Aus der Hochschule

Phytoforschung exzellent präsentiert

Doktoranden und junge Postdoktoranden trafen sich in Münster

Fast zur festen Institution geworden, fand nun schon zum fünften Mal im Institut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Rahmen des strukturierten Nachwuchsförderprogrammes ein wissenschaftliches Symposium für Nachwuchswissenschaftler zum Thema „Phytotherapeutika in der aktuellen Forschung – Phytochemie, Pharmakologie und klinische Anwendungen“ vom 22. bis 23. März 2019 statt.

Diese Young ­Researcher Meetings wenden sich bevorzugt an Doktorandinnen und Doktoranden, die sich thematisch mit den zahlreichen Facetten der rationalen Phytopharmazie und Naturstoffchemie beschäftigen.

Ziel der Workshops ist der Austausch wissenschaftlicher Ergebnisse von hohem Niveau zwischen den Dissertanten, die freie, konstruktive Diskussion der Resultate und Methoden ohne Zutun der jeweiligen Betreuer und älterer Wissenschaftler. Aber auch das gegenseitige Kennenlernen und eine gemeinsame festliche Abendveranstaltung sind wesentliche Aspekte des Symposiums.

Interdisziplinärer Austausch

Auch dieses Jahr fanden sich 48 Doktoranden und junge Postdoktoranden am Anfang ihrer wissenschaftlichen Karriere aus überwiegend deutschen Universitäten ein; vornehmlich Pharmazeuten, aber auch Mediziner, Biologen, Biotechnologen u. a., deren Interesse und manchmal, wie sich herausstellte, auch Leidenschaft in der wissenschaftlichen Untersuchung von Arzneipflanzen und Naturstoffen liegen. Das Spannende an diesen Tagungen ist die interdisziplinäre Beleuchtung von Fragestellungen aus den unterschiedlichen Sichtweisen der phytochemischen Naturstoffseite, der tierexperimentellen und mole­kularen Pharmakologie sowie aus der Sicht des klinisch tätigen Praktikers. Dieser vielschichtige Ansatz der Diskussion im Grenzgebiet zwischen Chemie, Pharmakologie und Klinik macht auch den Reiz dieser Symposien aus.

Foto: Universität Münster
Die Teilnehmer des 5. Young Researcher Meetings in Münster

Bioaktive Extrakte und Naturstoffe im Visier

Im ersten Vortragsblock wurden Daten zur Pharmakologie bioaktiver Extrakte und Naturstoffe referiert. Hierbei wurden Untersuchungen zur spasmolytischen Wirkung an der Säuger­trachea von Drosera-Extrakt und galloyliertem Hyperosid aus dieser Droge präsentiert. Antiinflammatorische Effekte von terpenoiden Sekundärstoffen aus Myrrhe via Inhibition von ICAM-1-Proteinen können zum besseren Verständnis der Wirkung dieser Droge beitragen. Kombinationen aus Kamillenblüten, Myrrhe und Kaffeekohle werden in zugelassenen Handelspräparaten erfolgreich bei entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt; dass die Kombination der Extrakte nicht nur antientzündlich wirkt, sondern auch Barriere-stabilisierende Effekte zeigt und damit auch eine cytoprotektive Wirkung beinhaltet, könnte zum vertieften Verständnis des Arzneimittels beitragen.

Diterpen gegen Nematoden

Ein gänzlich neues Target mit viel­versprechenden Anwendungsgebieten gegen Wurmerkrankungen – die zwar in unseren Breiten eher selten sind, aber in der Tierzucht und in Drittweltländern eine riesige Bedeutung haben – stellt die Hemmung der Reproduktion von Nematoden durch ein Diterpen aus Götterbaumrinde dar.

Erfolgreiches Zelltargeting

In der Vortragsreihe rund um Infek­tionen und Antiinfektiva wurden neuartige antiadhäsive Pektin-ähnliche Verbindungen vorgestellt, die hoch­selektiv die Adhäsion von Helicobacter pylori an der Magenschleimhaut unterbinden, indem die Polymere das für das Andocken des Bakteriums notwendige Protein BabA blockieren; auch Lipopolysaccharid LPS, welches dieses Bakterium für die Adhäsion nutzt, wird blockiert. Spannend war auch zu sehen, dass die antiadhäsiven Polymere in Antibiotika-enthaltenden Liposomen formuliert werden können, die initial an die Mucinschicht von Magenzellen andocken, dann in diese Schicht einwandern, an das Bakterium adhärieren und dann das Antibiotika-Cargo entleeren – typisches und erfolgreiches Zelltargeting!

Weitere Präsentationen beschäftigten sich mit der Identifizierung pflanz­licher Naturstoffe als neue Leitstrukturen gegenüber Trypanosomen und Leishmanien, wobei auf der einen ­Seite Computer-gestützte In-silico-­Verfahren genutzt wurden, auf der ­anderen Seite auch ultrastrukturelle Untersuchungen des Cytoskeletts von Leishmanien mittels Rasterkraftmikroskopie verwendet werden, um die zerstörende Eigenschaft von Wirkstoffen gegen diesen Erreger zu identifizieren.

Neue Strukturen, neue Derivate

In der dritten Session wurden Daten zu Phytochemie und neuen Natur­stoffen präsentiert. Neuartige, von Curcumin abgeleitete Diarylheptanoide wurden hinsichtlich neuroprotektiver Effekte untersucht. In einer weiteren Untersuchung konnte die bisher publizierte Struktur des Penicillium-aurantiogriseum-Metaboliten Auranthin revidiert werden und auch die absolute Konfiguration aufgeklärt werden. Neuartige Lignane und Sesquiterpenlactone mit ungewöhnlicher Struktur wurden aus einer Hypochaeris-Art erstmals beschrieben. Interessant auch die synthetische Weiterentwicklung von neuen Derivaten des Isonapabucains, welches sich von Naphthochinonderivaten aus dem Lapachobaum Tabebuia impetiginosa ableitet und sich in er­weiterten Phase-II-Testungen gegen bestimmte Krebsformen befindet.

Im Rahmen einer Session, die jungen Postdoktoranden vorbehalten war, wurden deren Arbeitsgebiete vorgestellt und diskutiert. Hierbei waren insbesondere Arbeiten zu möglichen klinisch relevanten Interaktionen von pflanzlichen Arzneimitteln mit chemisch-synthetischen Wirkstoffen ein Thema, aber auch phytochemische Fragestellungen sowie Untersuchungen zu neuen Targets gegen Infektionen.

Abgerundet wurde die Veranstaltung durch drei Impulsvorträge zum Thema Cannabis, zu neuen Wirkmechanismen von Schlangengiften und einem Seminarvortrag zur effektiven Identifizierung „Dereplikation“ von Naturstoffen aus komplexen Gemischen mittels LC-MSn.

Poster & Wein

Im Rahmen einer strukturierten Postervorstellung wurden bei Poster & Wein neue Aspekte klinischer, pharmakologischer und phytochemischer Forschung diskutiert. Beim anschließenden munteren Abendessen in großer Runde war auch kein Ende der wissenschaftlichen Gespräche zu verzeichnen.

Insgesamt bot sich ein aktuelles spannendes Programm (s. a. www.uni-muenster.de/Chemie.pb/) mit intensiver Diskussion, und einmal mehr hatte sich deutlich gezeigt, dass der Nachwuchs es hervorragend versteht, eigene Ergebnisse perfekt zu präsentieren, zu diskutieren und neue Ideen und Gedanken zu generieren.

Full Papers für Sonderband

Ausgewählte Präsentationen werden nach Aufforderung der Autoren zur Erstellung eines Full Papers in einem Sonderband „Young Researcher Workshop 2019 Münster“ der begutachteten Fachzeitschrift „Fitoterapia“ publiziert. |

Prof. Dr. A. Hensel

Organisation der Tagung: Profs. Dr. A. Hensel, Dr. T. J. Schmidt (Institut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie, Universität Münster), Prof. Dr. K. Nieber (Pharmakologie, Universität Leipzig) und Prof. Dr. M. Düfer (Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie/Abt. Pharmakologie, Universität Münster).

Organisatorische und technische Abwicklung: M. Plesse und E. Thiele.

Förderung der Tagung: Gesellschaft für Phytotherapie

Sponsoring: Anklam Extrakt GmbH, Bionorica SE, Dr. Loges GmbH, Medice Arzneimittel, PhytoLab GmbH & Co. KG, Repha GmbH, Schwabe GmbH & Co. KG, Sidroga GmbH, Steigerwald Arzneimittel GmbH (Bayer AG)

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