Die Seite 3

Instrumentalisiert

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Pressemeldungen von Universitäten strahlen im Nachrichtendschungel eine besondere Seriosität aus. Sie informieren in der Regel fachlich fundiert über neue Forschungsergebnisse und haben natürlich zum Ziel, das Renommee der jeweiligen Institute und Arbeitskreise ins rechte Licht zu rücken. Entsprechend gerne greifen Publikumsmedien diese Meldungen auf. So geschehen auch im Fall eines angeblich revolutionären Bluttests zur Brustkrebsdiagnostik, den Forscher der Firma Heiscreen, einer Ausgründung des Universitätsklinikums Heidelberg, entwickelt haben und auf den mittels einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg aufmerksam gemacht worden ist. Von einem Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik war die Rede, die Bild-Zeitung sprach sogleich von Weltsensation, viele andere Medien sprangen auf den Zug auf. Doch es wurden auch Zweifel laut, denn Studienergebnisse sind bislang zu diesem Test nicht publiziert worden (s. DAZ 2019, Nr. 9, S. 28). Das Universitätsklinikum Heidelberg bzw. seine Pressestelle kamen in Erklärungsnot, ruderten zurück, entschuldigten sich. Eine Expertenkommission zur Aufarbeitung wurde eingerichtet, das Universitätsklinikum Heidelberg hat inzwischen sogar Strafan­zeige gegen Unbekannt gestellt (s. S. 18).

Eine weitere Pressemitteilung einer Universität vom 1. April 2019 stieß ebenfalls auf großes Medienecho. Der Absender war die Universität Leipzig, der Titel „Methadon bei Krebstherapie von Hirntumoren unwirksam“.

Auf den ersten Blick konnten alle, die die Diskussion um den Nutzen einer Methadon-Zusatztherapie bei Krebs verfolgt haben, glauben, dass jetzt endlich der „Heilsbringer Methadon“ entzaubert ist. Bei näherem Hinschauen war jedoch zu lesen, dass eine „Laborstudie“ zu diesem ernüchternden Ergebnis geführt haben soll.

Nun ist natürlich bekannt, dass nur klinische Studien Klarheit hinsichtlich der widersprüchlichen In-vitro- und Tierversuchsergebnisse zum wirkverstärkenden Potenzial von Methadon in der Krebstherapie bringen können. Doch diese gibt es nicht. Dr. Claudia Friesen, die zusammen mit dem Palliativ­mediziner Dr. Hans-Jörg Hilscher um die Finanzierung klinischer Studien ringt, stößt eigenen Angaben zufolge auf massiven Widerstand. Sie setzt ihre ganze Hoffnung auf eine Petition, die im vergangenen Jahr beim Deutschen Bundestag eingereicht worden ist und zur Entscheidung ansteht. Darin wird die staatliche Förderung klinischer Studien zum Einsatz von Methadon in der Krebstherapie eingefordert. Am 3. April 2019 waren Friesen und Hilscher zur Vorstellung ihrer wissenschaftlichen Daten und Erfahrungen in den Deutschen Bundestag geladen. Kurz zuvor war die Pressemeldung der Universität Leipzig mit der irreführenden Schlagzeile erschienen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wir haben daher die Pressestelle der Universität Leipzig um Erklärung gebeten. Geantwortet hat der Leiter der Studie, Prof. Dr. Frank Gaunitz (s. S. 38). Er beruft sich auf den Vorspann der Pressemitteilung, in dem doch erwähnt sei, dass es sich um eine Laborstudie und keine klinische Studie handele. Zudem gehe aus der Originalstudie eindeutig hervor, dass anhand dieser Studie keine Empfehlung für eine Methadon-Behandlung von Glioblastomen gegeben werden kann. Das ist eine etwas andere Aussage als die Schlagzeile der Meldung, die suggeriert, dass sich viele Patienten falsche Hoffnungen gemacht haben.

Eine Pressemeldung also, die mehr zur Irritation denn zur Aufklärung beigetragen hat. Gut, dass die Pressestelle des Universitätsklinikums Heidelberg wohl erkannt hat, dass sie im Falle des Brustkrebstests instrumentalisiert worden ist. Eine Frage, die sich auch die Pressestelle des Universitätsklinikums Leipzig bezüglich der Methadon-Meldung stellen lassen muss.

Doris Uhl


PS: Friesen und Hilscher haben die Leipziger Zellkulturstudie unter die Lupe genommen und kommen zu einem völlig anderen Fazit als die Leipziger Arbeitsgruppe (s. S. 40).

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