Arzneimittel und Therapie

Achtung Wechselwirkung – und nun?

Was bei der Interaktion von Metamizol und ASS zu beachten ist

Seit 2014 enthalten die Fachinformationen von Metamizol-Präpa­raten den Hinweis, dass bei gleichzeitiger Anwendung von Acetylsalicylsäure (ASS) deren Wirkung auf die Thrombozytenaggregation vermindert sein kann. Deshalb sollte Metamizol bei Patienten, die ASS in niedriger Dosierung zur Kardioprotektion einnehmen, mit Vorsicht angewendet werden [1]. Lässt sich diese recht allgemein gehaltene Handlungsempfehlung konkreti­sieren? Orientierung bietet eine Übersichtsarbeit, in der die aktuelle Datenlage zusammengefasst wird [2].

Der analgetische Wirkmechanismus von Metamizol ist noch nicht abschließend geklärt. Präklinische Untersuchungen zeigen, dass die Substanz bzw. der für die Wirkung hauptsächlich verantwortliche Metabolit 4-Methylaminoantipyrin (MAA) sowohl zentrale als auch periphere Wirkungen besitzen. Der Mechanismus der Hemmung der Thrombozytenaggregationshemmung durch ASS ist dagegen gut bekannt. Der Wirkstoff inaktiviert die Cyclooxygenase 1 (COX-1) der Thrombozyten durch irreversible Acetylierung eines Serinrests in Position 530 im katalytischen Zentrum, nahe der Andockstelle der Arachidonsäure. Dadurch kann die für die Plättchen­­aggregation essenzielle Thromboxan-A2-Synthese aus Arachidonsäure über die Lebensdauer des Thrombozyten hinweg nicht mehr stattfinden [3]. Bekannt ist auch, dass einige nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), darunter Ibuprofen, mit ASS um die Bindungsstelle an der COX-1 konkurrieren können [2]. Für Metamizol wurde erstmals 2008 ein derartiger Mechanismus beschrieben [4]. Auf Basis von In-vitro-Untersuchungen stellte man die Hypothese auf, dass MAA am Serin 530 bzw. am Tyrosin 385 eine starke Wasserstoffbrückenbindung eingeht und dadurch die ASS-Bindung verhindert. Der genaue Mechanismus ist jedoch noch nicht abschließend geklärt.

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Abstand halten! Zwischen der Einnahme von ASS und der Einnahme von Metamizol sollten mindestens 30 Minuten liegen.

Auf den Zeitpunkt kommt es an

Auch die Ergebnisse kleinerer Probandenstudien legen die Vermutung nahe, dass Metamizol die Thrombozyten­aggregationshemmung durch ASS aufzuheben vermag. Dabei scheinen jedoch der Einnahmezeitpunkt und die Dosierung eine Rolle zu spielen. So konnte in Untersuchungen durch eine Erhöhung der ASS-Dosis die Interaktion zwischen ASS und Metamizol aufgehoben werden. Wurden beispielsweise zuerst 100 mg ASS und 30 Minuten später 750 mg Metamizol verabreicht, blieb die ASS-Wirkung weitestgehend erhalten. Die Autoren der Übersichtsarbeit kommen zu dem vorläufigen Ergebnis, dass die kombinierte Einnahme beider Wirkstoffe die ASS-Wirkung auf Thrombozyten abschwächt, aber nicht komplett aufhebt. Vorteilhaft für den Erhalt der Thrombozytenaggregationshemmung sind wahrscheinlich höhere ASS- (500 mg) und niedrigere Metamizol-Dosierungen (< 3 g pro Tag) sowie eine orale anstelle einer intravenösen Applikation.

Cave Agranulozytose-Risiko

Metamizol (z. B. Analgin®, Novalgin®, Berlosin® und Generika) kann aufgrund seiner analgetischen, antipyretischen und spasmolytischen Wirkungen bei verschiedenen akuten und chronischen Schmerzen, beispielsweise nach chirurgischen Eingriffen und Verletzungen, bei Tumorschmerzen, aber auch bei Koliken der Gallen- und Harnwege sowie hohem Fieber eingesetzt werden. Außer in Deutschland ist Metamizol nur noch in Brasilien, Israel, Mexiko, Russland und Spanien verfügbar. In vielen Ländern erfolgte die Rücknahme der Zulassung aufgrund des Agranulozytose-Risikos des Wirkstoffs. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) gibt die Inzidenz dieser schweren, potenziell tödlich verlaufenden Nebenwirkung bei einwöchiger Einnahme mit 1,1 pro eine Million behandelter Patienten an. Durch regelmäßige Blutbildkontrollen und die Beachtung von Warnsignalen (Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Fieber) kann eine Agranulozytose jedoch frühzeitig erkannt werden.

Empfehlungen für die Klinik

Für die Akutschmerztherapie im Krankenhaus, das heißt die kurzzeitige perioperative Gabe von Metamizol, ist die Interaktion möglicherweise weniger relevant. Vorsicht ist jedoch geboten bei vaskulär vorerkrankten Patienten mit chronischen Schmerzen, die ASS dauerhaft einnehmen. Die Autoren befürchten, dass durch diese Wechselwirkung ein höheres Risiko für Mortalität, Herzinfarkte und Schlaganfälle besteht. Aus Sicherheitsgründen sollte bei diesen Patienten die Indikation für Metamizol sehr genau gestellt und die Dosierung sowie die Einnahmedauer so gering wie möglich gewählt werden. Wegen des geringen Datenumfangs besteht aus ihrer Sicht die Notwendigkeit, die Ergebnisse in größeren Studien zu bestätigen.

Beratung in der Apotheke

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hatte 2018 empfohlen, nach der Einnahme von ASS mindestens 30 Minuten mit der Metamizol-Einnahme zu warten [5]. Diese Empfehlung ist weiterhin aktuell.

Auch Ibuprofen blockiert über einen Zeitraum von etwa acht Stunden den Zugang von ASS zur COX-1. Daher sollte ASS mindestens 30 Minuten vor einer Ibuprofen-Dosis eingenommen werden, um die kardioprotektive Wirkung zu erhalten. Diese Regel funktioniert jedoch nur bei sporadischer Einnahme von Ibuprofen. Bei einer Dauertherapie ist kein sicheres Zeitfenster mehr vorhanden, in dem die Wechselwirkung umgangen werden kann. Daher sollte, wenn möglich, ein alternatives Schmerzmittel (z. B. Diclofenac) gewählt werden. |

Quelle

[1] Fachinformation Novalgin® Filmtabletten, Stand Januar 2019

[2] Schnabel A, Rittner HL. Interaktion von Metamizol und ASS: Reicht die Evidenz für klinische Konsequenzen? Arzneiverordnung in der Praxis 2019;46(1-2):45-51

[3] Mutschler E et al. Mutschler Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 10. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2012

[4] Hohlfeld T et al. Pyrazolinone analgesics prevent the antiplatelet effect of aspirin and preserve human platelet thromboxane synthesis. J Thromb Haemostas 2008;6(1):166-73

[5] Kann Metamizol die Wirkung von ASS auf die Thrombozytenaggregation behindern? – hinsichtlich klinischer Relevanz und Empfehlungen für die Praxis bleiben Fragen offen. Mitteilung der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft. Deutsches Ärzteblatt 2018;115(18):A897-A898

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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