Arzneimittel und Therapie

„Ich bin kein Freund von HCT, aber ein großer Freund von Fixkombinationen“

Was das Ende von HCT endgültig besiegeln könnte

rr | Gleich nach Veröffentlichung des Rote-Hand-Briefs warnte die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) vor Kurzschlussreaktionen: HCT soll auf keinen Fall unüberlegt abgesetzt werden. Lieferengpässe von Alternativ­präparaten spiegeln dennoch einen Trend zu einem veränderten Verschreibungsverhalten wider. Für Prof. Dr. Felix Mahfoud hat sich jedoch nicht viel verändert.
Prof. Dr. Felix Mahfoud

DAZ: Professor Mahfoud, das phototoxische Potenzial von HCT ist seit Langem bekannt. Kommt das Hautkrebsrisiko tatsächlich überraschend?

Mahfoud: Nein, eigentlich nicht. Nur gibt es jetzt einige Evidenz, die den Verdacht erhärtet. Überraschend war aber tatsächlich weniger der hypothetisierte Zusammenhang zwischen HCT und Plattenepithelkarzinomen, sondern eher, dass gleich ein Rote-Hand-Brief veröffentlicht wurde, der zu großer Verunsicherung bei Patienten und Ärzten führte.

DAZ: Also sehen Sie keinen Grund zur Panik?

Mahfoud: Panik bringt bei Bluthochdruck nie etwas. Das schlimmste Szenario wäre, dass die Patienten ihre Fixkombinationen, die HCT enthalten, einfach von heute auf morgen absetzen. Das onkogene Risiko ist sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen, aber eine unkontrollierte arterielle Hypertonie ist als weitaus gefährlicher einzustufen als ein Plattenepithelkarzinom, das in der Regel eine sehr gute Prognose hat.

DAZ: Für Patienten mit Hautkrebs in der Vorgeschichte sollte aber zumindest darüber nachgedacht werden, HCT gegen andere Thiazid-ähnliche Diuretika auszutauschen. Ist ein Wechsel so einfach möglich?

Mahfoud: Unabhängig vom Rote-Hand-Brief sollte Chlortalidon und Indapamid – wo möglich – der Vorzug vor HCT gegeben werden, da sie in der Indikation Bluthochdruck die besser untersuchten und zudem noch die wirksameren Substanzen sind. Ich war noch nie ein Freund von HCT, bin aber ein großer Freund von Fixkombinationen, da sie nachweislich die Therapietreue fördern. Leider hat sich die pharmazeutische Industrie irgendwann auf HCT als Diuretikum in ihren Kombipräparaten festgelegt, und man ist als Arzt in der Auswahl limitiert. Das ist der Grund, warum HCT in Deutschland überhaupt so häufig verschrieben wird.

DAZ: Haben Sie bei einigen Ihrer Patienten im Zuge der aktuellen Diskussion einen Wechsel des Diuretikums vorgenommen?

Mahfoud: Bei Patienten, die HCT als Monopräparat erhalten, würde ich wechseln. Ich persönlich habe aber schon länger versucht, meine Patienten von vornherein auf Chlortalidon oder Indapamid einzustellen. Die nun aufgekommenen Sicherheitsbedenken bestätigen dieses Vorgehen. Bei Kombinationspräparaten kommt man allerdings kaum an HCT vorbei. Eine ganz schwierige Frage ist, ob es besser wäre, eine Fixkombination aufzulösen, um HCT als Partner loszuwerden, oder dabei zu bleiben, um die Adhärenz nicht zu gefährden. Die Entscheidung ist von mehreren Faktoren abhängig und immer individuell zu treffen. Hält sich der Patient viel im Freien auf? Arbeit er vielleicht den ganzen Tag in der prallen Sonne auf der Baustelle? Nimmt er oder sie noch andere photosensibilisierende Arzneimittel ein? Gab es in der Familie Fälle von Plattenepithelkarzinomen? Wenn solche Risikofaktoren bestehen, würde ich tatsächlich umstellen. Wenn nicht, gibt es derzeit keinen Grund, etwas an der bestehenden Medikation zu ändern.

DAZ: Würde eine größere Auswahl von Fixkombinationen mit Chlor­talidon und Indapamid auf dem deutschen Markt das Ende von HCT bedeuten?

Mahfoud: Ich denke ja. Hauptsächlich wünschen wir uns von der pharmazeutischen Industrie mehr Alternativen mit Indapamid und Chlortalidon aufgrund ihrer höheren Wirksamkeit. Ein Risiko für Hautkrebs ist aber auch bei diesen Thiazid-Analoga nicht auszuschließen. Dass bisher lediglich für HCT ein auffälliges Sicherheitssignal detektiert wurde, liegt vermutlich nur daran, dass es so häufig verordnet wird.

DAZ: Professor Mahfoud, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Prof. Dr. med. Felix Mahfoud, Leitender Oberarzt der Kardiologie am Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg

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