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Hausaufgaben nicht gemacht? Nachsitzen!

AK Mecklenburg-Vorpommern verschickt Mahnungen bei zu wenigen Fortbildungspunkten

hb/rr | Die Diskussionen um die Fortbildungspflicht mit Nachweispflicht (Pflichtfortbildung) nehmen aktuell wieder Fahrt auf. Ende Juni des letzten Jahres hatte die Kammerversammlung in Mecklenburg-Vorpommern beschlossen, die Fortbildungspflicht jährlich zu überprüfen und Verstöße berufsrechtlich zu ahnden, und zwar erstmals im Jahr 2019 für das Jahr 2018. Dass dies keine leeren Worte bleiben sollten, zeigt sich jetzt. Im Februar gingen die „blauen Briefe“ an säumige Kammermitglieder raus. Auch die Kammer in Rheinland-Pfalz, wo es noch keine Pflichtfortbildung gibt, schaut ihren Mitgliedern in Sachen Fortbildungspflicht aktuell genauer auf die Finger.

Nach den Heilberufs- und Kammergesetzen der Länder sind die Apotheker als Angehörige der Heilberufe zur Fortbildung verpflichtet, wenn sie ihren Beruf ausüben. Näheres regeln die Berufsordnungen. Dort findet sich aber meist nur ein dürrer Standardsatz, etwa wie: „Der Apotheker hat die Pflicht, die erforderlichen Fachkenntnisse durch regelmäßige Fortbildung in geeigneter Weise zu erhalten und weiterzuentwickeln.“ Einige LAKs fordern, dass der Apotheker seine Fortbildung in geeigneter Form nachweisen können muss (z. B. Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Westfalen-Lippe).

Eine Möglichkeit hierfür ist der Erwerb eines freiwilligen Fortbildungszertifikats. Damit kann die Teilnahme an anerkannten Fortbildungsmaßnahmen systematisch dokumentiert werden. Die erforderlichen Fortbildungspunkte können auf den unterschiedlichsten Wegen erworben werden, etwa durch den Besuch von Vorträgen und Kongressen, die Teilnahme an Seminaren, Workshops, eigene Aktivitäten wie Vorträge/Seminare, Lehrtätigkeit, wissenschaftliche Artikel, etc. oder auch das Selbststudium. Das Fortbildungszertifikat ist drei Jahre lang gültig. In dieser Zeit kann erneut die Mindestanzahl an geforderten Fortbildungspunkten erworben und das Fortbildungszertifikat für weitere drei Jahre beantragt werden.

Zurückhaltung bei der Pflichtfortbildung

Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe war die erste Kammer in Deutschland, die eine Pflichtfortbildung in ihre Berufsordnung aufnehmen wollte. Der Beschluss dazu wurde im Mai 2008 gefasst, der Plan in der Folge jedoch nicht umgesetzt. Mitte letzten Jahres gab es einen Vorstoß in Baden-Württemberg, der aber bis dato ebenfalls ohne einen konkreten Umsetzungsbeschluss endete.

Eine tatsächliche Pflichtfortbildung gibt es bislang nur in Mecklenburg-Vorpommern. Dort beschloss die Kammerversammlung am 27. Juni 2018 eine Fortbildungssatzung, nach der die bestehende Fortbildungspflicht jährlich überprüft und Verstöße berufsrechtlich geahndet werden sollen, und zwar erstmals im Januar 2019 für das Jahr 2018. Von der Apothekerkammer MV akkreditierte Fortbildungen werden automatisch erfasst. Zählt das persönliche Konto am Ende des Jahres weniger als 16 Punkte, wird das Mitglied gebeten, weitere Fort­bildungsmaßnahmen nachzuweisen. Dabei kann es sich sowohl um anerkannte als auch angemessene, nicht akkreditierte Veranstaltungen und Online-Seminare handeln. Eine Fortbildungseinheit entspricht 1 Punkt einer anerkannte Fortbildung und einer Dauer von 45 Minuten.

Foto: Messe Stuttgart
Fortbildungsangebote wie die Interpharm werden von vielen Kolleginnen und Kollegen wahrgenommen. In der Regel machen sie das freiwillig – noch jedenfalls.

„Blaue Briefe“ von der Kammer

Nun wird es offenbar tatsächlich ernst. Einige Apotheker im Nordosten der Bundesrepublik haben im Februar Post von ihrer Kammer bekommen mit dem Hinweis, die jährlich geforderten 16 Fortbildungspunkte im Kalenderjahr 2018 bisher nicht erreicht zu haben. Bis zum 31. März 2019 haben sie Zeit, Nachweise nachzureichen. Geschieht dies nicht, können sie die fehlenden Fortbildungseinheiten bis zum 30. Juni nachholen – sonst droht Bestrafung. Dabei entscheidet der Kammervorstand ohne einen Auto­matismus über eine Sanktion. Noch ist nicht bekannt, wie genau diese aussehen wird. Es soll sich wohl aber zunächst um eine Rüge ohne Geldstrafe handeln. Erst bei mehrmaligem Verstoß sei über mehr nachzudenken, so Geschäftsführer Dr. Bernd Stahlhacke im August 2018. Kritik gab es von der Basis unter anderem wegen der kurzen Umsetzungsfrist. Viele Apotheker erfuhren erst aus dem Mitteilungsblatt im August von ihren Hausaufgaben.

Auch die AK Rheinland-Pfalz fasst nach

Nun sieht es so aus, als wenn andere Landesapothekerkammern dem Beispiel Mecklenburg-Vorpommern in ähnlicher Weise folgen würden. In ihrem aktuellen Rundschreiben von März 2019 informiert die LAK Rheinland-Pfalz ihre Mitglieder über ihr diesbezügliches Vorgehen. Erstmals habe man den Nachweis über die Fortbildungsaktivität im letzten Jahr bei einer Stichprobe von Kammermitgliedern erbeten, die weder ein gültiges Zertifikat noch eine Punktegutschrift innerhalb der letzten drei Jahre auf dem Fortbildungspunktekonto vorweisen konnten, heißt es in dem Rundschreiben. In diesem Jahr werde die Abfrage eines Nachweises auf alle Kammermitglieder ausgeweitet. Hierfür soll ein aktuelles und gültiges Fortbildungszertifikat der LAK ausreichend sein. Ebenso werde die Anforderung der Berufsordnung erfüllt, falls auf der Homepage der Landesapothekerkammer ein Fortbildungspunktekonto geführt und darauf eine erfolgreich besuchte Fortbildung, deren Veranstaltungsdatum nicht älter als drei Jahre ist, verbucht sei. Der Nachweis soll in beiden Fällen unabhängig von einer erreichten Anzahl von Fortbildungspunkten für einen Zeitraum von drei Jahren erbracht sein.

Was schreibt die Kammer Rheinland-Pfalz den Mitgliedern?

In den individuellen Schreiben an die Kammermitglieder wird weiter erläutert, das die Vertreterversammlung der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz die Verpflichtung zur Fortbildung bereits in den Jahren 2014 und 2015 diskutiert habe, und zwar mit dem Ergebnis, technische Neuerungen wie etwa das Fortbildungspunktekonto auf der Kammerhomepage einzuführen, um die Nachweisführung zu erleichtern. „Dem Beschluss der Vertreterversammlung folgend“, wird nun um Nachweiserbringung der Fortbildungsaktivität innerhalb der letzten drei Jahre gebeten. Zu den Vorgaben dazu siehe Erläuterungen im Rundschreiben der Kammer. Von etwaigen Sanktionen ist in den individuellen Schreiben nicht die Rede. Dafür fehlt wohl auch eine berufsrechtliche Grundlage.

„Eine für alle“-Fortbildung wohl kaum möglich

Gleichwohl herrscht unter einigen Kammermitgliedern Verunsicherung. Diese bezieht sich unter anderem auf die Frage, welche Fortbildungsinhalte für welches Kammermitglied adäquat sind und wie der für eine Anerkennung geeignete Nachweis der Fortbildung zu erbringen sein soll. Zwar arbeitet nach den aktuellen „Zahlen Daten Fakten 2018“ der ABDA der weitaus größte Teil (ca. 51.100) der mehr als 64.000 berufstätigen Apotheker in öffentlichen Apotheken, aber es gibt auch eine erkleckliche Zahl von Kollegen, die ihre pharmazeutische Berufung in der Pharmaindustrie, in Krankenhausapotheken, Universitäten oder Behörden gefunden haben und den Berufsstand dort fachkundig repräsentieren. Fortbildung nach dem Motto „Eine für alle“ dürfte vor diesem Hintergrund kaum vorstellbar und auch realitätsfern sein. Es trifft sicher zu, dass die Fortbildungsangebote der Kammern überwiegend auf die Tätigkeit in der Offizin ausgerichtet sind. Apotheker, die in anderen Bereichen arbeiten, dürften dort unter dem Strich zwangsläufig seltener anzutreffen sein als die Kollegen aus den öffentlichen Apotheken. Dafür nehmen sie regelmäßig und engmaschig an fachspezifischen Fortbildungsmaßnahmen teil, ohne die sie ihren Beruf ansonsten gar nicht über Jahre hinweg ausüben könnten. Manche berufliche Tätigkeit ist an sich schon so angelegt, dass sie zwangsläufig mit einer regelmäßigen Fortbildung verknüpft ist, wie etwa der Fachjournalismus. Vor diesem Hintergrund darf mit Spannung abgewartet werden, wie die Landesapothekerkammern MVP und RLP, freilich auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, nämlich einerseits auf der Basis einer berufsrechtlich verankerten Pflichtfortbildung und andererseits basierend auf einer „einfachen“ Fortbildungspflicht mit den Rückläufen ihrer Kammermitglieder umgehen werden.

Zum Weiterlesen

Pro & Kontra – Von der Fortbildungspflicht zur Pflichtfortbildung: So sieht die Situation in Deutschland aus

DAZ 2018, Nr. 28, S. 22 ff.

Pro und kontra Sanktionen

Die Idee, Nicht-Fortbilden zu bestrafen, stößt nicht bei allen Apothekern auf Zuspruch. In einer DAZ-Umfrage stimmten zwei Drittel der mehr als 700 Teilnehmer gegen eine Pflichtfortbildung mit Sanktionen. Es sollten eher Anreize geschaffen statt mit Kontrollen und noch mehr bürokratischem Aufwand gedroht werden, so die Kritiker. Auch halten sie dagegen, dass die Anwesenheit bei einer Veranstaltung keinesfalls mit einem Lernerfolg gleichzusetzen sei. Befürworter sehen in einer konsequenten, lebenslangen und verpflichtenden Fortbildung den einzigen Weg, um eine sichere und professionelle Patientenversorgung zu gewährleisten, und fordern radikale Konsequenzen für Kollegen, die sich auf dem Wissen aus dem Studium ausruhen – bis hin zum Entzug der Approbation. |

Quellen

Mitteilungsblatt der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern August 2018

Rundschreiben der Apothekerkammer Rheinland-Pfalz von März 2019.

Pflichtfortbildung: DAZ-Leser sind dagegen. DAZ.online vom 18.07.2018

DAZ 2018, Nr. 28, Schwerpunkt „Pflichtfortbildung“

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