Arzneimittel und Therapie

Myokardinfarkt nicht erkannt

Biotin kann Labortests stören

cst | Tod durch Herzinfarkt – und schuld daran ist Biotin. Wie kann das sein? Aus den USA ist der Fall eines Patienten mit einer Hochdosis-Biotin-Therapie zur Behandlung der multiplen Sklerose bekannt geworden, bei dem ein Myokardinfarkt aufgrund falsch negativer Troponin-Werte nicht erkannt wurde. Das Problem: Eine erhöhte Biotin-Konzentration kann Streptavidin-Biotin-Immunoassays stören, da das von außen zugeführte Biotin mit biotinylierten Reagenzien um Bindungsstellen an Streptavidin konkurriert. So kann es – wie im Fall von Troponin-Assays oder auch bei der Bestimmung von Schilddrüsenhormonen – zu falsch niedrigen Testergebnissen kommen (Sandwichimmuno­assays). Aber auch falsch erhöhte Werte sind möglich (kompetitive Immunoassays), beispielsweise bei der Bestimmung von Estradiol. Sowohl kardiale als auch endokrinologische Marker können von einer Interferenz zwischen Biotin und Immunoassays betroffen sein. Bei Kindern und Patienten mit Niereninsuffizienz ist das Risiko zusätzlich erhöht.

Doch nicht nur hochdosierte Biotin-Präparate stellen ein Risiko für Interferenzen dar. Erst kürzlich hat der Pharmakovigilanzausschuss der europäischen Arzneimittelagentur (PRAC) im Rahmen eines Signalbewertungsverfahrens empfohlen, einen entsprechenden Passus in die Produktinformationen aller Arzneimittel mit einem Gehalt von ≥ 150 μg (orale Anwendung) bzw. ≥ 60 μg Biotin pro Dosiseinheit (parenterale Anwendung) aufnehmen zu lassen.

Bei Nahrungsergänzungsmitteln und bilanzierten Diäten ist ebenfalls Vorsicht geboten. Beispielsweise enthält eine Tagesportion „Orthomol Immun“ 165 µg Biotin, in Vitamin B-Komplex-ratiopharm® sind 150 µg zu finden und in Frubiase® Sport sogar 450 µg.

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) empfiehlt, Patienten über die Problematik auf­zuklären. Patienten sollten ihren Arzt oder das Laborpersonal gegebenenfalls über die Einnahme Biotin-haltiger Präparate informieren. |

Quelle

AMK-Meldung 11/19 vom 12. März 2019. Informationen der Institutionen und Behörden: BfArM: Mögliche Interferenz bei klinischen Laboruntersuchungen durch Biotin-haltige Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel. www.abda.de; Abruf am 14. März 2019

Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) recommendations on signals adopted at the 14 – 17 January 2019 PRAC meeting. EMA/PRAC/905027/2019 Corr. 11. Februar 2019. www.ema.europa.eu; Abruf am 14. März 2019

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Bulletin zur Arzneimittelsicherheit. Ausgabe 4, 2018. www.bfarm.de; Abruf am 14. März 2018

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