Interpharm 2019 - Polypharmazie im Alter

Beers, Priscus, Forta ...

Orientierung für die Medikation multimorbider Patienten

pj | Häufig benötigen ältere Patienten aufgrund unterschiedlicher Erkrankungen mehrere Medikamente, deren Verordnung allerdings nicht immer die altersspezifischen Besonderheiten berücksichtigt. Wie die Arzneimitteltherapie im Alter optimiert werden kann, erläuterte Dr. Beate Mussawy.
Foto: DAZ/Matthias Balk
Apothekerin Dr. Beate Mussawy gab wichtige Tipps zum Umgang mit Listen, die die Arzneimitteltherapie älterer Patienten sicherer machen sollen.

Eine Polymedikation ist als Dauer­medikation von mindestens fünf Arzneimitteln definiert und ist bei alten Patienten besonders häufig, da mit zunehmendem Alter das Risiko für Multimorbidität steigt. Hinzu kommen individuelle Faktoren, wie etwa Doppelverordnungen durch verschiedene Therapeuten, das kritiklose Weiterführen einer nicht mehr benötigten Medikation, die unkritische Übernahme von Therapieempfehlungen aus dem stationären in den ambulanten Bereich, die Selbstmedikation oder Verordnungen zum Kupieren unerwünschter Nebenwirkungen durch ein weiteres Arzneimittel. Ferner ist zu bedenken, dass die Einnahme zahlreicher Medikamente vor allem bei älteren Patienten zu Problemen führen kann, da Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten vornehmlich bei jüngeren Probanden erhoben wurden, bei denen andere pharmakokinetische und pharmakologische Bedingungen (Stichwort Nierenfunktion) vorliegen wie bei Älteren. Folglich muss eine potenziell inadäquate Medikation (PIM) erkannt und durch besser geeignete Arzneistoffe ersetzt werden, um die Pharmako­therapie im Alter sicher zu gestalten. Wichtige Hilfsmittel hierbei sind die Beers-, Priscus- und die Forta-Liste.

Informationen zu den Listen

Listen helfen

Die in den 1990er-Jahren in den USA erstellte Beers-Liste ist eine Negativliste, mit deren Hilfe potenziell inadäquate Medikamente für ältere Patienten identifiziert werden können. Seit 2016 liegt eine deutsche Übersetzung vor, die an den deutschen Arzneimittelmarkt angepasst ist. Die Priscus-Liste wurde speziell für Deutschland ent­wickelt. Sie führt 83 Arzneimittel auf, deren Anwendung im Alter potenziell ungeeignet ist. Die Auswahl beruht auf einem Expertenkonsens. Die Arzneistoffe sind nach Indikationsgebieten aufgeführt. In mehreren zusätzlichen Spalten sind das Ergebnis eines Delphi-Konsensus-Prozesses, die Begründung für die Einstufung als PIM, mögliche Therapiealternativen sowie Empfehlungen oder Monitoring-Hinweise aufgeführt, falls ein potenziell ungeeignetes Arzneimittel dennoch eingesetzt werden soll. Zusätzlich gibt es eine Kurzversion der Priscus-Liste „für den Schreibtisch“, in der lediglich die Negativempfehlungen aufgeführt sind. Die nunmehr in der dritten Version verfügbare Forta-Liste ist indikationsbezogen aufgebaut, d. h. die Diagnosen des Patienten müssen bekannt sein. Die Einstufung des Medikaments für den Einsatz bei Älteren erfolgt in vier Kategorien (A = unverzichtbar; B = vorteilhaft; C= fragwürdig; D = vermeiden). In weiteren Spalten werden unter anderem Expertenbe­wertungen und ausgewählte auf dem Delphi-Konsensus-Prozess basierende Kommentare aufgeführt. Seit Februar 2019 sind auch Antiinfektiva enthalten; eine Smartphone-App ist verfügbar. Weitere Listen sind die EU(7)-PIM-Liste, die den Arzneimittelmärkten mehrerer europäischer Staaten angepasst ist, und die in Irland entwickelten START/STOPP/-Kriterien, die sich ebenfalls für den europäischen Bereich eignen.

Unter Zuhilfenahme einer oder mehrerer Listen kann nun eine Polymedikation bewertet werden. Der erste Schritt umfasst die Plausibilitätsprüfung, das heißt die Frage, welche Arzneimittel bei welcher Erkrankung sinnvoll sind. Dann folgt eine Überprüfung in Hinblick auf PIMs und in Bezug auf Wirkstoffe mit anticholinergen Eigenschaften (Bsp. Oxybutinin als PIM mit anticholinergen Eigenschaften). Der nächste Schritt ist die Suche nach therapeutischen Alternativen und deren Implementierung in den nunmehr abgespeckten Medikationsplan. |

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