (z. B. Statine) aufzeigen. Kardioselektive Betablocker sind hier explizit mit ein­geschlossen. Prospektive Studien zur kardiovaskulären Therapie bei Patienten mit COPD fehlen.

GOLD-Report 2019 [9]: Es gibt keine Belege dafür, dass Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und COPD anders behandelt werden sollten als diejenigen ohne COPD. Die Behandlung mit Beta‑1-Blockern verbessert das Überleben bei Herzinsuffizienz und wird daher empfohlen. Bei Patienten mit COPD werden Beta-1-Blocker jedoch häufig nicht verschrieben, obwohl es Belege dafür gibt, dass ihr Einsatz bei COPD sicher ist [10]. Selektive Beta-1-Blocker sollten verwendet werden.

Eine Hypertonie sollte gemäß den üblichen Leitlinien behandelt werden. Es gibt keine Belege dafür, dass Patienten mit Hypertonie und COPD anders behandelt werden sollten als diejenigen ohne COPD. Die Behandlung mit selektiven Betablockern spielt in den aktuellen Hypertonie-Leit­linien eine vergleichsweise geringe Rolle. Zudem gibt es keine Belege dafür, dass Beta­blocker bei Patienten mit COPD und erhöhtem kardiovaskulärem Risiko ent­weder den Nutzen einer Behandlung mit lang­wirksamen Beta‑2-Sympathomimetika (LABA) verringern oder das kardiovaskuläre Risiko erhöhen [11].

Mögliche Einschränkungen

Als mögliche Einschränkung bei der Interpretation der Ergebnisse wird darauf verwiesen, dass keinerlei Daten zum Raucherstatus verfügbar waren und dieser daher nicht mit in Betracht gezogen werden konnte. Darüber hinaus liegt bei Registerstudien häufig ein Selektionsbias vor. So könnten Patienten mit Betablocker-Therapie z. B. gesünder gewesen oder von therapeutisch engagierteren Ärzten behandelt worden sein. Möglicherweise wurde bei manchen Patienten auch eine falsche Diagnose gestellt: Die COPD-Exazerbation könnte eigentlich eine Luftnot aufgrund einer kardio­vaskulären Ursache gewesen sein.

Ungerechtfertigte Bedenken

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass die Langzeitbehandlung mit Betablockern – unabhängig von deren Selektivität – im Vergleich zu einer Behandlung mit anderen Antihypertensiva mit einem verringerten Risiko einer COPD-bedingten Krankenhauseinweisung, der Gesamtmortalität und der COPD-Mortalität einhergeht. Bereits in früheren Studien konnte gezeigt werden, dass kardioselektive Beta­blocker bei Patienten mit stabiler COPD sicher sind und COPD-Patienten mit weiteren kardiovaskulären Indikationen von deren Einsatz profitieren können. Die Studienautoren folgern aus diesen Ergebnissen, dass Bedenken hinsichtlich der Verordnung von Betablockern bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einer COPD oder einem COPD-Risiko nicht gerechtfertigt sind. Eine randomisierte klinische Studie wäre sinnvoll, um diese Einschätzung zu untermauern. |

Literatur

[1] Rutten F et al. β-blockers may reduce mortality and risk of exacerbations in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Arch Intern Med 2010;170: 880-887

[2] Short PM et al. Effect of beta blockers in treatment of chronic obstructive pulmonary disease: a retrospective cohort study. BMJ 2011;342:d2549

[3] Quint JK et al. Effect of β-blockers on mortality after myocardial infarction in adults with COPD: population based cohort study of UK electronic healthcare records. BMJ 2013;347:f6650

[4] Du Q et al. Beta-Blockers Reduced the Risk of Mortality and Exacerbation in Patients with COPD: A Meta-Analysis of Observational Studies. PLoS ONE 2014;9(11):e113048

[5] Bhatt SP et al. β-Blockers are associated with a reduction in COPD exacerbations. Thorax 2016;71(1):8-14

[6] Coiro S et al. Association of beta-blocker treatment with mortality following myocardial infarction in patients with chronic obstructive pulmonary disease and heart failure or left ventricular dysfunction: a propensity matched-cohort analysis from the High-Risk Myocardial Infarction Database Initiative. Eur J Heart Fail 2017;19(2):271-279

[7] Nielsen AO et al. β-Blocker therapy and risk of chronic obstructive pulmonary disease – a Danish Nationwide study of 14 million individuals. EClinicalMedicine 2019;7: 21-26

[8] Vogelmeier C et al. S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). Pneumologie 2018;72:253–30; http://www.atemwegsliga.de/copd.html; Abruf am 21. Mai 2019

[9] Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) des National Heart, Lung, and Blood Institute, National Institutes of Health, USA, and the World Health Organization. 2019 Report. http://www.goldcopd.org; Abruf am 23.04.2019

[10] Lipworth B et al. Beta-blockers in COPD: time for reappraisal. Eur Respir J 2016;48(3):880-888

[11] Dransfield et al. β-Blocker Therapy and Clinical Outcomes in Patients with Moderate Chronic Obstructive Pulmonary Disease and Heightened Cardiovascular Risk. An Observational Substudy of SUMMIT. Ann Am Thorac Soc 2018; 15(5): 608-614

Apothekerin Ina Richling, PharmD

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